Dieser Beitrag ist die stark gekürzte Fassung der Empfehlungen des FUSS e.V.. Die Gliederung dieser Kurzfassung entspricht hinsichtlich der Reihenfolge in etwa der Langfassung. Es fehlt hier jedoch das Thema Abstellen von Fahrrädern auf Gehwegen.
Das Zu-Fuß-Gehen wird in den Städten und kleineren Gemeinden unangenehmer und gefährlicher, wenn die Gehwege immer stärker auch von Radfahrerinnen und Radfahrer benutzt werden. Gründe für diese Verlagerung sind die Flucht vor dem zu schnellen Autoverkehr oder unkomfortable Radverkehrsbedingungen. Leider werden Radfahrende mitunter durch Beschilderungen und Maßnahmen der Ordnungsbehörden zur Gehwegbenutzung gedrängt oder sogar verpflichtet.
FUSS e.V. fordert die Gehwege für die Fußgänger zurück und begrüßt gleichzeitig jede Verbesserung der Wegebedingungen für den Radverkehr, die nicht zu Lasten des Fußverkehrs durchgeführt wird. Zur Förderung des Umweltverbundes ist die Konfliktreduzierung zwischen den beiden nichtmotorisierten Verkehrsträgern ein wesentlicher Aspekt, der in den letzten Jahren zu häufig verdrängt oder in Planungen vernachlässigt wurde.
Gehen und Radfahren sind beide umweltfreundlich, allerdings mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Anforderungen an Infrastruktur und örtliche Verkehrsregelung. Nach der Straßenverkehrs-Ordnung sind Gehwege zum Gehen da, Fahrräder müssen dagegen als Fahrzeuge auf der Fahrbahn fahren. Mit einer verträglicheren Einbettung des Radverkehrs in Verkehrsregeln und –infrastruktur muss im Verbund mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden, dass Fußgänger/innen nicht mehr durch Radfahrer/innen auf Gehwegen geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt werden (§ 1 (2) StVO).
Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Fußgängern (3-7 km/h) und Radfahrern (14-25 km/h) sind erheblich und können zu Konflikten aber auch zu Unfällen mit schweren Verletzungen führen: Während die Zahl der polizeilich erfassten Unfälle in Deutschland in den letzten vier Jahren um etwa 2 % anstieg, stieg sie zwischen Fußgänger/innen und Radelnden von 2004 bis 2008 um knapp 11% auf über 4.000 pro Jahr! Die Anzahl der Straßenverkehrsunfälle mit Personenschäden insgesamt nimmt dagegen in Deutschland ab. Da Unfälle zwischen Radfahrenden und Gehenden häufig nur mit leichten Blessuren einhergehen, wird die Polizei selten informiert und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen und bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen sie mit Fahrrädern Gehwege benutzen. Diese Regelung ist durchaus nicht unproblematisch, weil sich auch Kinder gegenüber Fußgängern falsch und rücksichtslos verhalten können. Außerdem hat sie die Tür dafür geöffnet, dass auch erwachsene Begleitpersonen illegal aber „selbstverständlich“ auf dem Fahrrad die Gehwege benutzen. Neben diesen zumeist langsameren Radfahrer/ innen benutzen zunehmend Jugendliche oder Erwachsene ordnungswidrig radfahrend die Gehwege. Sie haben dabei teilweise einen unangemessen „sportlichen“ Fahrstil und handeln, als ob Ihnen durch die Benutzung des ökologisch korrekten Fahrrads Vorrechte eingeräumt werden. Erzeugt wird durch solche unangenehme, kritische und gefährliche Begegnungen ein gereiztes, teils aggressives Klima, das den allgemeinen Umgangsformen und der Verhaltenskultur im öffentlichen Raum abträglich ist.
Die notwendige Unterbindung des illegalen Radfahrens auf Gehwegen muss durch verkehrspolitische und planerische Entscheidungen unterstützt werden, die die Angst von Radfahrenden bei der Nutzung der Fahrbahnen reduzieren. Hier ist die Senkung der Fahrgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge auch auf Hauptverkehrsstraßen ein wesentlicher Hebel, der zudem allen Verkehrsteilnehmern und der Umwelt zugute kommt. Die Maßnahme ist kostengünstig und binnen weniger Wochen umzusetzen. Eine weitere zentrale Maßnahme zur Problemlösung ist die Markierung ausreichend breiter Radfahr- und Schutzstreifen auf den Fahrbahnen der Hauptverkehrsstraßen.
Infrastruktur und Verkehrsregelung müssen fußverkehrsgerechteres Verhalten ermöglichen und fördern. Um einer gleichberechtigten Nutzung des öffentlichen Raumes durch alle Verkehrsteilnehmerinnen wenigstens näher zu kommen, besteht großer Nachholbedarf in der Umsetzung des geltenden Rechtes und der aktuellen technischen Regelwerke.
Die in den Planungsgrundlagen festgelegten Kriterien sind weitestgehend zur Konfliktminderung geeignet; in den Verwaltungsvorschriften sind dagegen verminderte Mindestbreiten der Wege angegeben, die für ein geregeltes Mit- oder Nebeneinander der beiden Verkehrsarten nicht in allen Verkehrssituationen ausreichend sind. Diese sich widersprechenden Angaben sind als Handlungsanleitung nicht zu akzeptieren, zumal gerade die Verwaltungsvorschriften zur StVO regelwidriges Verhalten geradezu voraussetzen. Die juristischen Verwaltungsvorschriften müssen an den Stand der Technik angepasst werden bzw. auf diesen verweisen.
Die Verlagerung des Radverkehrs auf Radwege in Höhenniveau der Gehwege durch Zeichen 237 StVO („Radweg“) hat sicherlich dazu beigetragen, dass das „Gehwegverbot für den Radverkehr“ allmählich in den Hintergrund geriet. Außerdem haben fahrradunfreundliche Fahrbahnbeläge eine Un-Kultur des Gehwegradelns erzeugt. Hinzu kam die Zunahme des Radverkehrs in den letzten Jahrzehnten. Darüber hinaus verleiten parkende Kraftfahrzeuge, Hindernisse wie z.B. Mülltonnen auf dem Radweg, unklare Radwegführungen und das „Abkürzen um die Ecke“ zum rechtswidrigen Gehweg-Radfahren.
Das Ausweichen der Radler auf den benachbarten Gehweg kann auch vom Fußverkehr bedingt sein: Beispielsweise durch das unbewusste oder unvermeidbare Begehen des Radwegs an Haltestellen, beim Überqueren der Straße sowie durch Fußgänger, die nebeneinander laufen möchten, zum geparkten Auto gehen oder einen Hund ausführen.
