Fussgaengerquerung von Fahrbahnen

Fußgängerfreundliche Ampelschaltungen müssen Kfz nicht behindern

Um die Wartezeiten der Fußgänger an Ampelanlagen zu reduzieren und eine bessere Akzeptanz des Rotlichtes zu erreichen, versucht man in Graz neue Wege zu gehen und die Signalprogramme anders zu steuern. Es wurden zwei Modellversuche erfolgreich getestet: „Fußgänger stören die Grüne Welle“ und „Dauergrün für Fußgänger“. Ist das nun ein Kniefall der Verantwortlichen vor der Ungeduld der Fußgänger oder wird hier ein Freiraum der Verkehrsingenieure sinnvoll genutzt?

Das Problem der Fußgänger: Die Wartezeit

Jeder kennt die leidige Situation: Als Fußgänger möchten Sie an einer Fußgängersignalanlage – auf österreichisch „Druckknopfampel“ - die Straße queren. Sie müssen sich mittels Druckknopf anmelden, warten bis die Ampel reagiert und auf Grün springt. Ist diese Druckknopfampel in eine Grüne Welle des Autoverkehrs integriert, müssen Sie als Fußgänger noch zusätzlich auf eine Lücke im Autoverkehrsstrom warten.

Reagiert die Ampel nicht schnell genug und entdeckt der ungeduldige Fußgänger eine ausreichende Zeitlücke im Verkehrstrom, ist er versucht, bei Rot die Fahrbahn zu überqueren. Die andere Seite: Autofahrer müssen bei Rot anhalten, obwohl weit und breit kein Fußgänger mehr zu sehen ist, da der Fußgänger schon längst die Fahrbahn gequert hat.

Tradition in der Grazer Verkehrspolitik

Seit mehr als 20 Jahren hat das Prinzip der „Sanften Mobilität“ Tradition, festgeschrieben in den Leitlinien 2000“. Die „sanften“ Verkehrsmittel, also der nichtmotorisierte Verkehr sowie der öffentliche Nahverkehr werden gefördert. Maßnahmen zugunsten des KFZ- Verkehrs werden seither nur mehr im unbedingt erforderlichen Ausmaß gesetzt.

Prioritäten an Lichtsignalanlagen

Unabhängig von der Verkehrspolitik steht für die Steuerung der Lichtsignalanlagen an oberster Stelle die Verkehrssicherheit. Die verkehrspolitisch oberste Priorität hat die Beschleunigung des Öffentlichen Verkehrs, das Prinzip „Wartezeit Null für den ÖPNV“ konnte bereits in sehr hohem Ausmaße (etwa zu 70 – 85%) erreicht werden.

In nächster Priorität sollte die Reduzierung der Emissionen erreicht werden. Dazu wurde die Verbesserung der Grünen Wellen für den Autoverkehr mit adaptiver Netzsteuerung angegangen. Die Emissionen konnten dabei jedoch nicht wirklich reduziert werden, da mit der Flüssigkeit des Autoverkehrs eher die Lust am Autofahren gefördert wurde.

Die Förderung des Fußgängerverkehrs an Ampelanlagen, anfangs auf Maßnahmen der Verkehrssicherheit beschränkt, hat erst in den letzten zwei Jahren einen aktiven Schwerpunkt in der Grazer Verkehrspolitik bekommen, wobei vor allem versucht wird, verfügbare Spielräume zugunsten der Fußgänger zu nutzen und mit Verkehrssicherheitsmaßnahmen zu verbinden.

Herkömmliche Signalprogramme

Während an vollständig signalisierten Knoten Grünphasen und Räumzeiten für die Fußgänger ohne viel Ermessensspielraum in die Gesamtsituation integriert werden müssen, schien ein Potential für wirksame Verbesserungen an Fußgänger-Druckknopfampeln gegeben.

In Graz gibt es als Querungshilfen für Fußgänger 126 Druckknopfampeln. Diese werden in der Regel so gesteuert, dass die Anlage in der Stellung „Dauergrün für den KFZ- Verkehr“ und „Rot für Fußgänger“ verharrt, bis sich ein Fußgänger mittels Druckknopf anmeldet. Nach Ablauf einer Räumzeit wird auf die Grünphase für Fußgänger umgeschaltet.

Anschließend kehrt das Signalprogramm wieder in das Grün der KFZ- Verkehrs (in Deutschland häufig auf „Dunkel“) zurück. Nun muss eine Mindestgrünzeit für den Autoverkehr abgewartet werden, bevor die Anlage wieder für eine neuerliche Fußgängerphase bereit ist. Daraus entstehen die von den Fußgängern nicht gern akzeptierten Wartezeiten.

Besonders lange müssen Fußgänger auf eine Grünphase warten, wenn diese Druckknopfampel in eine Grüne Welle eingebunden und der Rhythmus der KFZ- Pulks abzuwarten ist. Da in Graz Umlaufzeiten - kapazitätsbedingt für den Autoverkehr - bis zu 100 Sekunden Verwendung finden, sind für die Fußgänger Wartezeiten in ebensolcher Größenordnung in Kauf zu nehmen. Daher wurden Alternativen gesucht, diese Mängel an Fußgänger-Druckknopfampeln zu beheben.

