Auf dem Weg zu einer neuen Kultur der Mobilität

Die Lebensqualität in Ballungsräumen und Großstädten, wo rund 80% aller Europäer leben, wird erheblich durch den Straßenverkehr gemindert, der die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet sowie die natürliche und die bebaute Umwelt schädigt. Auf den Straßenverkehr entfallen nach EU-Angaben 40% der CO2-Emissionen und 70% der Emissionen sonstiger Schadstoffe. Der Europäische Rat hat demgegenüber das Ziel festgelegt, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20% zu reduzieren. Ohne Anstrengungen im Stadtverkehr ist das nicht zu erreichen.

Ohne Unterstützung und Zusammenarbeit auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene können Städte allein die ihnen gemachten Vorgaben, die teils wie bei Lärm und Feinstaub einklagbar sind, nicht einhalten. Zur Halbzeit bislang des fast ausschließlich am Fernverkehr ausgerichteten Weißbuches Verkehr kündigte die EU-Kommission deshalb im vergangenen Jahr das Grünbuch Stadtverkehr an. Auf seiner Grundlage wird jetzt ein Aktionsplan ausgearbeitet. Er soll nach der Konsultation von Bürgern und Interessengruppen im Herbst 2008 mit einer Reihe konkreter Maßnahmen – einschließlich Terminen und Zuständigkeiten- veröffentlicht werden.

Worum es geht im Grünbuch Stadtverkehr ?

Obwohl für die größten Umweltprobleme Kraftstoffe aus Öl klar benannt werden, weil deren Verbrennung CO2, Luftschadstoffe und Lärm erzeugt, ist das Diskussionspapier keine Kampfansage an das Auto. Vielmehr wird die Optimierung aller Verkehrsarten - einschließlich PKW und LKW- angestrebt. Die Vorschläge decken den Personen- und Güterverkehr gleichermaßen ab. Saubere und energieeffiziente Fahrzeugtechnologie, alternative Kraftstoffe und intelligente Verkehrslenkungssysteme werden ausführlich erörtert.

Alle Beteiligten sind eingeladen, bis zum 15. März 2008 die Grundzüge der Mobilitätspolitik europäischer Städte mitzugestalten. Die EU-Kommission hat hierfür 25 Fragen formuliert, um Stellungnahmen zu erleichtern. Für verkehrsökologische Initiativen dürften folgende Fragen besonders wichtig sein:

1. Was kann getan werden, um Gehen, Radfahren und den ÖPNV als echte Alternativen zum Auto zu fördern? Gehen und Radfahren sollten vollständig in die Entwicklung und Beobachtung der städtischen Mobilitätspolitik integriert werden. Das schließt den Ausbau angemessener Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger ein. Die Zugänglichkeit zum ÖPNV muss auch für Behinderte, ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern gewährleistet sein. Die besonderen Anforderungen von Touristen, die Städte häufig bereisen, sind bei der Planung einzubeziehen.

2. Sollten für die Festlegung „grüner Zonen“ europaweite Kriterien gelten? Zahlreiche Städte haben Fußgängerzonen, Tempolimits, Stadtmautgebühren u.v.m. zum Schutz von Lebensqualität und Umwelt eingeführt. Einige Interessengruppen sehen darin die Gefahr, einen Flickenteppich von Gebieten mit neuen „Grenzlinien“ in Europa zu schaffen und fordern einheitliche Regelungen.

3. Wie kann eine bessere Koordinierung zwischen dem Nah- und Fernverkehr und der Flächennutzungsplanung erreicht werden? Der Trend zur Stadtrandbesiedlung erhöht das Verkehrsaufkommen. Eine geringe Bevölkerungsdichte verteuert zudem den Betrieb des öffentlichen Personenverkehrs. Die EU-Kommission fragt deshalb, wie eine bessere Integration von Stadt-, Sozial, Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung möglich ist.

4. Wie können Städte bei der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit unterstützt werden? Alle Menschen sollten in Städten sicher leben und sich sicher bewegen können. Das persönliche Risiko als Fußgänger, Radfahrer, Fahrer eines PKW oder LKW sollte minimal sein. Derzeit sind die Unfallrisiken ungleich verteilt. Besonders betroffen sind die Schwächsten - Fußgänger und Radfahrer. Ihr Risiko, bei einem Unfall getötet zu werden, ist sechsmal höher als das von Autoinsassen.