„Bei Radwegbreiten unter 1,60 m ist das gegenseitige Überholen nicht mehr möglich.“ (6.1.7.5 RASt 06). Deshalb muss ein sogenannter „straßenbegleitender Radweg“ insgesamt selbst bei beengten Verhältnissen eine Breite von mindestens 2,35 Metern haben (4.6, RASt 06). Ein sogenannter „straßenbegleitender Gehweg“ muss einschließlich des eine Breite von mindestens 2,00 Metern aufweisen (6.1.6.1 RASt 06). Wenn also zwischen Hauswand und Fahrbahnrand nicht mindestens 4,35 Meter zur Verfügung stehen, ist zumindest einer dieser beiden Wege nicht richtliniengemäß. Dann wird immanent vorausgesetzt, dass überholende Verkehrsteilnehmer rechtswidrig die andere Verkehrsfläche nutzen müssen. Deshalb soll bei Unterschreitung der Radwegbreite von 1,60 Metern keine Benutzungspflicht angeordnet werden (6.1.7.5 RASt 06). Das allerdings mindert allenfalls das Problem der „freiwilligen rechtswidrigen“ Mitbenutzung des Gehweges beim Überholvorgang, wenn tatsächlich schnellere Radfahrende die Fahrbahn benutzen.
In der Verwaltungsvorschrift zur StVO wird zwar hervorgehoben, dass „Benutzungspflichtige Radwege …. nur angeordnet werden (dürfen), wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen“ (VwV I. 2. zu §2 StVO zu Absatz 4 Satz 2); gleichzeitig aber wird die Breite für einen benutzungspflichtigen Radweg einschließlich des Sicherheitsraumes mit „möglichst 2,00“ und „mindestens 1,50 Meter“ angegeben (VwV II.2 aa zu §2 StVO zu Absatz 4 Satz 2). Die zuletzt angegebene Breite reicht nicht einmal aus, um bei einer Gesamtbreite einschließlich des Gehweges von 3,50 einen einzigen Radfahrenden mit dem erforderlichen Sicherheitsraum unterzubringen.
Deshalb vertritt der FUSS e.V. seit langem die Auffassung, dass die Benutzungspflicht von Gehwegradwegen generell aufgehoben werden sollte und Anlagen mit nicht ausreichenden Mindestmaßen nach den technischen Planungsgrundlagen als „Stand der Technik“ nicht durch Zeichen 237 als benutzungspflichtige Radwege ausgewiesen werden dürfen.
Die Anordnung eines „gemeinsamen Geh- und Radweges“ (Zeichen 240 StVO) „kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar und mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs vereinbar ist und die Beschaffenheit der Verkehrsfläche den Anforderungen des Radverkehrs genügt.“ (VwV 1.I. zu Zeichen 240 StVO). Erforderlichenfalls müssen Radfahrende „die Geschwindigkeit an den Fußverkehr anpassen.“ (Anlage 1 zu § 40, Abs. 6 +7, StVO). Die Notwendigkeit der Rücksichtnahme ist vielen Radfahrenden nicht bekannt, die aufgrund des Verkehrszeichens mit gleich großen Symbolen von einer gleichberechtigten Nutzung ausgehen.
Da nur wenige Situationen erkennbar sind, in der das Zeichen sinnvoll oder nötig sein könnte, fordert der FUSS e.V., dass die Ausschlusskriterien und benutzergerechte Mindestbreitenangaben aus den Planungsgrundlagen in die Verwaltungsvorschrift aufgenommen werden.
Im aktuellen Regelwerk wird empfohlen, statt eines gemeinsamen Geh- und Radweges (Zeichen 240 StVO) „die Regelung `Gehweg-Radfahrer frei` (Zeichen 239 StVO in Verbindung mit Zusatzzeichen 1022-10 StVO) zu favorisieren…“ (6.1.6.4, RASt 06). Hier gelten die gleichen Mindestbreiten, doch gibt es keine Benutzungspflicht für Radfahrer/innen. Für sie ist bei freiwilliger Nutzung eindeutig geregelt, dass sie „auf Fußgänger Rücksicht nehmen und die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anpassen (müssen). Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, müssen Fahrzeugführer warten.“ (Z. 239, StVO).
An z.B. konfliktreichen Engpässen oder in Grünanlagen wird häufiger das Zeichen „Radfahrer frei – Fußgänger-Vorrang“ verwendet, um den Radfahrenden auch vor Ort die Vorrang-Regelung zu verdeutlichen. Bei ihnen ist in einem noch stärkeren Maße als bei Autofahrenden davon auszugehen, dass sie den Verhaltenshinweis aus der Straßenverkehrs-Ordnung nicht kennen und die Aussage „Radfahrer frei“ nicht grundsätzlich so interpretieren, dass sie nötigenfalls sogar halten und warten müssen. Deshalb empfiehlt FUSS e.V., die Aussage „.. – Fußgänger Vorrang“ als Zusatzzeichen auf entsprechenden Gehwegen zu verwenden.
Aber auch die Regelung „Gehweg“ mit Zeichen 239 StVO und Zusatzzeichen „Radfahrer frei – Fußgänger Vorrang“ muss in der Verwaltungsvorschrift und den Regelwerken im Vergleich zu den gemeinsamen Geh- und Radwegen als Ausnahme deklariert und klar eingegrenzt werden. Darüber hinaus empfehlen wir, diese Regelung nur auf Probe einzurichten. Sind Konflikthäufungen oder Verdrängen des Fußverkehrs festzustellen, muss das Zusatzzeichen entfernt werden.
Die Anordnung eines „getrennten Rad- und Gehweges“ (Zeichen 241 StVO) „kommt nur in Betracht, wenn die Belange der Fußgänger ausreichend berücksichtigt sind und die Zuordnung der Verkehrsflächen zweifelsfrei erfolgen kann.“ (VwV 1.I. zu Zeichen 241 StVO). Die Regelung beinhaltet die Radwegebenutzungspflicht. Deshalb müssen hier, auch wenn das derzeit in den Regelwerken nicht näher ausgeführt wird, die Grundmaße eingehalten werden, d.h. bei weniger als ca. 4,35 Meter vorhandener Gesamtbreite sind die Verkehrsräume nicht richtliniengemäß unterzubringen und bei einer Breite unter 3,50 Metern darf auch nach der Verwaltungsvorschrift kein getrennter Rad- und Gehweg eingerichtet werden.
Nach Auffassung des FUSS e.V. gibt es in städtischen Straßen kaum Einsatzgebiete für getrennte Rad- und Gehwege. Werden solche angelegt, ist zumindest darauf zu achten, dass ein für Blinde tastbarer und für Sehbehinderte ausreichend kontraststarker Begrenzungsstreifen zwischen beiden Wegeteilen eingebaut wird, um zu vermeiden, dass diese Menschen unbeabsichtigt auf den Radweg geraten.