Modellversuch „Fußgänger stört Grüne Welle“

Einer dieser Versuche wurde an der stark frequentierten Radroute Neubaugasse unmittelbar an einer Schule durchgeführt. Fußgänger und Radfahrer mussten zum Queren der Keplerstraße bis zu 100 Sekunden warten, weil die Druckknopfampel auf die Grüne Welle des KFZ- Verkehrs mit einer wichtigen, benachbarten Ampelanlage koordiniert war. Als „Zugeständnis“ an die Querenden wurde während des Tages die Grünphase ständig geschaltet, ohne den Druckknopf betätigen zu müssen. Damit konnte wenigstens den zufällig bei Grün eintreffenden Fußgängern eine sofortige Querung ermöglicht werden.

Wunsch der Politik war es, die Wartezeit für Fußgänger/ Radfahrer auf maximal 50 Sekunden zu begrenzen. Daher entschloss man sich für den Modellversuch, diese Fußgängerampel aus dem Koordinierungsverband herauszunehmen und mit Druckknopfanmeldung zu betreiben.

Seitens der Autofahrerlobby herrschten naturgemäß Bedenken, dass die kürzeren Intervalle der Fußgängerphase den ohnehin schon im Staubereich des benachbarten Knotens stockenden Verkehrsfluss unzulässig aufstauen würden.

Auswirkungen

Statt bisher 35 fixen Grünphasen pro Stunde können sich nun Fußgänger/ Radfahrer bis zu 60 Grünphasen pro Stunde anfordern. Die maximale Rotzeit für Fußgänger/ Radfahrer beträgt nur mehr maximal 50 Sekunden.

Neben diesen erwünscht positiven Auswirkungen auf Fußgänger/ Radfahrer wurden aber auch die Auswirkungen auf den KFZ- Verkehr untersucht. Erstaunlicherweise wurde durch die neue Schaltung in der Morgenspitze vor der Druckknopfampel ein um 10% kürzerer und in der Nachmittagspitze sogar ein um 35% kürzerer Rückstau gemessen. Noch dazu war bei diesem Vorher - Nachher Vergleich das Verkehrsaufkommen nachher um 30 bis 40 % größer.

Dieses verblüffende Ergebnis wurde dadurch möglich, dass - besonders am Nachmittag - nicht alle Grünphasen für den Querverkehr benötigt werden und daher der KFZ- Verkehr zeitweise von Fußgänger/ Radfahrer ungestört fließen kann.

Die modellhaft neue Fußgänger/ Radfahren- freundliche Schaltung hat also nicht nur den Fußgängern/ Radfahrern eine deutliche Verkürzung der Wartezeit, sondern auch dem Verkehrsfluss des KFZ- Verkehrs Vorteile gebracht. Bisher ungenutzte Reserven konnten durch diese neue Ampelschaltung sinnvoll genutzt werden.

Folgeprojekte

Inzwischen wurden 18 von 27 in Grünen Wellen gelegene Druckknopfampeln aus der Koordinierung genommen. Dadurch konnten die sehr langen Wartezeiten durchwegs auf maximal 50 Sekunden reduziert werden. An einigen dieser Anlagen wurde dieser Bonus für die Fußgänger jedoch nur außerhalb der Verkehrsspitzen freigegeben. Die störenden Auswirkungen auf den Autoverkehr halten sich in Grenzen. Wie beim Modellversuch werden nicht alle möglichen Fußgängerphasen ausgenutzt.

Grenzen für eine generelle Anwendung ergeben sich allerdings aus Verkehrssicherheitsaspekten bei sehr kurzen Abständen zu signalisierten Knoten und aus der Abwägung der Relation der Verkehrsstärken von KFZ und Fußgänger/ Radfahrern.

Modellversuch „Dauergrün für Fußgänger“

Eine stark frequentierte Fußgänger/ Radfahrer- Achse am Edeggersteg quert im Grazer Citybereich zwei wichtige Cityerschließungsstraßen (Einbahnen). Während in den Verkehrsspitzen die KFZ- Verkehrsstärken höher sind, dominiert am Abend und am Wochenende der querende, nicht motorisierte Verkehr. Daher bietet es sich geradezu an, in Zeiten des schwachen Autoverkehrs die Prioritäten der Ampelschaltung zugunsten der Fußgänger umzudrehen. Der Modellversuch wurde an beiden Kreuzungen ausgeführt.

Die neue Grundidee

An herkömmlichen Fußgängerampeln werden Fußgänger, ausgehend von einem Dauergrün für den KFZ- Verkehr nur nach Anmeldung bedient. Diese Priorität wird im Modellversuch umgedreht: Grundzustand ist „Dauergrün für Fußgänger“ und KFZ müssen sich anmelden. Allerdings brauchen die Autofahrer keinen Druckknopf betätigen, ihre Annäherung wird mittels Induktionsschleifen in der Fahrbahn automatisch registriert.

Die Signalsteuerung

Im neuen Signalprogramm mit dem modellhaft demonstrativen Vorrang für den Fußgängerverkehr werden die sich nähernden KFZ etwa 100 m vor der Fußgängerampel registriert und lösen ein Umschalten in die Grünphase des KFZ- Stromes aus. Bei 40 km/h bekommt das KFZ Grün, ohne anhalten zu müssen.