5. Welchen Mehrwert könnte die zielgerichtete Unterstützung zur Finanzierung eines umweltfreundlichen Nahverkehrs längerfristig haben? Alle Beteiligten auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene müssen zur Finanzierung des umweltfreundlichen und stadtverträglichen öffentlichen Verkehrs beitragen. Parkgebühren und Stadtmautgebühren werden ausdrücklich als ein nützliches Finanzierungsinstrument neben anderen genannt. Die erforderlichen Investitionen in den ÖPNV werden jedoch im wesentlichen von den Kommunen gedeckt. Auch die Nutzer des Nahverkehrs müssen einen angemessenen Preis entrichten.

Fazit

Im Grünbuch Stadtverkehr werden noch keine konkreten Maßnahmen vorgestellt. Vielmehr soll eine Debatte in Gang gesetzt werden, um Mehrheiten für bestimmte Lösungen zu gewinnen und neue Koalitionen zu bilden. Niemand sollte deshalb darüber enttäuscht sein, dass in diesem Diskussionspapier keine Strategie im Clausewitz'schen Sinne als planmäßiges Handeln zur Umsetzung von Zielen zu erkennen ist.

Weitere Informationen:

 

Dieser Artikel von Christian Kölling ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2007, erschienen. 

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Die internationale Konferenz für das Zufußgehen Walk 21 feierte ihr 10-jähriges Jubiläum in New York, in der heimlichen Hauptstadt der westlichen Welt, unter dem Motto „More footprints – less carbon“. New York hat in den letzten Jahren unter dem Bürgermeister Michael Bloomberg erhebliche Anstrengungen unternommen das Zufußgehen, das Radfahren und den Öffentlichen Raum zu stärken. Durch die internationale Presse gingen die Sperrung des Times Square, der mit Stühlen und Tischen versehen wurde und der High-Line Park auf ehemaligen Bahngleisen in Hochlage.

New York ist die größte Stadt der USA. Auf einer Fläche von 812 qkm leben 8,3 Mio. Einwohner, auf der Insel Manhattan ballen sich gar 1,6 Mio. Einwohner auf 58 qkm, das sind fast 30.000 Einwohner pro qkm. In der gesamten Agglomeration leben 18,8 Mio. Menschen. Die hohe Dichte Manhattans erlaubt nur ein geringes Maß an Kfz-Verkehr. Zwar hat sich New York kürzlich gegen eine generelle City-Maut entschieden, aber die schon längere Zeit mautpflichtigen Brücken und Tunnels und die hohen Parkgebühren tun doch das ihre dazu, den Kfz-Verkehr zu bändigen. Wie knapp der Platz ist, sieht man daran, dass In Baulücken parkende Kfz mit automatischen Systemen gestapelt werden.

Nur 50 % der Haushalte in Ney York besitzen einen Pkw, auf der ca. 20 km langen Insel Manhattan sind es nur 25 %. Das ist auch Spitze im Vergleich mit europäischen Städten und völlig untypisch für die USA, wo über 90 % der Haushalte mindestens ein Kfz aufweisen. Während in den USA ca. 90 % mit dem Kfz zur Arbeit fahren, benützen die New Yorker dafür nur zu 35 % das Kfz und legen über 30% der Wege zur Arbeit zu Fuß oder mit dem Rad zurück.

New York hat mit einer Länge von 369 km und 421 Stationen das größte U-Bahn-Netz der Welt. Es gibt viele viergleisige Strecken, bei denen auf den mittleren beiden Gleisen Expresslinien verkehren, die nur die bedeutenden Stationen bedienen. Das Netz und die Fahrzeuge sind in die Jahre gekommen und stark reparaturbedürftig. Das U-Bahn-Netz wird ergänzt durch Busse (die Niederflurtechnik steckt noch in den Anfängen) und Vorortzüge die in den beiden großen unterirdischen Kopfbahnhöfen Pennsylvania Station und Grand Central Station enden.

Ein großes Problem ist – trotz des üppigen Central Parks – der Mangel an Freiflächen. Die Uferbereiche des East River oder des Hudson River sind weitgehend mit Stadtautobahnen verbaut. Die New Yorker Stadtverwaltung unternimmt hier große Anstrengungen diese Stadtautobahnen mit neuen Parks zu überbauen. Dabei verläuft die Straße meist nicht im Tunnel sondern wird lediglich überdacht, so dass sich ein Balkon zum Wasser hin ergibt.. Damit wird zugleich der Lärmschutz für die umgebende Bebauung verbessert.