Im Denken von Politikern, Planern, Polizei sowie Auto- und Radfahrenden müssen die Belange der Fußgänger verankert werden. Deshalb müssen Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll mit Strategien und Maßnahmen verknüpft werden. Auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene muss anerkannt werden, dass das Verdrängen des Radverkehrs in Gehweg-Räume eine Fehlentwicklung war, die korrigiert werden muss.
Die bisher geringfügigen Beachtung des Fußverkehrs auf Bundesebene macht einen „Masterplan Fußverkehr“ bzw. „Nationalen Fußverkehrsplan“ notwendig. Länder und Kommunen sind durch geeignete Finanzmittelzuweisungen in die Lage zu versetzen, entsprechende Maßnahmen systematisch zu ergreifen. Sie sollten aber nur dann unterstützt werden, wenn sie die geltenden Planungsgrundlagen einhalten.
Die Bundesländer sollen die Möglichkeiten nutzen, durch Einführungserlasse zu den technischen Planungsgrundlagen oder entsprechende Ausführungsvorschriften die kommunalen Spielräume für fuß- und radverkehrsgerechte Maßnahmen zu erweitern.
Darüber hinaus sollten die Länder regionale oder kommunale Modellvorhaben und Öffentlichkeitsarbeit zur Imagestärkung des Fußverkehrs unterstützen, sowie erfolgreiche lokale Maßnahmen als Best-practice-Beispiele zur Förderung des Fußverkehrs sammeln, öffentlichkeitswirksam aufbereiten und verbreiten.
Politik und Verwaltungen in Städten und Gemeinden tragen die Hauptlast des Paradigmenwechsels. Als Zuständige vor Ort sind sie Gestalter und zugleich Prellbock für die Unzufriedenheit. Da sie auf Rahmensetzung durch Bund und Länder angewiesen sind, sollten sie im Sinne verbesserter Planungsgrundlagen, Rechtsvorschriften und Finanzierungsmodalitäten über die kommunalen Spitzenverbände aktiv Einfluss nehmen und Unterstützungen durch Bund und Länder einfordern.
Darüber hinaus sollten die Kommunen alle Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit nutzen, um Autofahrer/innen zu erklären, dass Radverkehr ebenfalls auf die Fahrbahn gehört. Radfahrer/innen sollte verdeutlicht werden, warum das Fahren auf Fußverkehrsflächen nicht erlaubt ist und dass sie dort nicht an der Vorfahrt teilnehmen, gefährdet sind und im Schadensfall (Teil)Schuld zugesprochen bekommen.
Ziel muss es sein, die weit verbreitete Ansicht von Autofahrer/innen zu ändern, dass Radfahrende auf der Fahrbahn nichts zu suchen haben und die Gehwege benutzen sollen.
Fahrschulen müssen deutlich ins Bewusstsein der zukünftigen Kraftfahrer/innen bringen, dass Fahrzeugverkehr auf die Fahrbahnen gehört, und dass der Radverkehr dort somit zu Recht Platz beansprucht, wenn keine geeigneten Pflicht-Radwege angeordnet sind.
Der Einsatz von Schall- und Lichtzeichen oder entsprechender Gestik, das Ab- und Bedrängen von Radfahrenden, um diese darauf aufmerksam zu machen, dass sie den Fahrstreifen verlassen sollen, erfüllt oft den Straftatbestand der Verkehrsgefährdung und Nötigung (§16(1) StVO/ § 240 StGB). Dieses Verhalten sollte im Rahmen der Rechtsnormen geahndet werden.
Ziel muss es auch sein, die bei Radler/innen vorhandene Konditionierung zur „selbstverständlichen“ Mitnutzung von Gehwegen aufzuheben. In der Sicherheitsforschung gelten nach der sogenannten „3-E-Formel“ (engineering-enforcement-education) folgende Prioritäten zur Gefährdungsverminderung: 1. Bauliche und technische Maßnahmen (engineering), 2. Einführung und Durchsetzung sicherheitsrelevanter Normen (enforcement) und 3. Erziehung und Bildung (education).
Es ist also kein böswilliges Rufen nach Polizei und Überwachung, sondern eine Selbstverständlichkeit, dass Regeln zum Schutz der „Schwächeren“ auch durchgesetzt werden müssen. In seiner Begründung für die Veränderung des Bußgeldkataloges 2009 erläuterte das Bundesverkehrsministerium unmissverständlich: „Um zu einer effektiveren Wirkung der Durchsetzungsmaßnahmen zu gelangen, stehen zwei Ansatzpunkte zur Verfügung. Es sind dies die Intensität der Verkehrsüberwachung und die Wirksamkeit der Sanktionen, wobei letztere maßgeblich von ihrer Höhe abhängt.“
In Verbindung mit Öffentlichkeitsarbeit sollten die Polizei oder andere Ordnungskräfte zumindest an häufig benutzten Gehwegabschnitten illegale Gehwegnutzungen durch Radverkehr kontrollieren, dort Radfahrende informieren und bei Uneinsichtigkeit mit den im Bußgeldkatalog vorgesehenen Mitteln auch sanktionieren.
Dieser Artikel ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2010, erschienen.
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Verfasser der Empfehlungen waren Reinhard Nake, Stefan Lieb und Bernd Herzog-Schlagk, in Abstimmung mit den Mitgliedern des FUSS e.V. Bundesvorstandes Manfred Bernard, Arne Blase, Roland Hasenstab, Bernd E. Jürgens-Samm, Karl-Heinz Ludewig, Norbert Paul, Sylke Petry, Arndt Schwab und Ekkehard Westphal.
Das Zu-Fuß-Gehen wird in den Städten und kleineren Gemeinden unangenehmer und gefährlicher, wenn die Gehwege immer stärker auch von Radfahrerinnen und Radfahrer benutzt werden. Gründe für diese Verlagerung sind möglicherweise die Flucht vor dem zu schnellen Autoverkehr auf der Fahrbahn oder unkomfortable Radverkehrsbedingungen. Leider werden Radfahrende mitunter durch Beschilderungen und Maßnahmen der Ordnungsbehörden zur Gehwegbenutzung gedrängt oder sogar verpflichtet. Diese Entwicklung passt nicht in eine Zeit, in der sich viele Menschen aus Umweltschutz- und Gesundheitsgründen zu Fuß bewegen sollten und auch zunehmend wollen. Deshalb müssen dem Fuß- und dem Radverkehr als zukünftig noch bedeutendere Verkehrsträger (Klimawandel, Lärmschutz, Demografie, etc.) sichere und angenehmere Verkehrs- und Aufenthaltsflächen zur Verfügung gestellt werden.