Während des normalen Werktagsverkehrs ergibt sich aufgrund der permanenten KFZ- Anmeldungen ein fixes Signalprogramm mit einer Umlaufzeit von 40 Sekunden, welches nur kurze Wartezeiten für Fußgänger (maximal 28 Sekunden) verursacht und dem KFZ- Verkehr eine knappe, aber für die Verkehrsstärken ausreichende Freigabezeit ermöglicht.

Das Dauergrün für die Fußgänger kommt in Schwachlastzeiten mit wenig KFZ- Verkehr zum Tragen.

Vorteile für die Fußgänger

Die konventionelle Lösung war mit einer Umlaufzeit von 80 Sekunden in Spitzenzeiten und 60 Sekunden in Schwachlastzeiten eindeutige zugunsten des KFZ- Verkehrs ausgelegt. Fußgänger mussten – trotz mancher längerer Zeitlücken im KFZ- Verkehr – die überdimensioniert langen Grünzeiten des KFZ- Stromes bis zu 80 Sekunden abwarten.

Die modellhaft neue Fußgänger-gerechte Lösung bietet nun Vorteile:

  • Die Wartezeiten der Fußgänger liegen immer unter 30 Sekunden, sodass die Akzeptanz des Wartens der Fußgänger auf die Freigabe sehr groß ist.
  • Komfort und Wertschätzung des nicht motorisierten Querverkehrs steigt auf ein bisher unübliches Ausmaß an.
  • Bei wenig KFZ- Verkehr werden alle Zeitlücken zugunsten einer dauernden Freigabe des Fußgängerverkehrs geschaltet, sodass die Fußgänger gar nicht in Versuchung gebracht werden, das Rotlicht zu missachten.
  • Es ist zu erwarten, dass mit dieser Modelllösung auch die Verkehrssicherheit erhöht wird, Vergleichszahlen liegen noch nicht vor.

Auswirkungen auf den KFZ- Verkehr

  • Der Auslastungsgrad der Grünphasen des KFZ- Verkehrs in den Verkehrsspitzen wird zwar erhöht, erreicht aber – außer im Vorweihnachtsverkehr - keine kritischen Grenzen.
  • Bei wenig KFZ- Verkehr in den Schwachlastzeiten braucht der vereinzelte Autofahrer aufgrund der automatischen Registrierung nur eine Geschwindigkeitsreduktion, aber keinen Halt in Kauf nehmen.
  • Der Priorität und Wertschätzung des nicht motorisierten Verkehrs steht also keine Geringschätzung des motorisierten Verkehrs, sondern eine ausreichende, aber nicht mehr so großzügige Wertschätzung gegenüber.

Folgeprojekte

Diese modellhafte Prioritätsumkehr mit „Dauergrün für die Fußgänger“ kann grundsätzlich an allen ähnlich gelagerten Fußgängerampeln angewandt werden. Derzeit ist man in Graz auf der Suche nach geeigneten Folgeprojekten.

Es sollte jedoch beachtet werden, dass dieses komfortable Dauergrün auch tatsächlich von einer gewissen Mindestanzahl von Fußgängern frequentiert wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Autofahrer trotz der geringen Störwirkung allein schon durch das häufige Rotlicht während der Annäherung derartige Steuerungen als reine Schikanen empfinden.

Resümee

Insgesamt kann die Experimentierfreudigkeit mit neuen Steuerungsstrategien für die Fußgängerdruckknopfampeln als gelungen bezeichnet werden. Es wurden nicht nur die Wartezeiten der Fußgänger verringert, auch das Klima der Fußgängerfreundlichkeit hat sich durch diese Maßnahmen verbessert. Die Benachteiligung des KFZ- Verkehrs hält sich in Grenzen, die Störungen von Grünen Wellen sind keineswegs dramatisch, an den Anlagen mit „Dauergrün für Fußgänger“ konnten keine wirklichen Nachteile nachgewiesen werden. Die Modellversuche werden beibehalten und können als Grundsatzlösungen für den weiteren Einsatz gesehen werden.

In Kürze

Um Fußgänger an Druckknopfampeln nicht lange warten zu lassen und Rotgeher zu vermeiden, geht man in Graz erfolgreich neue Wege: Fußgänger dürfen den Verkehrsfluss Grüner Wellen unterbrechen, an einzelnen Modellanlagen kriegen sie sogar „Dauergrün“ und Autofahrer müssen sich anmelden. Die Erfahrungen zeigen, dass sich die Nachteile für den Autoverkehr in Grenzen halten, weil bisher unbeachtete Freiräume der technischen Planung sinnvoll genutzt werden.

 

Dieser Artikel von Winfried Höpfl, der im Grazer Straßenamt das Referat für Lichtsignalanlagen leitet (Email:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2010, erschienen. 

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1964 wurde das Vorrangrecht für Fußgänger auf Zebrastreifen in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Aus Furcht, dies könnte den Autoverkehrsfluss negativ beeinflussen, gingen die Städte dazu über, Zebrastreifen abzubauen. Im damaligen Berlin(West) waren ca. zwanzig Jahre später nur noch 5 % der ehemals vorhandenen Fußgängerüberwege vorhanden. Parallel dazu nahmen die Fußgängerunfälle an Zebrastreifen drastisch zu und dies nicht deshalb, weil die Fußgänger ihren Vorrang nicht ordentlich wahrzunehmen in der Lage waren, sondern weil Kraftfahrer die Regelung nicht akzeptierten. Unfalluntersuchungen ergaben, dass nur bei etwa 1/4 der Kraftfahrer Geschwindigkeiten festgestellt wurden, die ein rechtzeitiges Anhalten vor dem Überweg überhaupt ermöglicht hätten. Wie ein Wirtschaftsförderungsprogramm brach die Signalisierung von Haupt- und Nebenstraßen über Deutschlands Städte hinein und es wurde über Jahrzehnte ohne weitere Nachweise verbreitet, dass Zebrastreifen die ohnehin schon gefährdeten Fußgänger noch mehr gefährden würden.