Mit ein Ausdruck dieses Freiflächenmangels ist auch das spektakuläre Projekt High Line Park in Chelsea. Er befindet sich auf einer über zwei km langen Stahlkonstruktion in Hochlage, die in den 30er Jahren für Güterzüge gebaut wurde. Der letzte Zug verkehrte 1980. Knapp 20 Jahre später begannen Anwohner sich für den Erhalt und die neue Nutzung als Öffentlicher Raum in Form eines Parks einzusetzen. Diesen Sommer wurde der erste Teil eröffnet. Er spielt mit den die Gleise überwuchernden Grün. Die 9 m über dem Straßenniveau verlaufende ehemalige Gleistrasse ist eine Oase der Ruhe oberhalb des geschäftigen Treibens auf den Straßen und eröffnet ungewohnte Blickperspektiven.

New Yorks Bürgermeister Michael R. Bloomberg, der erstmals 2001 wenige Monate nach dem Anschlag am 11. September und zum dritten Mal (weil das Stadtparlament ausnahmsweise eine dritte Amtszeit genehmigte) im Jahr 2009 gewählt wurde, hat sich mit seinem „plaNYC - a greener, greater New York“ ehrgeizige Ziele gesetzt. Dies gilt auch für die Kommissarin für Verkehr und damit Leiterin des Department of Transportation (NYCDOT) Janette Sadik-Khan, die mit ihrem Plan für nachhaltige Straßen im Jahr 2007 erstmals ein klares und detailliertes verkehrspolitisches Programm für New York City verkündete. Die wichtigsten Ziele sind

  • die Halbierung der Verkehrstoten in fünf Jahren
  • die Einführung einer Gesamtstraßenraumpolitik (complete-street design policy)
  • mehrere Programme, die Straßen als Öffentlichen Raum betrachten
  • die Einführung von Schnellbuslinien
  • die Verdoppelung der Fahrradpendler in fünf Jahren
  • die Verringerung des Kfz-Verkehrs

Die New Yorker ließen sich vom Kopenhagener Architekten und Stadtplaner Jan Gehl beraten. Es entstand ein neuer Straßengestaltungshandbuch (street design manual) und ein Platzprogramm. Die bekanntesten Beispiele sind die Umgestaltung des Broadways und die neue Fußgängerzone am Times Square. Auf dem Broadway wurden ein durchgängiger Radstreifen und punktuelle Aufenthaltsflächen auf Kosten von mindestens zwei Fahrspuren geschaffen. Am Times Square gibt es nun eine große Platzfläche. Viele Maßnahmen sind einfache Provisorien. Die neuen Aufenthaltsflächen werden durch einen dünnen farbigen Belag hervorgehoben, der auf den Asphalt aufgebracht wird. Darauf werden Stühle, Tische, Sonnenschirme und große Pflanzkübel gestellt – fertig. Die Bordsteine bleiben zunächst wo sie sind. Die New Yorker nutzen die neu entstandenen Gelegenheiten gerne und lassen sich vom Lärm vorbeibrausender Autos nicht stören.

Die neu geschaffenen Plätze und Aufenthaltsbereiche werden nach der einmaligen Herstellung durch die städtische Behörde an Bürger- und Geschäftsstraßenvereine übergeben, die sich um den Unterhalt kümmern und z.T. die Bereiche auch kulturell bespielen. Sie beschäftigen ggf. auch eigene Sicherheitskräfte. Ein Vorgehen, das für Öffentliche Räume in Europa wohl eher kein Vorbild ist.

Im Jahr 1990 galt New York mit 2.000 Morden als Hauptstadt der Kriminalität. Bloombergs Vorgänger Rudolph Giuliani verfolgte konsequent seine Strategie „Null-Toleranz“ indem er auch kleinste Delikte ahndete und die Gerichte Straftäter innerhalb von 24 Stunden verurteilten. Das füllte die Gefängnisse, kostete viel Geld und führte verstärkt auch zu Übergriffen der Ordnungshüter. Letztendlich war die Strategie jedoch erfolgreich. New York ist heute die sicherste Großstadt der USA. Bei einem Thema scheiterte Bloomberg dann doch: Wenn die Autokolonne durchgefahren ist, gehen New Yorks Fußgänger mehrheitlich bei rot über die Ampel.