1.1 Mögliche Konfliktpunkte innerhalb des Umweltverbundes müssen entschärft werden.
1.2 Die Infrastruktur muss verbessert werden.
1.3 Aktuelle Planungsgrundlagen müsen umgesetzt werden.
1.4 Radwege auf Gehwegniveau müssen Qualitätsansprüchen genügen.
1.5 Gemeinsame Geh- und Radwege sind weitgehend zu vermeiden.
1.6 Die Zulassung der Mitbenutzung eines Gehweges muss die Ausnahme bleiben.
1.7 Getrennte Rad- und Gehwege müssen zweifelsfrei gestaltet werden.
1.8 Das Abstellen von Fahrrädern muss fußverkehrsgerechter ermöglicht werden.
2.1 Maßnahmen-Vorschläge für Bund, Länder und Gemeinden.
2.2 Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit für Auto- und Radfahrende.
2.3. Nötigenfalls Sanktionen auch für Radfahrende.
FUSS e.V. fordert die Gehwege für die Fußgänger zurück und begrüßt gleichzeitig jede Verbesserung der Wegebedingungen für den Radverkehr, die nicht zu Lasten des Fußverkehrs durchgeführt wird. Zur Förderung des Umweltverbundes (Gehen, Radfahren, Bus- und Bahnbenutzung) ist die Konfliktreduzierung zwischen diesen beiden nichtmotorisierten Verkehrsträgern ein wesentlicher Aspekt, der in den letzten Jahren zu häufig verdrängt oder in Planungen und Anordnungen vernachlässigt wurde.
Gehen und Fahrradfahren sind beide umweltfreundlich, allerdings mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Anforderungen an Infrastruktur und die örtliche Verkehrsregelung. Nach der Straßenverkehrs-Ordnung sind Gehwege zum Gehen da, Fahrräder müssen dagegen als Fahrzeuge auf der Fahrbahn fahren (Straßenverkehrs-Ordnung StVO § 25 (1) und § 2 (1)). Mit einer insgesamt verträglicheren Einbettung des Radverkehrs in Verkehrsregeln und -infrastruktur muss im Verbund mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden, dass Fußgänger/innen nicht mehr durch Radfahrer/innen auf Gehwegen geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt werden (§ 1 (2) StVO).
Einkaufende Fußgänger, Familien mit Kindern, gedankenverlorene Flaneure, konzentriert Nachdenkende, langsam laufende Senioren, herumalbernde Jugendliche, Seh- und Mobilitätsbehinderte, die ohnehin viele Dinge gleichzeitig beachten müssen, haben alle ein Recht, sich auf Gehwegen unbeschwert bewegen zu können. Zum Gehen gehören auch Stehenbleiben, plötzliche Änderungen der Laufrichtung und Spiel. Insbesondere bei Älteren erzeugen nah vorbeifahrende bzw. plötzlich von hinten kommende Radfahrer Unsicherheiten. Hier geht es um städtische Lebensqualität, praktische Sozialpolitik (Familienfreundlichkeit, Berücksichtigung Mobilitätsbehinderter), sowie um Gesundheit und Verkehrssicherheit. Bereits bei wenigen Radfahrenden auf Gehwegen kann das Gehen deutlich an Attraktivität verlieren.
Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Fußgängern (3-7 km/h) und Radfahrern (14-25 km/h) sind erheblich und können zu Konflikten und auch zu Unfällen mit schweren Verletzungen führen: Während die Zahl der polizeilich erfassten Unfälle in Deutschland in den letzten vier Jahren um etwa 2 % anstieg, stieg sie zwischen Fußgänger/innen und Radelnden von 2004 bis 2008 um knapp 11% auf über 4.000 pro Jahr! (Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle, Tabellen UV 1E3) Die Anzahl der Straßenverkehrsunfälle mit Personenschäden insgesamt nimmt dagegen in Deutschland ab. Da Unfälle zwischen Radfahrenden und Gehenden häufig nur mit leichten Blessuren einhergehen, wird die Polizei selten informiert und die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher als bei allen anderen Verkehrsunfallstatistiken liegen.
Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen und bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen sie mit Fahrrädern Gehwege benutzen (§ 2 (5) StVO). Diese Regelung ist nicht unproblematisch, weil sich auch Kinder gegenüber Fußgängern falsch und rücksichtslos verhalten können. Außerdem hat sie die Tür geöffnet, dass auch erwachsene Begleitpersonen illegal aber „selbstverständlich“ auf dem Fahrrad die Gehwege benutzen. Neben diesen meist langsameren Radfahrer/ innen benutzen zunehmend Jugendliche oder Erwachsene ordnungswidrig radfahrend die Gehwege. Sie haben dabei teilweise einen unangemessen „sportlichen“ Fahrstil und handeln als ob Ihnen durch die Benutzung des umweltfreundlichen Verkehrsmittels Fahrrad Vorrechte eingeräumt werden, ihren Schwung zu bewahren, nicht zu bremsen oder abzusteigen. Das ist bemerkenswert, denn gerade diese Gruppe sollte auf der Fahrbahn gut vorankommen. Erzeugt wird durch solcherart unangenehme, kritische und gefährliche Begegnungen ein gereiztes, teils aggressives Klima, das den allgemeinen Umgangsformen und der Verhaltenskultur im öffentlichen Raum abträglich ist.
Die notwendige Unterbindung des illegalen Radfahrens auf Gehwegen muss durch verkehrspolitische und planerische Entscheidungen unterstützt werden, die die Angst von Radfahrenden bei der Nutzung der Fahrbahnen reduzieren.
Hier ist die Senkung der Fahrgeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge auch auf Hauptverkehrsstraßen ein wesentlicher Hebel, der zudem allen Verkehrsteilnehmern und der Umwelt zugute kommt. Die Maßnahme ist sehr kostengünstig und binnen weniger Wochen umzusetzen; sie hat neben der Verkehrssicherheit und Rad-/Fußverkehrsförderung noch weitere Nutzen (z.B. Lärm- und Gesundheitsschutz). Eine weitere zentrale Maßnahme zur Problemlösung ist die Markierung ausreichend breiter Radfahr- und Schutzstreifen auf den Fahrbahnen der Hauptverkehrsstraßen. Bei Fahrbahnen mit holprigem Pflasterbelag ist zu prüfen, inwieweit ebene Radfahrspuren eingebaut werden können.
Infrastruktur und Verkehrsregelung müssen fußverkehrsgerechteres Verhalten ermöglichen und fördern. Um einer gleichberechtigten Nutzung des öffentlichen Raumes durch alle Verkehrsteilnehmerinnen wenigstens näher zu kommen, besteht großer Nachholbedarf in der Umsetzung des geltenden Rechtes und der aktuellen technischen Regelwerke.
Dies sind im Wesentlichen die verbindlichen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO in der Fassung vom 1.09.2009), sowie die als „Stand der Technik“ bezeichneten Regelwerke, insbesondere die Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA 2002), die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 1995, in Überarbeitung) und die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 2006).