Die Autolobby bewertete damals dass „plötzliche“ hervortreten als negative Eigenart dieser Spezis, obwohl dies ja nur durch die unangemessene Geschwindigkeit der Autos so erscheint. Die derzeit in Österreich geführte Diskussion beinhaltet noch einen zusätzlichen und ebenso kuriosen Zungenschlag: Die schwächeren Verkehrsteilnehmer werden angeblich „bevorzugt“ und die Autofahrer fühlen sich dadurch „massiv und ungerechtfertigt benachteiligt“. Bekanntlich aber können auch in Österreich Autos von jedem Punkt zu einem anderen auf Autoverkehrsflächen gelangen; Fußgänger müssen, wenn sie die Fläche ihres Häuserblockes verlassen müssen, diese für sie gefährlichen Flächen queren. Mit Zebrastreifen kann man die Benachteiligung des Fußverkehrs in den Städten etwas abschwächen, aber keineswegs aufheben oder gar umkehren.

In Deutschland ergaben erst Ende des letzten Jahrhunderts durchgeführte sehr ausführliche Unfallanalysen eine eindeutig nachweisbare Erhöhung der Verkehrssicherheit durch ein möglichst dichtes Netz von Querungsanlagen und keine signifikante negative Ausprägung von Fußgängerverkehrsunfällen an Zebrastreifen. Diese waren nicht unsicherer als eine Querung an einer Lichtsignalanlage mit gleichzeitigen Abbiegeverkehr bei Grün für Fußgänger und anderen latenten Gefahren.Nur zahlreiche „Querungshilfen“ vermindern letztlich das Unfallrisiko.

Diese zumeist vom Bundesverkehrsministerium beauftragten Untersuchungen bestätigten nicht nur die jahrzehntelangen Forderungen des FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr in Deutschland. Sie führten dazu, dass seit dem Jahr 2002 „Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001)“ gelten, die die Einrichtung von Zebrastreifen nahelegen und gleichzeitig verbesserte Sichtbeziehungen vorschreiben, sowie die Einbeziehung weiterer baulicher Maßnahmen empfehlen. Obwohl die Einführungen in den Bundesländern teilweise unterschiedlich aussehen, kann in Deutschland von einer Renaissance der Zebrastreifen gesprochen werden. In Berlin, mit einem erweiterten Einführungserlaß, wurde gerade das erste „100-Zebrastreifen-Programm“ beendet und ein neues aufgelegt. Darüber hinaus beabsichtigt die Stadtverwaltung, die bisherige Obergrenze von ca. 150 Fußgängern pro Stunde höher zu setzen, weil sehr viele Fußgängerüberwege mittlerweile diese Anzahl deutlich überschreiten und sie dennoch weder den Autoverkehr behindern noch zu mehr Unfällen führen.

Quellennachweise:

  • Westphal, E., Herzog-Schlagk, B.: Zebrastreifen - Schritte zur Fußgängerstadt, FUSS e.V. (Hrsg.), 2002, 56 S., 5,- Euro,
  • Renaissance der Zebrastreifen, fußnote 4, AG Fußverkehr von SRL und FUSS e.V. (Hrsg.), 2002, 4 S., 0,50 Euro, jeweils plus Porto und Verpackung, FUSS e.V. Exerzierstr. 20, D-13357 Berlin,Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Informationen:

 

Dieser Beitrag von Bernd Herzog-Schlagk erschien im VCÖ-Magazin – Österreichs Zeitschrift für Mobilität und Zukunft, Ausgabe März 2007.

Die Veröffentlichung „Renaissance der Zebrastreifen“ ist bei uns für 0,50 Euro zzgl. Porto zu beziehen. Sie können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr-Queren bestellen.

Hauptstraßen: Mehr Komfort und Sicherheit

Begehbare Mittelstreifen verbessern die Überquerbarkeit von Straßen auf einem längerem Abschnitt. Sie eignen sich daher besonders dort, wo die Fahrbahn nicht nur punktuell, sondern linear überschritten wird. Obwohl fußverkehrsorientierte Mittelstreifen ein ideales Instrument zur Aufwertung von Einkaufsstraßen sind und schon 1990 erfolgreich in Hennef realisiert wurden, gibt es erst relativ wenige Anwendungsfälle. Hier werden einige Beispiele vorgestellt:

Klassiker: Hennef

Die Frankfurter Straße in Hennef (Sieg; ca. 45.000 Ew.) wurde schon 1990 umgebaut. Es handelt sich um die Ortsdurchfahrt einer Landesstraße, die viele Läden und öffentliche Einrichtungen aufweist (DTV 2005: 10.500 Kfz/Tag; DTV 2000: 14.500 Kfz). Vor dem Umbau war die Haupteinkaufsstraße vierstreifig. Neben der seither nur noch ca. 7,50 m breiten Fahrbahn (inkl. Mittelstreifen) befinden sich Pkw-Parkstreifen. Die Gehwege sind ca. 4,50 m breit.