Obwohl Radfahrerinnen und Radfahrer in New York nach wie vor eher noch exotisch sind, hat das NYC Department of Transportation in den letzten drei Jahren 200 Meilen (ca. 320 km) neue Radrouten errichtet. Dies ist in den Straßen Manhattans, die meist nur in einer Richtung befahren werden, mittels großzügiger Radstreifen auf Kosten von Fahrspuren und Parkplätzen erfolgt. Wenn in der Straße ein Bus verkehrt sind die farbig hervorgehobenen Streifen am linken Fahrbahnrand angeordnet, sonst am rechten. Ausdruck der New Yorker Sicherheitsphilosophie ist es, dass der geradeausfahrende Radverkehr und abbiegender Kfz-Verkehr nicht gleichzeitig grün bekommen. Von Nutzern kritisiert wird die Tatsache, dass die für Zweirichtungsverkehr ausreichend breiten Streifen nur in der Fahrtrichtung des Kfz-Verkehrs befahren werden dürfen. Mit der Einrichtung des Radstreifens werden in der Regel auch Lieferzonen vorgesehen, um die Gefahr des Verparkens des Radstreifens zu verringern. Zudem werden z.T. Bäume gepflanzt, Fahrradständer und kleine Aufenthaltsbereiche sowie standardmäßig Mittelinseln errichtet, um die Querungssituation für den Fußverkehrs zu verbessern.

Innerhalb der letzten drei Jahre hat die Zahl der New Yorker, die zur Arbeit radeln, um 45 % zugenommen. Am Rande der Klimakonferenz in Kopenhagen erhielt Bloomberg vom Europäischen Radfahrerverband ECF eine Auszeichnung für seine Fahrradförderung.

Bei so viel neuem Schwung für den Fuß- und Radverkehr fand die Walk 21 zur richtigen Zeit am richtigen Ort statt. Mit 530 Besuchern konnte sie einen neuen Teilnehmerrekord verbuchen. Während New York sich mit europäischen Städten messen kann, ist das Zufußgehen in vielen Teilen der Vereinigten Staaten und Kanada ein Trauerspiel. Häufig ist es bereits ein Erfolg, wenn die Bevölkerung in der Freizeit zum Zufußgehen bewegt werden kann. Die Tatsache eines Paradigmenwandels zeigte aber der Immobilienfachmann Chris Leinberger auf. Demnach verlieren derzeit Häuschen am autogerechten suburbanen Stadtrand (drivable suburban) an Wert gegenüber urbanen städtischen Lagen (walkable urban). Nachdem nach dem zweiten Weltkrieg mit zunehmender Motorisierung das Häuschen im Grünen beliebt wurde, setze seit etwa 1990 eine Trendwende ein, dessen Pendel zunehmend mehr in Richtung städtische Gebiete umschlägt. Neben den Immobilienpreisen ist dieser Wertewandel auch bei vielen Fernsehserien / Seifenopern erkennbar. Die Protagonisten bewegen sich nun vermehrt im städtischen Milieu.

Auch Lateinamerika entdeckt den Fuß- und Radverkehr. Beim Eröffnungsplenum stellte Bürgermeister Marcelo Ebrard dar, wie Mexiko-Stadt mit neuen Mobilitätsstrategien (Schnellbussystem, Ausbau des Radverkehrsnetzes und bessere Bedingungen für Fußgänger) gegen den täglichen Stau vorgehen möchte. Mexiko-Stadt steht hier noch ziemlich am Anfang. Große Erfolge können bereits Bogota und Curitiba vorweisen. Das in Curitiba entwickelte Bussystem mit Haltestellen wie sie einem U-Bahn-System entsprechen, wurde von Bogotá übernommen und als Transmilenio-Bus-System eingeführt. Weiter berichtete Gil Peñalosa bei einem Abendempfang, dass nach einem ersten erfolgreichen Versuch die Bürger von Bogotá per Bürgerentscheid einen autofreien Tag in der Gesetzgebung verankert haben. Claudia Adriazola erläuterte den Prozess der Einführung einer Fußgängerzone in Arequipa in Peru.