Die in den Planungsgrundlagen festgelegten Kriterien sind weitestgehend zur Konfliktminderung geeignet; in den Verwaltungsvorschriften sind dagegen verminderte Mindestbreiten der Wege angegeben, die für ein geregeltes Mit- oder Nebeneinander der beiden Verkehrsarten nicht in allen Verkehrssituationen ausreichend sind. Diese sich widersprechenden Angaben sind als Handlungsanleitung nicht zu akzeptieren, zumal insbesondere die Verwaltungsvorschriften zur StVO regelwidriges Verhalten geradezu voraussetzen (siehe 1.4 und 1.5).
Die juristischen Verwaltungsvorschriften müssen an den Stand der Technik angepasst werden bzw. auf diesen verweisen, wie es seit September 2009 bereits bei einigen anderen Sachverhalten erfolgt.
Die zunehmende Verlagerung des Radverkehrs auf Radwege in Höhenniveau der Gehwege durch Zeichen 237 StVO („Radweg“) – etwa ab Anfang der 1970er Jahre in der alten Bundesrepublik - hat sicherlich unter anderem dazu beigetragen, dass das „Gehwegverbot für den Radverkehr“ allmählich in den Hintergrund geriet. Hinzu kam die Zunahme des Radverkehrs in den letzten Jahrzehnten. Insbesondere in den Neuen Bundesländern haben fahrradunfreundliche Fahrbahnbeläge eine Un-Kultur des Gehwegradelns erzeugt. Darüber hinaus verleiten zahlreiche Hindernisse auf dem Radweg zum rechtswidrigen Ausweichen der Radler auf den benachbarten Gehweg. Dies können zum Beispiel parkende Kraftfahrzeuge, Mülltonnen, aber auch unklare Radwegeführungen, das „Abkürzen um die Ecke“ und nicht zuletzt die häufige Mitnutzung des Radwegs durch Fußgänger sein, die auf dem Weg zur Haltestelle, zur anderen Straßenseite, zum parkenden Auto oder einfach nur beim Nebeneinanderlaufen oder Ausführen des Hundes versehentlich, unbewusst oder zwangsläufig den Radweg betreten.
„Bei Radwegbreiten unter 1,60 m ist das gegenseitige Überholen nicht mehr möglich.“ (6.1.7.5 RASt 06). Deshalb muss ein sogenannter „straßenbegleitender Radweg“ zwischen dem Gehweg und der Fahrbahn einschließlich der beiden Sicherheitsräume zum Fahrbahnrand 0,50 m und zum Gehweg 0,25 m insgesamt selbst bei beengten Verhältnissen eine Breite von mindestens 2,35 Metern haben (4.6, RASt 06). Ein sogenannter „straßenbegleitender Gehweg“, auf dem sich ebenfalls zwei Fußgänger begegnen oder überholen können, muss einschließlich des Sicherheitsraumes z.B. zur Hauswand 0,20 m eine Breite von mindestens 2,00 Metern aufweisen (6.1.6.1 RASt 06). Wenn also zwischen der Hauswand und dem Fahrbahnrand nicht mindestens 4,35 Meter zur Verfügung stehen, ist zumindest einer dieser beiden Wege nicht richtliniengemäß breit. Dann wird immanent vorausgesetzt, dass überholende Verkehrsteilnehmer rechtswidrig die andere Verkehrsfläche nutzen müssen. Deshalb soll bei Unterschreitung der Radwegbreite von 1,60 Metern keine Benutzungspflicht angeordnet werden (6.1.7.5 RASt 06). Das allerdings mindert allenfalls das Problem der dann „freiwilligen rechtswidrigen“ Mitbenutzung des Gehweges beim Überholvorgang, wenn tatsächlich schnellere Radfahrende die Fahrbahn benutzen.
In der Verwaltungsvorschrift zur StVO wird zwar hervorgehoben, dass „Benutzungspflichtige Radwege …. nur angeordnet werden (dürfen), wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen“ (VwV I. 2. zu §2 StVO zu Absatz 4 Satz 2); gleichzeitig aber wird die Breite für einen benutzungspflichtigen Radweg einschließlich des Sicherheitsraumes mit „möglichst 2,00“ und „mindestens 1,50 Meter“ angegeben (VwV II.2 aa zu §2 StVO zu Absatz 4 Satz 2). Die zuletzt angegebene Breite reicht nicht einmal aus, um bei einer Gesamtbreite einschließlich des Gehweges von 3,50 einen einzigen Radfahrenden mit dem erforderlichen Sicherheitsraum unterzubringen.
Unter anderem deshalb vertritt der FUSS e.V. seit langem die Auffassung, dass die Benutzungspflicht von Gehwegradwegen generell aufgehoben werden sollte und Anlagen mit nicht ausreichenden Mindestmaßen nach den technischen Planungsgrundlagen als „Stand der Technik“ nicht durch Zeichen 237 als benutzungspflichtige Radwege ausgewiesen werden dürfen.
Jedoch auch nicht-benutzungspflichtige Radwege (bzw. die Gehwegfreigabe) sind grundsätzlich entbehrlich, wenn die Bedingungen für den Fahrradverkehr auf der Fahrbahn verbessert werden (Ausnahmenvorbehalte, z.B. bei Steigungsstrecken und hohem Kfz- bzw. Schwerverkehrsaufkommen, vgl. 4.1.3, ERA 95 und 6.1.7.2, RASt 06).
Die Anordnung eines „gemeinsamen Geh- und Radweges“ (Zeichen 240 StVO) „kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar und mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs vereinbar ist und die Beschaffenheit der Verkehrsfläche den Anforderungen des Radverkehrs genügt.“ (VwV 1.I. zu Zeichen 240 StVO). Erforderlichenfalls müssen Radfahrende „die Geschwindigkeit an den Fußverkehr anpassen.“ (Anlage 1 zu § 40, Abs. 6 +7, StVO). Die Notwendigkeit der Rücksichtnahme ist vielen Radfahrenden nicht bekannt, die aufgrund des Verkehrszeichens mit gleich großen Symbolen auch von einer gleichberechtigten Nutzung ausgehen.
Nach den Verwaltungsvorschriften muss ein gemeinsamer Geh- und Radweg mit Benutzungspflicht einschließlich der Sicherheitsräume (nach RASt 06 zusammen 1,20 m) innerorts mindestens insgesamt 2,50 m breit sein (VwV II.2 bb zu §2 StVO zu Absatz 4 Satz 2). Das entspricht nach der (technischen) Richtlinie der Regelbreite eines Gehweges für zwei Personen, ohne Mitbenutzung durch Radelnde (6.1.6.1, Bild 70, RASt 06). Auch in der Richtlinie wird allerdings für eine gemeinsame Nutzung bei schwachen Fußgänger- und Radverkehrsbelastungen unlogischerweise mit 3,50 Metern eine deutlich geringere Mindestbreite angegeben als bei Gehwegradwegen mit beengten Verhältnissen. Doch werden eine ganze Reihe von Ausschlussgründen für diese Regelung aufgezählt, sodass sie in einer normalen kommunalen Straße „mit zahlreichen untergeordneten Knotenpunkts- und Grundstückszufahrten“ und „einer dichteren Folge von unmittelbar an (schmale) Gehwege angrenzenden Hauseingängen“ „generell ungeeignet“ ist (6.1.6.4 und Tab. 27, RASt 06).
