Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 57/2008

Ausgangslage

Die Förderung von Bewegung und Gesundheit hat in Großbritannien einen hohen Stellenwert. Eine wichtige Funktion wird dabei dem Zufußgehen als einer „aktiven Bewegung“ („active travel“) beigemessen. In den letzten Jahren wurde vor allem von Medizinern eine Vielzahl von Forschungsarbeiten zu diesem Thema erstellt. Darüber hinaus wurden verschiedene Broschüren herausgegeben, um das Thema in der Fach- und der breiten Öffentlichkeit zu verankern.

In einem kürzlich erschienenen Leitfaden wird ein interdisziplinärer Ansatz mit Aktionen in den Bereichen strategische Planung, Stadtplanung, Verkehrsplanung und Grünplanung vorstellt. Diese Aktionen haben das Ziel, Räume für ein gesundes, aktives Leben zu schaffen und zu verbessern („building health“ - „Gesundheit planen und bauen“). Entstanden ist dieser Leitfaden in einer Zusammenarbeit von drei Institutionen: der Vereinigung Living Streets, die sich für fußverkehrsfreundliche Gemeinden einsetzt, der britischen Gesundheitsorganisation National Heart Forum und der Kommission für Architektur und gebaute Umwelt CABE. Der Fußverkehr wird in einem eigenen Kapitel, aber auch in Kapiteln zu anderen Aktionsfeldern der Planung behandelt.

Inhalt

Der Leitfaden „building health“ argumentiert weitgehend strategisch; es handelt sich nicht um eine Gestaltungsfibel. Formuliert werden vor allem Hinweise auf Aktionen, die verschiedene öffentliche Stellen auf der nationalen und der lokalen Ebene ergreifen sollten.

In Großbritannien wurde, wie in anderen Ländern, lange Zeit in Verkehrsinfrastrukturen investiert, die eine inaktive, sitzende Teilnahme am Verkehr fördern. Um den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen (Bewegungsmangel, Übergewicht und Krankheitsrisiken) entgegenzuwirken, soll sich die Politik der Förderung einer aktiven Bewegung ressortübergreifend annehmen. Als eine prioritäre Aktion wird eine konzertierte Aktion verschiedener Regierungsstellen (Finanzen, Verkehr, Gesundheit, Bauwesen, Wissenschaft und Erziehung) zur Erarbeitung von strategischen Plänen vorgeschlagen, mit denen das Zufußgehen gefördert werden soll.

Diese strategischen Pläne sollen eine ausreichende Ressourcenausstattung erhalten, ihre Umsetzung soll durch Wirkungsanalysen begleitet werden. Jedes Ministerium soll darüber hinaus überprüfen, in welchen Programmen es Subventionen für den MIV ausrichtet und diese abbauen. Das Finanzministerium soll Maßnahmen zur Verbesserung des Fußverkehrs als Fördertatbestand zulassen. Vom Verkehrsministerium wird verlangt, Modal-Split-Ziele für den Fuß- und Radverkehr für die nächsten 25 Jahre zu setzen. Außerdem soll ein landesweites Programm zur Bewertung von Straßen im Hinblick auf das Zufußgehen und den Aufenthalt im öffentlichen Raum lanciert werden.

Bei den Aktionen im Bereich der strategischen Planung wird allen Ministerien vorgeschlagen, ihre Investitionsprogramme einem „Gesundheitscheck“ zu unterziehen: Die Auswirkungen dieser Programme auf die körperliche Bewegung sollen mit Hilfe von Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen oder einer Strategischen Umweltprüfung kontrolliert werden. Die Regierung soll in ihren Richtlinien zum Verkehr, zur Raumentwicklung und zur Nachhaltigen Entwicklung die Stärkung der körperlichen Aktivität und der Gesundheit als zentrale Ziele benennen. Zusammen mit Berufsverbänden und Universitäten soll die Regierung Prinzipien der Gesundheitsförderung in der Ausbildung von Verkehrsfachleuten, Stadtplanern und Umweltwissenschaftlern stärker verankern. Verkehrsexperten sollen z.B. die aktive Bewegung als ein Schlüsselziel erkennen. Stadtplaner sollen bessere Kenntnisse über das Mobilitätsverhalten erlangen. Sie sollen Gesundheit und Wohlbefinden zum Hauptkriterium ihrer Planungstätigkeit machen.

In der Planung und in der Ausbildung von Planern soll die Gestaltung des öffentlichen Raums ein stärkeres Gewicht erhalten. Die Gedanken des „shared space“, der barrierefreien Bewegung und des sozialen Austauschs im öffentlichen Raum sollen dadurch stärker verankert werden. In den Planungsprozess sollen die Ansätze der Nutzungsmischung, der städtischen Verdichtung und der fußgängerfreundlichen Strukturen nicht nur modellhaft, sondern systematisch etabliert werden. Der Erreichbarkeit und Gestaltung von städtischen Grünflächen wird hohe Priorität beigemessen. Eine Aktion empfiehlt z.B. dem Gesundheitsministerium, Geld für die Bewirtschaftung und den Erhalt von städtischen Grünflächen bereit zu stellen.

Bewertung

Die Zusammenarbeit von drei Organisationen, die von verschiedenen Seiten Bewegung und aktives Leben fördern wollen, ist ein beispielhafter Ansatz, um das vorherrschende und oft nicht zielführende sektorale Denken im Bereich der Planung zu überwinden. Es wird stattdessen für integrative Ansätze plädiert, die allerdings eine Reihe organisatorischer Konsequenzen nach sich ziehen. Der Leitfaden gibt interessante und neue Hinweise auf grundsätzliche Ansatzpunkte zur Stärkung des Fußverkehrs im politischen Raum. Freilich sind die Kompetenzen im Bereich der Planung in Deutschland teilweise anders als in Großbritannien verteilt.

Das Zufußgehen wird durch die Einordung in den Themenkomplex körperliche Aktivität und Gesundheit in einen breiteren Kontext gestellt und dadurch zusätzlich positiv besetzt.

Die textlichen Darstellungen des Leitfaden sind gut nachvollziehbar. Ein Auszug mit den empfohlenen 65 Aktionen liegt unter dem Titel „blueprint for action“ auch in einer separaten Kurzfassung vor.

 

Titel:

Building health. Creating and enhancing places for healthy, active lives. What needs to be done? London 2007, 68S.

Verfasser:

Nick Cavill (Hrsg.) und diverse Autoren

Bezug:

gratis, online: www.heartforum.org.uk

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, November 2008. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de

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