Spektakuläres Element sind die etwa alle 30 m mitten auf der Fahrbahn stehenden Straßenleuchten mit ihrem massiven Sockel. Sie schützen und betonen den niveaugleich gepflasterten Mittelstreifen (Natursteinpflaster). Jener hat eine Breite von ca. 1 m und weitet sich grundsäzlich alle 15 m auf ca. 2 m auf. Trotz der ansonsten schmaleren Breite ergibt sich durch die punktuellen Ausweitungen ein Korridor von etwa 2 m, der als Überquerungshilfe dient, da dort nur im Ausnahmefall Kfz fahren. Das geschieht etwa bei der Vorbeifahrt an Fahrzeugen, die in zweiter Reihe halten.

Wenn auch überall gequert werden kann und soll, gibt es zwei, drei durch Belagwechsel betonte Stellen, die eine Bündelung und eine besondere Würdigung des Fußverkehrs veranlassen sollen. Das städtebaulich integrierte und planerisch nach wie vor sehr beachtliche Konzept wird kommunalpolitisch immer wieder kontrovers diskutiert.

Gerade die Grünen sehen Kinder und Alte benachteiligt und fordern die Einrichtung von Fußgängersignalanlagen und Zebrastreifen. Sie sprechen von „oft mehrere[n] Minuten“ langen Wartezeiten im Berufsverkehr und einer geringen Anhaltebereitschaft des Fahrzeugverkehrs. Zur Versachlichung der Diskussion wurde von der Stadt eine fachliche Evaluierung beauftragt, die zu Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht war. Wegen der straßenrechtlichen Klassifizierung ist es bis heute nicht gelungen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h zu senken. Zum Ausgleich ist das Radfahren auf den Gehwegen erlaubt.

Avantgarde: Ulm

Die Stadt Ulm ist Spitzenreiterin beim Einsatz fußverkehrsorientierter Mittelstreifen. Vier Straßen im Stadtgebiet wurden in den letzten zehn Jahren entsprechend umgestaltet.

Prominentester Ulmer Anwendungsfall ist die „Neue Straße“ im Zentrum (DTV: 13.000 Kfz/ Tag). Auf ca. 100 m Länge besitzt sie einen multifunktionalen Mittelstreifen von ca. 2 m Breite. Neben einem kleinen Höhenunterschied von ca. 2 bis 3 cm hebt sich dieser durch die Oberflächenstruktur (Großplatten) und -farbe (dunkelgrau) von den angrenzenden (hellgrauen) Beton-Fahrstreifen ab. Gestalterisch und bautechnisch wird dies durch einen schmalen Metallstreifen akzentuiert. Der Mittelstreifen hat drei Aufgaben: 1.) Querungshilfe, 2.) unmarkierter Linksabbiegestreifen (Grundstücke, Seitenstraßen) und 3.) Vorbeifahrmöglichkeit an haltenden Fahrzeugen.

Nur am Anfang und Ende gibt es kleine Einbauten: Kurze aufmontierte „Verkehrsinsel-Köpfe“, die jeweils das Verkehrszeichen 222 „rechts vorbei“ tragen (unbeleuchtet, Standardgröße). Der Fußverkehr kommt mit der Querungshilfe gut zurecht; trotz Bevorrechtigung halten viele Autos an. Auch wenn Fahrzeuge einmal nicht den Vorrang abtreten, verbessert der Mittelinseleffekt die Überquerbarkeit der Straße enorm. Schließlich sind immer nur Lücken eines Fahrzeugstroms abzuwarten. Selbstbewusst auftretenden Fußgänger/innen gelingt es fast immer, den Vorrang zu gewinnen. Entspannend wirkt sich die Begrenzung der Fahrgeschwindigkeit auf 30 km/h aus.

Ähnliche Mittelstreifen hat die Stadt Ulm auch in zwei weiteren Innenstadtstraßen eingesetzt (Frauen- und Donaustraße) sowie im Stadtteil Wiblingen („Anger“, Kombination mit kleinem Kreisverkehrsplatz). Dort sind die Mittelstreifen meist 3 cm angehoben und mit Kleinpflaster befestigt. In der Donaustraße gibt es zusätzlich Schutzstreifen für den Fahrradverkehr.

Berühmtheiten: Köniz und Wabern

Während die meisten deutschen Verkehrs- und Stadtplaner/innen nichts von den hiesigen Beispielen gehört oder gesehen haben, kennt und diskutiert fast die ganze Schweizer Fachwelt die eidgenössischen Mittelstreifen-Projekte in den Berner Vororten Wabern und Köniz. Durch engagierte Präsentationen auf internationalen Tagungen sind diese Projekte teilweise sogar international bekannt. Beide Vorhaben liegen in Dörfern von ca. 7.000 Ew., die unmittelbar mit der Hauptstadt verwachsen sind (wobei Wabern verwaltungsmäßig zur „Gemeinde Köniz“ gehört). Beide Projekte betreffen Einfahrtsstraßen in die Hauptstadt und verfügen über kleine Kreisverkehrsplätze (Geschwindigkeitsdämpfung). In beiden Fällen finden sich, wie schon in Hennef, die Leuchtenmasten auf einem niveaugleichen Mittelstreifen. Unterschiede gibt es bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Wabern: 50, Köniz 30 km/h) und der sonstigen Gestaltung.