Da nur wenige Situationen erkennbar sind, in der das Zeichen sinnvoll oder nötig sein könnte, fordert der FUSS e.V., dass die Ausschlusskriterien und benutzergerechte Mindestbreitenangaben aus den Planungsgrundlagen in die Verwaltungsvorschrift aufgenommen werden. Die zuständigen kommunalen Verwaltungen sollten auf das Zeichen 240 StVO (Gemeinsamer Geh- und Radweg) innerorts künftig weitestgehend verzichten.
Im aktuellen Regelwerk wird empfohlen, statt eines gemeinsamen Geh- und Radweges (Zeichen 240 StVO) „die Regelung `Gehweg-Radfahrer frei` (Zeichen 239 StVO in Verbindung mit Zusatzzeichen 1022-10 StVO) zu favorisieren…“ (6.1.6.4, RASt 06). Hier gelten die gleichen Mindestbreiten, doch gibt es keine Benutzungspflicht für Radfahrer/innen. Für sie ist bei freiwilliger Nutzung eindeutig geregelt, dass sie „auf Fußgänger Rücksicht nehmen und die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anpassen (müssen). Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, müssen Fahrzeugführer warten.“ (Zeichen 239, StVO).
An z.B. konfliktreichen Engpässen oder in Grünanlagen wird häufiger das Zeichen „Radfahrer frei – Fußgänger-Vorrang“ verwendet, um den Radfahrenden auch vor Ort die Vorrang-Regelung zu verdeutlichen. Bei ihnen ist in einem noch stärkeren Maße als bei Autofahrenden davon auszugehen, dass sie den Verhaltenshinweis aus der Straßenverkehrs-Ordnung nicht kennen und die Aussage „Radfahrer frei“ nicht grundsätzlich so interpretieren, dass sie nötigenfalls sogar halten und warten müssen. Deshalb wird empfohlen, die Aussage „Radfahrer frei – Fußgänger Vorrang“ als Zusatzzeichen auf entsprechenden Gehwegen zu verwenden.
Aber auch die Regelung „Gehweg“ mit Zeichen 239 StVO und Zusatzzeichen „Radfahrer frei – Fußgänger Vorrang“ muss in der Verwaltungsvorschrift und in den Regelwerken als Ausnahme deklariert und klar eingegrenzt sein, was bisher nicht der Fall ist. Darüber hinaus wird empfohlen, diese Regelung nur auf Probe einzurichten. Sind Konflikthäufungen oder Verdrängen des Fußverkehrs festzustellen, muss das Zusatzzeichen entfernt werden.
Die Anordnung eines „getrennten Rad- und Gehweges“ (Zeichen 241 StVO) „kommt nur in Betracht, wenn die Belange der Fußgänger ausreichend berücksichtigt sind und die Zuordnung der Verkehrsflächen zweifelsfrei erfolgen kann.“ (VwV 1.I. zu Zeichen 241 StVO). Die Regelung beinhaltet die Radwegebenutzungspflicht (VwV, §2, Abs. 4, Satz 2). Deshalb müssen hier, auch wenn das derzeit in den Regelwerken nicht näher ausgeführt wird, die Grundmaße für die Verkehrsräume eingehalten werden, d.h. bei weniger als ca. 4,35 Meter vorhandener Gesamtbreite sind die Verkehrsräume nicht richtliniengemäß unterzubringen und bei einer Breite unter 3,50 Metern darf auch nach der Verwaltungsvorschrift kein getrennter Rad- und Gehweg eingerichtet werden (vgl. 1.4 / Radwege auf Gehwegniveau).
Nach Auffassung des FUSS e.V. gibt es in städtischen Straßen kaum Einsatzgebiete für getrennte Rad- und Gehwege. Wird ein getrennter Rad-/Gehweg angelegt, so ist zumindest darauf zu achten, dass ein für Blinde tastbarer und für Sehbehinderte ausreichend kontraststarker Begrenzungsstreifen zwischen beiden Wegeteilen eingebaut wird (z. B. aus Kleinpflaster), um zu vermeiden, dass diese Menschen unbeabsichtigt auf den Radweg geraten.
In der Straßenverkehrs-Ordnung ist vorgeschrieben, dass Fahrzeuge „platzsparend" auf dem „rechten Seitenstreifen" bzw. am Fahrbahnrand parken müssen. Allerdings ist das Parken auf Flächen der Fahrbahn verboten, die für den Fußverkehr und die Sicherheit relevant sind, z.B. neben Haltestellen oder vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen zur Gewährleistung der notwendigen Sichtbeziehungen (StVO § 12). Diese Regeln gelten sinngemäß auch für Fahrräder; Gerichte haben wiederholt klargestellt, dass ein behinderndes oder belästigendes Fahrradparken auch das Entfernen des Rades gerechtfertigt (z.B. OVG Lüneburg, 11 LA 172/08).
Zu beachten ist, dass am Fahrbahnrand abgestellte Fahrräder z.B. durch Umfallen oder durch eine ungünstige Aufstellung eine Gefährdung bei der Querung der Fahrbahn darstellen können. Bei Dunkelheit dürfen Fahrräder generell nur auf Fahrbahnen abgestellt werden, wenn die Straße ununterbrochen beleuchtet ist, denn kein Fahrrad hat ein Standlicht, welches zum Betrieb über die gesamte Nacht geeignet ist (§17 Abs. 4 StVO). Wegen dieser Regelung wird allgemein davon ausgegangen, dass Räder auf Gehwegen abzustellen sind. Auch in der Rechtssprechung gilt es als „zulässiger Gemeingebrauch“. Durch die erfreuliche Zunahme des Radverkehrs, der damit nicht Schritt haltenden Einrichtung von Abstellanlagen, aber auch teilweise durch eine einreißende Bedenkenlosigkeit bei Radlern, kommt es an Publikumsschwerpunkten punktuell zu für Fußgänger nicht akzeptablen Zuständen. Da Gehwege auch von Mobilitätsbehinderten genutzt werden, ist das legale oder illegale Abstellen von Fahrrädern ein äußerst sensibles Thema. Selbst an der Hauswand abgestellte Fahrräder, die eventuell die meisten Fußgänger nicht stören, können für Sehbehinderte eine erhebliche Gefährdung darstellen.