Interessant waren wie immer die Darstellungen aus Kopenhagen. Die Stadt will nicht nur den Fuß- und Radverkehr massiv fördern, sondern hat – wie bereits auf der Walk 21 in Barcelona 2008 vorgestellt – u.a. aus Gründen des sozialen Zusammenhalts – das Ziel, dass sich die Bürgerinnen und Bürger häufiger draußen aufhalten. 20 % mehr Zeit sollen sie in fünf Jahren im Öffentlichen Raum verbringen. Aus Stockholm war die zweite Bürgermeisterin Kristina Alevendal angereist, um die Reurbanisierungsstrategie ihrer Stadt zu präsentieren. Stockholm wurde von der Europäischen Kommission für 2010 zur Europäischen Umwelthauptstadt Europas ernannt.

Beeindruckend war der Plenumsvortrag des britischen Arztes William Bird, der eindrücklich den Zusammenhang zwischen Zufußgehen, Bewegungsmangel und Fettleibigkeit belegte. Neben Lebensstilen konnte er auch aufzeigen, dass sich ein attraktives Freiflächenangebot positiv auf die körperliche Aktivität und damit auf die Gesundheit auswirkt. Kathlen Elsig beleuchtet die weltweite Lage zur Verkehrssicherheit. Gerade in vielen Ländern der Dritten Welt wird das Problem der „vulnarable road users“ ausgeblendet, d.h. der Fuß und Radverkehr. Dies war auch Thema der internationale Fußgängervereinigung IFP (International Federation of Pedestrians), die sich am Rande der Konferenz traf.

Am Tag vor der Konferenz fand ein eintägiger, vom Schweizer Daniel Sauter organisierter, Workshop zur Messung des Fußverkehrs statt. Hier geht es nicht nur um die Zählung des Fußverkehrs, sondern um „Input“ (z.B. investierte Mittel), „Output“ (damit umsetzbare Maßnahmen) und „Outcome“ (z.B. Zahl der Fußgänger): Ich würde hier gerne auch den „Benefit“ für die gesamte Gesellschaft ergänzen.

Während Skandinavien und Großbritannien zahlreich vertreten waren, lag die deutsche, französische und Italienische Beteiligung traditionell niedrig bei jeweils zwei TeilnehmerInnen. Unsere südlichen Nachbarn Österreich und die Schweiz waren etwa doppelt so stark vertreten. Vielleicht wird das bei der räumlich näheren Konferenz vom 17.-19.11.2010 in Den Haag besser. Dort wird das Thema Verkehrssicherheit eine zentrale Rolle spielen.

Ganz persönlich fand ich es spannend in dieser Stadt – meist zu Fuß – unterwegs zu sein. Sie hat etwas von London und Mexiko-Stadt gleichzeitig und ist selten leise. Die hohe Dichte und Nutzungsintensität sorgen für Abwechslung. Ein besonderes Erlebnis ist der Gang über die Brooklyn-Bridgde, die von vielen New Yorkern gerne im Alltag zu Fuß und mit dem Rad genutzt wird. Nicht versäumen sollte man den Blick vom Empire State Building auf die Stadt hinab und die Umrundung Manhattans mit dem Schiff.

Weitere Informationen:

 

Dieser Artikel von Paul Bickelbacher, der selbstständig als Stadt- und Verkehrsplaner arbeitet, sich bei FUSS e.V: und in der SRL engagiert und für die Grünen im Münchner Stadtrat sitzt, ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2010, erschienen.

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Beteiligung an der Konsultation
KOM(2009) 279/4
MITTEILUNG DER KOMMISSION
Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr:
Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System


Stellungnahme
FUSS e.V.
Fachverband Fußverkehr Deutschland
vom 25. September 2009


Zur besseren Einordnung der genannten Abschnitte der Mitteilung:
Abschnitt 1: Einleitung
Abschnitt 2: Bewertung der Verkehrspolitik der letzten Jahre
Abschnitt 3: Trends und Herausforderungen bis Mitte des Jahrhunderts
Abschnitt 4: Sieben strategische Ziele für einen nachhaltigen Verkehr
Abschnitt 5: Empfehlungen über den Einsatz politischer Instrumente

 