In Wabern existieren auf einem langen Teilabschnitt der Senftigenstrasse Straßenbahngleise. Diese befanden sich vor dem Umbau auf eigenem Gleiskörper in Mittellage, nun liegen sie in den Kfz-Fahrstreifen (wo „das Tram“ nun durch eine lichtsignalgeregelte Schleuse unbehindert vor dem Kfz-Verkehr herfährt). Der gewonnene Raum kam insbesondere dem Fahrrad- und Fußverkehr zugute. Ersterer profitiert von den Schutzstreifen am Fahrbahnrand, letzterer von dem Mittelstreifen aus stabilen Betonplatten. Zwischen den Leuchten sind auf dem Mittelstreifen noch niedrige, dicke Metallpoller untergebracht. Sie tragen kleine stadtgeschichtliche oder geografische Informationstafeln.

Der Mittelstreifen ist mit ca. 1,40 m Breite nicht für alle Fußgänger/innen als Querungshilfe geeignet. Daher wurden an einigen Stellen Zebrastreifen beibehalten (sowie an einem LSA-Knotenpunkt auch Furten). Im Vergleich zum signalisierten Vorher-Zustand hat die durchschnittliche Wartezeit des Fußverkehrs durch die Zebrastreifen abgenommen. Der 1996/97 erfolgte Umbau bedingte keine Leistungseinbußen für den Kfz-Verkehr (DTV: ca. 15-20.000 Kfz/Tag). Dieses Projekt hat es sogar geschafft, in die 2007 erschienene deutsche Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) aufgenommen zu werden.

Im Schweizerischen Köniz wurde die Schwarzenburgstrasse (DTV: 16.000 Kfz/Tag) samt „Blauäcker“-Platz 2000-04 umgebaut. Der Mittelstreifen-Abschnitt ist niveaugleich ausgeführt. Die Fahrbahn wird durch Pflasterrinnen oder, wo Parken ausgeschlossen werden soll, durch niedrige Edelstahlpoller von den ebenfalls bituminierten Gehwegen getrennt. Der etwa 2 m breite Mittelstreifen besteht aus hellem Ortsbeton. Er beinhaltet die Entwässerung und die Straßenbeleuchtung. Ergänzend wurden punktuell quadratische Betonscheiben aufgelegt, die den Fahrzeugverkehr optisch und funktional auf die regulären Fahrstreifen lenken.

Auffällig ist ein besonders zuvorkommendes Verhalten des Kfz-Verkehrs gegenüber dem querenden Fußverkehr. Trotzdem bedauert Fussverkehr Schweiz die Rücknahme der Zebrastreifen. Die Ausweisung einer stark befahrenen Ortsdurchfahrt als Tempo-30-Zone war anfangs heftig umstritten und Neuland für die Schweiz, hat sich aber bewährt. Bei der Diskussion weiterer zentraler Anwendungsfälle gelten sogar zwei sonst oft als Gegenargumente angeführte Aspekte als Voraussetzung: Die möglichst dichte ÖPNV-Bedienung (mit Haltestelle!) und ein hohes Kfz-Aufkommen. Beide gewährleisten ein niedriges Durchschnittstempo. Weiteres Erfolgskriterium ist eine hohe Anzahl von Fußverkehrsquerungen, die möglichst verteilt auftreten sollten. Der Fahrzeugverkehr fährt tatsächlich überwiegend in einem Geschwindigkeitsspektrum von 30 bis 40 km/h. Dank Tempo-30-Regelung kann auf Radverkehrsanlagen verzichtet werden.

Ein Schönheitsfehler des Mittelstreifens, hoffentlich ohne Sicherheitsrelevanz, ist seine Nutzbarkeit zur Vorbeifahrt an Linienbussen im Haltestellenbereich. Übrigens wurden auch einige kürzere Seitenstraßenabschnitte mit Mittelstreifen versehen, die z.T. nur durch Linienmarkierung und Baken (auf sporadisch aufgebrachten Großbetonplatten) gebildet werden.

Straßenbahnmittellage: Dresden

Die Wilsdruffer Straße in Dresden trennt den Altmarkt vom Neumarkt (wo die Frauenkirche steht). Sie ist eine bedeutende Achse für alle Verkehrsarten, nicht zuletzt für den ÖPNV (DTV: ca. 21.000 Kfz/Tag). Wie die Neue Straße in Ulm ist sie in den 1950er Jahren mit sehr großer Bauflucht (bis zu 60 m) in den kriegszerstörten Altstadtbereich geschnitten worden. Vor rund 10 Jahren wurde der befahrene Teil des Straßenraumes neu geordnet. Dabei wurde je ein Richtungsfahrstreifen der ehemals vierstreifigen Straße aufgeben. Zudem wurde der mittig gelegene Gleiskörper der zweigleisigen Straßenbahn-Strecke gepflastert und zu einer linearen Querungshilfe aufgewertet.