Es ist vorwiegend die Aufgabe der Kommunen, Abstellflächen für Fahrräder zu schaffen, die nicht den Fußverkehr auf Gehwegen, an Fahrbahn-Querungsstellen und Haltestellenzugängen, sowie wartende Fußgänger behindern, sondern idealerweise sogar die Fußwegeführung unterstützen.
Dafür müssen in verdichteten Wohngebieten in regelmäßigen Abständen Parkstreifen am Fahrbahnrand auch für Fahrräder (und Motorräder) reserviert werden. An Stelle eines Autos können sechs bis acht Fahrräder parken. Kommunal- und ÖPNV-Planung (Nahverkehrspläne) sind gefordert, die teilweise an Bahnhöfen vorhandenen guten „Bike & Ride“-Lösungen auch an Busbahnhöfen, sonstigen Bus- sowie Straßenbahnhaltestellen zu verwirklichen und dafür zu sorgen, dass die von Fußgängern bevorzugten Verbindungswege freigehalten werden. Insbesondere in Gebieten mit hohem Radverkehrsaufkommen und an Verkehrsmagneten wie Bahnhöfen, U- und S-Bahnhaltestellen, Bildungs-, Kultur- und Gesundheitseinrichtungen, Verwaltungs- und Betriebs- und Einkaufszentren u.ä. sollten Kommunen für ausreichende in den öffentlichen Raum gut integrierte Fahrradabstellplätze sorgen. Dazu ist eine fachlich fundierte, bedarfsgerechte Stellplatzplanung für Radverkehr angezeigt.
Im Denken von Politikern, Planern, Polizei sowie Auto- und Radfahrenden müssen die Belange der Fußgänger und deren Erfahrungen verankert werden. In diesem Sinne müssen Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll mit Strategien und Maßnahmen für alle Beteiligten ersichtlich verknüpft werden.
Auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene muss anerkannt werden, dass das Verdrängen des Radverkehrs in Gehweg-Räume eine Fehlentwicklung war, die korrigiert werden muss. Aus der Fußverkehrsförderung ergeben sich positive Beiträge zum Klimaschutz, zur Stadt der kurzen Wege und zu den sozialen, demografischen sowie kulturellen Anliegen der Politik.
Nach Aussage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zählt der Umweltverbund aus nicht motorisierten Verkehrsträgern und öffentlichen Verkehrsmitteln in der Legislaturperiode 2009 ff. zu den wichtigen Handlungsfeldern. Darüber hinaus gibt es eine große Übereinstimmung mit den Zielen und Handlungsstrategien im „Stadtentwicklungsbericht 2008“ der Bundesregierung. In diesem wird auf bisher nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten des Verkehrsordnungs-, Unfallhaftungsrechts-, der effizienten Flächennutzung, der Verkehrstechnik und der Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen. Vergleichbare Aussagen befinden sich in der Regel auch in den Verkehrskonzepten der Länder und der Kommunen, so dass folgende Initiativen auf den genannten politischen Ebenen durch diese begründbar sind:
Die bisher geringfügigen Beachtung des Fußverkehrs auf Bundesebene bei einem derzeitigen Anteil von ca. 24% aller Wege macht einen „Masterplan Fußverkehr“ bzw. „Nationalen Fußverkehrsplan“ notwendig. Darüber hinaus muss das Konzept eines weitestgehend getrennten Wegeangebotes für den Fuß- und den Radverkehr in Städten und Dörfern an zentraler Stelle aufgenommen werden im „Masterplan Personenverkehr“ (vom Bundesverkehrsministerium Mitte 2009 angekündigt) oder in einem Konzept in Anlehnung an den „Aktionsplan urbane Mobilität“ der EU, sowie in der Fortschreibung des „Nationalen Radverkehrsplans“.
Länder und Kommunen müssen durch geeignete Finanzmittelzuweisungen in die Lage versetzt werden, entsprechende Maßnahmen systematisch zu ergreifen. Sie sollten aber nur dann unterstützt werden, wenn die geltenden Planungsgrundlagen eingehalten werden. Der Bund sollte auch Maßnahmen - zumindest solche mit Modellcharakter - für den ruhenden Radverkehr unterstützen.
Zur Sicherung des Radverkehrs auf den Fahrbahnen muss die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h mit Ausnahmeregelungen in Städten und Gemeinden eingeführt und die Benutzungspflicht für Radwege auf Gehwegniveau grundsätzlich aufgehoben werden. In die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) müssen die Ausschlusskriterien und die Mindestbreitenangaben zumindest für „beengte Verhältnisse“ aus den Planungsgrundlagen für gemeinsame und getrennte Geh- und Radwege aufgenommen werden. Das Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ sollte ergänzt werden mit „Fußgänger-Vorrang“, wobei auch diese Ausnahmeregelung durch Einsatzkriterien eingegrenzt werden muss.
Ergänzend sollte der Einsatz von Zeichen zur Geschwindigkeitssenkung auf 20 und 40 km/h an engen, gefährlichen oder randnutzungsintensiven Innerortsabschnitten von Bundes-, Landes-/Staats- und Kreisstraßen zum Zwecke der Rad- und Fußverkehrsförderung ermöglicht werden (Z. 274, Z. 274.1, Z. 352.1 bzw. stattdessen „Begegnungszone“).
Darüber hinaus ist die Umsetzung der unter 1.2 bis 1.6 genannten Optimierungsvorschläge zur VwV-StVO und StVO sowie eine bundesrechtliche Klarstellung zum Fahrradparken in Straßenräumen geboten.
Die Bundesländer sollen die Möglichkeiten nutzen, durch Einführungserlasse zu den technischen Planungsgrundlagen oder entsprechende Ausführungsvorschriften die kommunalen Spielräume für fuß- und radverkehrsgerechte Maßnahmen zu erweitern.
Durch Initiativen im Bund-Länder-Fachausschuss und im Bundesrat sollte versucht werden, die Rechte der Fußgänger auf ihren Verkehrsflächen zu stärken. Darüber hinaus sollten die Länder regionale oder kommunale Modellvorhaben und Öffentlichkeitsarbeit zur Imagestärkung des Fußverkehrs unterstützen, sowie erfolgreiche lokale Maßnahmen als Best-practice-Beispiele zur Förderung des Fußverkehrs sammeln, öffentlichkeitswirksam aufbereiten und verbreiten.
Politik und Verwaltungen in Städten und Gemeinden tragen die Hauptlast des Paradigmenwechsels. Als Zuständige vor Ort sind sie maßgebliche Gestalter und zugleich Prellbock für die Unzufriedenheit der Verkehrsteilnehmer/innen. Da sie auf zielgerichtete Rahmensetzung durch Bund und Länder angewiesen sind, sollten sie im Sinne verbesserter Planungsgrundlagen, Rechtsvorschriften und Finanzierungsmodalitäten über die kommunalen Spitzenverbände aktiv Einfluss nehmen und Unterstützungen durch Bund und Länder einfordern.