  1. Es wird empfohlen, bereits in der Überschrift das zentrale Ziel einer sozial, ökologisch und ökonomischen Nachhaltigkeit des zukünftigen Verkehrs zu verdeutlichen. Die „Technologieorientiertheit“ ist kein Wert an sich, den es anzustreben gilt. Intelligente Technologie kann ein geeignetes Werkzeug zur Erreichung des Zieles darstellen, wobei sie nach unserer Auffassung zumindest für den Verkehr in Ballungsräumen nicht die zentrale Rolle einnimmt, um die in Abschnitt 4. genannten und bisher teilweise verfehlten Ziele zu erreichen. Auch kann die „Nutzerfreundlichkeit“ kein allgemein formuliertes Ziel sein, wenn es darum gehen soll, Verbraucherverhalten zu steuern. Genau das in sich geschlossene System für den motorisierten Individualverkehr und der Versuch, Autobenutzer/innen an jeder Stelle der Stadt eine Parkmöglichkeit zu bieten, haben zur unangemessenen und unreflektierten Nutzung des eigenen Pkw geführt.

  2. Es wird darum gebeten, in Abschnitt 2. neben der Luftverschmutzung, der Treibhausgasemissionen, dem Flächenverbrauch und der Verkehrssicherheit auch die Erfolge oder Misserfolge der Lärmminderung zu analysieren, um auch hier den Handlungsbedarf einschätzen zu können. 

  3. Für nötig gehalten wird, die Herausforderung der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung und die Problematik der Kostenexplosion im Gesundheitswesen der EU-Mitgliedsstaaten parallel zu den ökologischen Herausforderungen bereits in Abschnitt 3. aufzuführen und zu analysieren. In der Bevölkerung dürfte der Erhalt der Gesundheit eine prioritäre Rolle einnehmen, selten aber werden damit die über die Schäden durch Verkehrsunfälle hinausgehenden allgemeinen Gesundheitsschäden verbunden, die mit der Mobilität zusammenhängen (Luftverschmutzung, Lärm, Bewegungsmangel). 

  4. In Abschnitt 4. Sollte deutlicher darauf geachtet werden, ob die Aussagen allgemein gelten oder sich in der Hauptsache auf den Nah- oder den Fernverkehr beziehen. Für eine differenzierte Ausformulierung der strategischen Ziele für die Zukunft der europäischen Verkehrspolitik müssen die Verkehre deutlicher benannt werden, um dadurch eine detailliertere Fokussierung auch auf notwendige Maßnahmen im Stadtverkehr zu ermöglichen, wo die deutliche Mehrheit der Europäer lebt. Die weitergehende Verstädterung in der beschriebenen signifikanten Größenordnung bietet auch die Chance, die Verminderung der Luftverschmutzung und Klimabelastung, die Lärmminderung und Erhöhung der Verkehrssicherheit kompakter angehen zu können.

  5. Als nicht zielführend wird angesehen, die Stauauflösung im Kraftfahrzeugverkehr als ein verkehrspolitisches Ziel einzuordnen, denn Stau ist lediglich ein Indikator für notwendige Maßnahmen. Neben den im Abschnitt 5. aufgezeigten gibt es ein breiteres Spektrum von Maßnahmen, z.B. Anreize zur Verlagerung auf effizientere und umweltfreundlichere Verkehrsträger, Netzintegration aller Verkehrsträger, Optimierung der Wegeketten, Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten und damit ein gleichmäßiger Verkehrsfluss, Infragestellung der grundsätzlichen Erreichbarkeit aller Zielpunkte durch den motorisierten Individualverkehr durch restriktivere Regelungen für den ruhenden Verkehr, usw.   

  6. Es wird dringend empfohlen, die im Abschnitt 5. trotz der den Handlungsspielraum der EU einschränkenden Subsidiarität angegebenen Maßnahmen für den motorisierten Individualverkehr (Stauminderung, „grüne Korridore“, Beseitigung von Engpässen) bei allen Gruppen von Verkehrsteilnehmern zu konkretisieren. Der in Abschnitt 2. erläuterte Handlungsbedarf im Bereich der Luftreinhaltung und sicherlich auch der Lärmminderung und die damit verbundenen notwendigen Verlagerungen von Verkehrsaufkommen auf effizientere und umweltfreundlichere Verkehrsträger setzt die strategische Förderung des Umweltverbundes durch Planung und Maßnahmen voraus. Das kann geschehen z.B. durch mehr Flächen für den Fuß- und Radverkehr, die Schaffung von Wegesystemen und Wegenetzen, sichere und komfortablere Querungsstellen über Fahrbahnen mit geringeren zulässigen Höchstgeschwindigkeiten, eine bessere Verknüpfung des Fußverkehrs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Wegeleitsysteme, usw..         