Der leicht erhabene Gleisbereich (Förderbedingung in Sachsen) ist durch Markierungslinien auf beiden Seiten um Schutzzonen für den querenden Fußverkehr „erweitert“ worden. Vor kurzem wurde ein Teilabschnitt sogar baulich verbreitert (Pflaster-Ausweitung). Die Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs ist auf 30 km/h begrenzt. Freie Querungen sind i.d.R. sicher und angenehm möglich. Wer gesicherte barrierefreie Querungsmöglichkeiten benötigt, findet solche an beiden Enden der Straßenbahnhaltestellen. Der übrige gewonnene Raum der aufgegebenen Fahrstreifen wurde zu Radfahrstreifen ummarkiert. Inzwischen steht sogar das reguläre Parken am Fahrbahnrand zur Disposition. Da neue Parkgaragen in Betrieb gegangen sind, soll die Nutzung auf Halten, Liefern, Taxis oder Reisebusse beschränkt werden.

Raumteilung: London

In der Nähe des Londoner Hyde Parks liegt die Kensington High Street (DTV: ca. 22.000 Kfz/ Tag). Sie bildet als Einkaufsstraße mit Gastronomienutzungen ein Stadtteilzentrum. Die Straße wurde 2001-03 umgebaut, wobei die Vierstreifigkeit (zwei Fahrstreifen pro Richtung) beibehalten wurde. Sie war vorher unruhig gegliedert und lud nicht zum Überqueren ein; das war nur an den LSA zulässig und wurde sonst durch Absperrgeländer ausgeschlossen. Jetzt gibt es einen ca. 3 m breiten Mittelstreifen, der zum freien Queren benutzt werden kann. Darüber hinaus dient er überwiegend als Fahrradabstellfläche. Teilweise entfällt der Mittelstreifen zugunsten von mittig gelegenen Rechtsabbiegestreifen (Linksverkehr!).

In Großbritannien wird das Beispiel als sehr gelungen gefeiert. Denn zum einen hat sich der Fahrstil entschärft, zum anderen die Nutzungsdichte in den Seitenräumen stark vergrößert. Aus diesen Gründen ordnen führende Vertreter der Shared-Space-Idee das Projekt sogar der entsprechenden Philosophie zu (Hamilton Baillie, Willem Foorthuis). Das verwundert, weil der Straßenraum ein konventionelles Trennprinzip und sehr viele normale Verkehrseinrichtungen aufweist: Lichtsignalanlagen (LSA), Verkehrszeichen und Markierungen. Unabhängig von dieser Frage der „Klassifizierung“ zeigt sich auch hier der positive Einfluss von Mittelstreifen. Es haben sich spürbare Verbesserungen für den Fußverkehr ergeben, und darüber hinaus auch für die private und die gewerbliche Anliegerschaft

In Kürze

Mittelstreifen sind ein hervorragendes Instrument zur Attraktivierung von Straßen mit hohem Querungsbedarf auf einem längeren Abschnitt. Es ist verwunderlich, dass sie nicht häufiger eingesetzt werden. Völlige Konflikt- und Unfallfreiheit können sie jedoch auch nicht garantieren. Dennoch sind sie fußverkehrsfreundlicher als Shared-Space-Ansätze ohne Beschilderung oder „normale Straßen“, erfordern aber auch eine Straßenraumbreite von mindestens 16 m. Die Rücksicht des Kfz-Verkehrs kann durch Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h (oder weniger) gefördert werden.

 

Dieser Artikel von Arndt Schwab (Koblenz, Vorstand FUSS e.V) ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2009, erschienen. 

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Weiterentwicklung des Verkehrsberuhigten Bereiches

In mobilogisch! 2/08 hat FUSS e.V. Vorschläge zur Fortentwicklung des „Verkehrsberuhigten Bereiches“ gemacht. Über die dort genannten Einsatzbereiche hinaus sollte künftig auch der neue Anwendungsfall „Ermöglichung und Sicherung von Fußverkehrsquerungen in Knotenpunkten mit Straßen und Wegen mit großer städtebaulicher Bedeutung“ in die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) zu Zeichen 325 aufgenommen werden. Fast in jede Fußgängerzone wird funktional und optisch durch regulär befahrene Straßen zerteilt. Auch bestimmte selbstständig geführte Gehwege oder Verkehrsberuhigte Bereiche können wichtige Fußverkehrsachsen sein, deren lückenlose und sichtbare Fortführung über eine Querstraße hinweg sowohl gestalterisch als auch verkehrlich wünschenswert ist. Als Lösungsansatz für diese Fälle regt FUSS e.V. die Entwicklung der betreffenden Knotenpunkte zu einem kleinen Verkehrsberuhigten Bereich an bzw. die Ausdehnung des anliegenden Verkehrsberuhigten Bereiches auf den Kreuzungs-/Einmündungsbereich der „normalen“ Straße. Vorteile wären u.a.:

  1. Gestalterische „Durchbindung“ der Fußverkehrsachse (städtebauliche Kontinuität und selbsterklärende Wegeführung; ggf. Einsatz von gefärbtem Prägeasphalt),
  2. Entbehrlichkeit von Ampeln und anderen technischen Einrichtungen zur Sicherung der Querungsstelle (Stadtgestaltung, ggf. Kosteneinsparung),
  3. Gewährung von Fußverkehrsvorrang (jederzeit und i.d.R. auf ganzer Breite).

Noch besser als ein Zebrastreifen

Für den wartepflichtigen Fahrzeugverkehr auf der querenden Straße sind die Konsequenzen ähnlich wie bei einem Fußgängerüberweg (Zebrastreifen). Auch für den Fußverkehr ergibt sich die gleiche Qualität wie bei Fußgängerüberwegen, welche sich aber nicht so gut gestalterisch integrieren. Wie bei Zebrastreifen ist die Kombination mit (not-)überfahrbaren Inseln möglich, wenn das Kfz-Aufkommen dies nahe legt.

Die bisherigen Verwaltungsvorschriften ermöglichen bei großzügiger Auslegung bereits eine entsprechende Anwendung, doch erfordert das die Aufgeschlossenheit der zuständigen sowie übergeordneten Straßenverkehrsbehörden. Eines der wenigen realisierten deutschen Beispiele befindet sich seit ca. 5 Jahren in Koblenz (Kreuzung Schloss-/Casinostraße, Knotenpunktbelastung ca. 3.500 Kfz/Tag – siehe Abb.). Im Ausland gibt es immer mehr erfolgreiche Beispiele für solche Anwendungen (z.B. „Begegnungszone“: Grenchen/CH; „Shared Space“: Drachten/NL, Haren/NL; „Aires Piétonnes“: Chambéry/F).

Beispiele gesucht:

Wer kennt oder plant weitere Beispiele in Deutschland? Hinweise bitte an den Verfasser Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Dieser Artikel von Arndt Schwab ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2008, erschienen.

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Ampelschaltungen für schnellen Autoverkehr

Im Jahr 2004 wurden in Hamburg 13 Kreuzungen versuchsweise mit sogenannten adaptiven Ampelschaltungen ausgestattet. Das bedeutet, dass die Autoverkehrsmengen gemessen und die Grünzeiten angepasst werden. Es bedeutet aber auch, dass FußgängerInnen und RadfahrerInnen nicht mehr automatisch grün bekommen, sondern dies über einen Taster anfordern müssen. Gleichzeitig wurden die Grünphasen für den nichtmotorisierten Verkehr verkürzt.

Begründet wird dies von der Baubehörde damit, dass sie „den städtischen Verkehr durch Optimierung von Lichtsignalanlagen verflüssigen“ will. Daraus ist zu erkennen, dass nur der motorisierte Verkehr zählt, FußgängerInnen und RadfahrerInnen jedoch als verkehrsbehindernde, lästige Begleiterscheinung betrachtet werden. Andere Städte haben erkannt, dass die Lebensqualität nicht durch rasende Autos sondern durch attraktive Fuß- und Radwege erhöht wird. Der Hamburger Senat setzt dagegen noch immer auf die wachsende Autostadt. Statt in bequeme Fußwegenetze und gute Radwege sollen bis 2010 20 Millionen Euro in die Umrüstung und den Unterhalt dieses Systems gesteckt werden. Dabei sollen nach und nach weitere Kreuzungen in der ganzen Stadt einbezogen werden.

Die Interessen der besonders betroffenen Menschen wie Alte, Behinderte, Kinder, Umsteiger in öffentlichen Verkehrsmitteln und aller, die sich ökologisch sinnvoll fortbewegen, werden dabei völlig vernachlässigt. Sie fühlen sich als Menschen zweiter Klasse. Sie werden sich angewöhnen, die letzten Meter zur Ampel zu hetzen, weil vielleicht noch niemand gedrückt hat. RadfahrerInnen können nicht mehr vorausschauend fahren, um die Ampel genau zur Grünphase zu erreichen. Dem Umstieg vom Auto zu umweltfreundlichen, stadtverträglichen Verkehrsträgern wird eine weitere Hürde in den Weg gestellt – es wird noch weniger attraktiv, ohne Auto unterwegs zu sein. Zu befürchten ist auch, dass die Neigung zur Rotlichtmissachtung steigen wird.

Erfahrungsgemäß wird das Verflüssigen des Autoverkehrs durch adaptive Schaltungen nur punktuell und zeitlich begrenzt zu besserem Autoverkehrsfluss führen - solche Maßnahmen haben bislang immer nur noch mehr Verkehr erzeugt, die diesen Effekt mehr als aufgefressen haben.

Um die HamburgerInnen zu informieren und den Betroffenen eine Stimme zu verleihen, sammeln die beteiligten Verbände ADFC, FUSS e.V., VCD und die „Bürgerinitiative Ring 2“ derzeit Unterschriften gegen die Bettelampeln.

Die Forderungen sind:

  1. An allen Kreuzungen automatische Grünzeit für Fußgänger und Radfahrer mit jedem Ampelumlauf.
  2. Keine Grünzeitverkürzung für Fußgänger und Radfahrer zu Gunsten abbiegenden Autoverkehrs.
  3. Die Grünzeit muss so bemessen sein, dass auch langsame Menschen in einem Zug, ohne Warten auf der Mittelinsel, die Straße überqueren können.
  4. Eine Grünschaltung für Fußgänger und Radfahrer kurz vor dem Autoverkehr, da diese bei Abbiegeverkehr zu mehr Sicherheit beiträgt.

Uns interessiert, ob es auch in anderen Städten schon Erfahrungen mit adaptiven Ampelschaltungen und evtl. dem Widerstand dagegen gibt. Über eine Information würde ich mich freuen: Sonja Tesch (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Weitere Informationen:

 

Dieser Artikel von Sonja Tesch ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2006, erschienen.

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