  7. Angesichts der Herausforderungen im Bereich des Umweltschutzes, der Verkehrssicherheit und auch der Umsteigebereitschaft der Bevölkerung auf effizientere und umweltschonendere Verkehrsträger wird dringend empfohlen, die seit Jahren bekannten positiven Auswirkungen von geschwindigkeitsdämpfenden Maßnahmen in die Empfehlungen der Kommission aufzunehmen. Die Analyse zeigt u.a., dass die Städte auch mit einer deutlichen Ausweitung von Tempo-30-Regelungen in dieser Hinsicht nicht recht weitergekommen sind, weil die Maßnahmen zur Senkung der Geschwindigkeiten bisher in der Regel auf das Nebenstraßennetz und häufig auf das Aufstellen von Verkehrszeichen beschränkt blieben, die Probleme aber überall in der Stadt und konzentriert in den Hauptverkehrsstraßen auftreten. Darüber hinaus sollte darauf hingewiesen werden, dass mit den erprobten und bewährten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen wie z.B. den „Verkehrsberuhigten Bereichen“ in Deutschland oder den „Begegnungszonen“ in Frankreich soziale und ökologische Nachhaltigkeit konsequenter erreicht werden können, als dies bisher geschah.

  8. Die in Abschnitt 5. geforderten Aufklärungs-, Informations- und Sensibilisierungskampagnen werden nicht allein die Lebensstile und damit die Verkehrsmittelwahl der Bürger verändern, sondern können das nur im Zusammenhang mit einer vernetzenden Stadt- und Regionalplanung der kurzen Wege und der Schaffung von angenehmen und lebenswerten Städten.

 

Schritt in die Zukunft Die internationale Konferenz 2012 zum Gehen und zu nachhaltigen Städten
Mexiko City – 20. September bis 4. Oktober

Thesen

Inklusion

Die Stadt der Zukunft bietet eine zugängliche, integrierte und allumfassende Mobilität.

  • Menschen brauchen freien Zugang zu ihrer Stadt, unabhängig von ihren Fähigkeiten, ihrem Einkommen oder Alter, und zur Sicherung einer Mobilitätsbalance muss mit den Transportmöglichkeiten sorgfältig umgegangen werden.

Vertrauen

Die Stadt der Zukunft kann sicher, voller Vertrauen und mit großer Zuverlässigkeit genutzt und genossen werden

  • Menschen brauchen Zugang zu Aktivitäten und Dienstleistungen, die die Stadt ihnen bietet, damit sie ohne Furcht gehen und sich überall bewegen können, und deshalb müssen Belange der Sicherheit verstanden und vermittelt werden.

Wohlbefinden

Die Stadt der Zukunft ermöglicht seinen Bewohnern frei zu atmen, sich sicher zu bewegen und gesund zu sein.

  • Menschen brauchen zur Unterstützung der täglichen körperlichen Aktivität und eines gesunden Lebens saubere Luft, sichere Straßen und eine hochwertige begehbare Umgebung.

Gemeinde/Kommune

Die Stadt der Zukunft hat aktive Bürgerinnen und Bürger und wird von einer verantwortlichen Regierung unterstützt

  • Menschen müssen sich im Sinne einer lebendigen, vernetzten und konkurrenzfähigen Stadtkultur der Auswirkung ihrer Entscheidungen für oder gegen das Gehen und die Art, wie sie sich in der Stadt hin und her bewegen, bewusst sein

Weitere Informationen unter www.walk21.com.

 

 

Übersetzung: Angelika Schlansky, Bremen

Step into the Future

The 2012 International Conference on Walking and Sustainable Cities
Mexico City - September 30 - October 4

Inclusion

the city of the future offers an accessible, integrated and inclusive mobility

  • People need access to their city whatever their ability, income or age and the transport choices need to be managed carefully to ensure mobility balance

Trust

the city of the future can be enjoyed securely, with confidence and certainty

  • People need to be able to access the activities and services the city offers to walk and move around without fear, so safety concerns need to be understood and addressed

Well-being

the city of the future allows its people to breathe, move freely safely and be healthy

  • People need clean air, safe streets and quality walkable environments to support daily physical activity and healthy lives

Community

the city of the future has active citizens and is supported by responsible government

  • People need to be aware of the impact of their choices to walk and move around the city, or not, in order to support a vibrant, connected and competitive culture

Europa wächst zusammen und immer mehr EU-Beschlüsse auch in den Bereichen Verkehr, Umwelt und Gesundheit werden auf nationaler Ebene umgesetzt, oder auch nicht, so wie z.B. die „Europäische Charta der Fußgänger“, die schon am 12. Oktober 1988 in Straßburg vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde:

Darüber hinaus findet jedes Jahr an einem anderen Ort die weltweite Konferenz Walk21 statt. Die Proklamation können Sie auf der Website www.walk21.com unterzeichnen.

Weltweite Initiativen zur Förderung oder Absicherung des Fußverkehrs sind selten, deshalb möchten wir wenigstens darauf hinweisen:

Hier finden Sie die „Internationale Charta für das Gehen - Für die Schaffung von gesunden, leistungsfähigen und nachhaltigen Städten und Dörfern, in denen Menschen gerne zu Fuß gehen“ als PDF-Download.

Sie möchten die Charta unterzeichnen? Dann benutzen Sie bitte dieses Web-Formular.

Die zweite weltweite Straßenverkehrssicherheitswoche der UN (Second UN Global Road Safety Week) vom 6. - 12. Mai 2013 widmet sich der Sicherheit der Fußgänger. Dazu schreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO:

Die globale Woche zur Sicherheit der Fußgänger ist eine einmalige Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf die Frage der Sicherheit der Fußgänger zu ziehen. Wir sind alle Fußgänger: Täglich gehen wir zu Fuß zu einem Ziele oder beginnen und enden zumindest unsere Wege zu Fuß. Gehen kostet nichts, braucht keinen Treibstoff, keine Zulassung und keine Registrierung. Gehen ist integraler Bestandteil der Lebensqualität in unseren Gemeinden.

Zentrale Botschaften:

Rund ein Viertel der Toten im weltweiten Straßenverkehr sind Fußgänger.

Aufgrund einer mangelnden Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse und einer Tendenz in den letzten Jahrzehnten, den motorisierten Individualverkehr zu fördern, ist für Fußgänger heute das Risiko erhöht, getötet oder verletzt zu werden und eine Behinderung davonzutragen. Viele Getötete sind Kinder und ältere Menschen. Die Mehrheit der Todesfälle treten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf, wo die rasche Motorisierung zusätzliche Herausforderungen stellt. Aber Fußgängerschutz bleibt ein weltweites Anliegen.

Es kann viel getan werden, um unsere Welt begehbarer (walkable) zu machen, indem es für Fußgänger sichere, zuverlässige und leicht zugängliche Infrastruktur-einrichtungen gibt.

Es gibt nicht die eine universelle Maßnahme, mit der den verschiedenen Risiken der Fußgänger in den verschiedenen Ländern und Lebens-umständen angemessen begegnet werden könnte. Am effektivsten ist, die Geschwindig-keiten der Fahrzeuge einzuschränken, die Fußgänger vom übrigen Verkehr durch Bürgersteige und Zebrastreifen zu trennen, die Sichtbarkeit von Fußgängern zu erhöhen und die Verantwortung im Verhalten aller Verkehrsteilnehmer sicherzustellen. Gesetze, die die Rahmenbedingungen für solche Maßnahmen sind, die Verbesserung der Durch-setzung und die Sicherung der Verknüpfungen mit anderen Verkehrsmitteln können Leben retten.

Die Gewährleistung der Sicherheit wird Fußgänger zum Gehen ermutigen und damit zur Verbesserung der Gesundheit beitragen.

Gehen reduziert das Risiko von Herz-erkrankung, Schlaganfall, Diabetes, Krebs, Demenz, Depression und Adipositas. Wenn die Benutzung des Autos reduziert wird, nehmen die Luft- und die Lärmbelastung ab – was sich ebenfalls positiv auf die Gesundheit auswirkt. Gehen kann uns gesünder, fitter und schlanker machen und sollte die sicherste, bequemste und angenehmste Option für die meisten Wege werden, die ein Mensch zurücklegen muss.

 

Den Originaltext finden Sie unter: www.who.int/roadsafety/week/2013/

(Übersetzung von Manfred Bernard, Offenbach)