Der Fußverkehr bedarf innerorts kontinuierlich einer eigenen differenzierten Analyse und Planung, sollte also bei Verkehrsplanungen, Gutachten und Verkehrsentwicklungskonzepten zunächst als eigenständige Verkehrsart betrachtet und erst in einem zweiten Schritt in Vernetzung mit den anderen Verkehrsarten behandelt werden. Dabei müssen Fußverkehrszählungen, Unfalldaten und qualitative Analysen ortsgenau in Gutachten und Planungen ein realitätsnahes Gewicht erhalten. Für diese Ansprüche sind eine regelmäßige Mitarbeiterschulung im Sinne einer fußgängerfreundlicheren Kommune und die Zusammenlegung der Zuständigkeit für Fußverkehrsbelange in einer Verwaltungsstelle wesentliche Voraussetzungen.
Zur Sicherung des Radfahrens auf Fahrbahnen ist bis zur Verkehrszeichen sparenden allgemeinen Einführung von Tempo 30 innerhalb geschlossener Ortschaften (§3(3)1. StVO) erforderlich: Anordnung dieser oder einer geringeren zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder von Radfahr-/ Schutzstreifen (Standardlösung an gefährlichen Straßenabschnitten). Bestehende Verkehrszeichenanordnungen zur Verlegung von Radverkehr in Gehweg-Räume, gemeinsame und getrennte Rad- und Gehwege sind zu überprüfen und nach Möglichkeit zu entfernen. Für den ruhenden Verkehr ist die Planung und Einrichtung von Fahrradabstellanlagen allgemein in Stadtstraßen mit hoher Bebauungsdichte und besonders an Bedarfsschwerpunkten notwendig.
Darüber hinaus sollten die Kommunen alle Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit nutzen, um Autofahrern und Autofahrerinnen zu erklären, dass und warum Radverkehr ebenfalls auf die Fahrbahn gehört. Radfahrer/innen sollte verdeutlicht werden, warum das Fahren auf Fußverkehrsflächen nicht erlaubt ist und dass Radfahrende auf Gehwegen nicht an der Vorfahrt teilnehmen, gefährdet sind und im Schadensfall (Teil)Schuld zugesprochen bekommen. Bei dieser Aufklärung sollten die Kommunen Interessenvertreter der anzusprechenden Zielgruppen und die der Fußgänger mit einbeziehen. Hilfreich dafür sind Modellvorhaben und Initiativen, die praktisch zeigen, wie das Verkehrsklima zwischen Fußgängern und Radfahrern verbessert werden kann. Im übrigen ist die Umsetzung der unter 1.2 bis 1.8 genannten Maßnahmen-Vorschläge geboten.
Ziel muss es sein, die weit verbreitete Ansicht von Autofahrer/innen zu ändern, dass Radfahrende auf der Fahrbahn nichts zu suchen haben und die Gehwege benutzen sollen.
Fahrschulen und Fahr-Prüfungen müssen deutlich ins Bewusstsein der zukünftigen Kraftfahrer/ innen bringen, dass Fahrzeugverkehr auf die Fahrbahnen gehört, und dass der Fahrradverkehr dort somit zu Recht Platz beansprucht, wenn keine ausreichend geeigneten Pflicht-Radwege (z.B. Zeichen 237 StVO) angeordnet sind.
Autofahrer/innen können häufig nicht erkennen, ob in der Straße außerhalb der Fahrbahn Radwege vorhanden bzw. benutzbar sind und die Benutzung den Radfahrenden lediglich freigestellt ist (Zusatzzeichen „Radfahrer frei“). Deshalb sollten sie grundsätzlich ihr Verkehrsverhalten darauf einstellen, mit Radlern auf der Fahrbahn zu rechnen und diese zu akzeptieren.
Der Einsatz von Schall- und Lichtzeichen oder entsprechender Gestik, das Ab- und Bedrängen von Radfahrenden, um diese darauf aufmerksam zu machen, dass sie den Fahrstreifen verlassen sollen, erfüllt oft den Straftatbestand der Verkehrsgefährdung und Nötigung (§16(1) StVO/ § 240 StGB). Sie sollten wie alle gefährlichen Verkehrsvergehen im Rahmen der Rechtsnormen geahndet werden.
Ziel muss es sein, die bei Radler/innen teilweise vorhandene Konditionierung zur „selbstverständlichen" Mitnutzung von Gehwegen aufzuheben.
Laut einer Studie im Auftrag der Bundesanstalt für das Straßenwesen wissen 40% der Radfahrenden überhaupt nicht, dass sie auf Gehwegen nicht fahren dürfen (BASt-Bericht V 184, 2009). Radfahrende haben keine Fahrrad-Fahrschule absolviert und häufig auch keinen Führerschein für Kraftfahrzeuge. Bestenfalls erhielten sie Verkehrsunterricht in der Schule und lernten dort in einem Alter von unter 10 Jahren, dass sie den Gehweg benutzen müssen oder dürfen.
Deshalb muss durch Kampagnen vermittelt werden, dass die Gehwegnutzung für Jugendliche und Erwachsene verboten ist und dass es nicht nur rücksichtsvoll gegenüber Fußgänger/innen ist, wenn sie auf der Fahrbahn radeln. Sie kommen dort in der Regel zügiger voran und fahren über Kreuzungen und Einmündungen sicherer als auf schlechten Radwegführungen bzw. Gehwegen, weil sie insbesondere von den abbiegenden Autofahrenden frühzeitiger gesehen werden können. Die Information sollte durch Übungsangebote, Radlerkurse usw. mit gezieltem Fahrbahnradeln erfahrbar gemacht werden (z.B. schulische Mobilitätstrainigsprogramme für die Mittelstufe – verkehrsmittelübergreifend integriert, Volkshochschulkurse, Dorf- bzw. Stadtteilrunden, Ausflüge).
Darüber hinaus müssen Radler/innen für die Probleme sensibilisiert werden, die andere Verkehrsteilnehmer/innen durch behindernd abgestellte Fahrräder bekommen.
Durch Öffentlichkeitsarbeit von Kommunen und Medien kann vermittelt werden, dass, wie und wo rücksichtsvolles Parken von Rädern zielnah und für Fußverkehr verträglich möglich ist. Hier sind Faltblätter, Medienkampagnen und Kooperationen mit Einzelhandel, Verkehrs- und Umweltverbänden, Vereinen, Schulen, Stadtteilinitiativen und dem ÖPNV oder kleine Wettbewerbe „Vorbildliches Fahrradparken“ zu empfehlen.
In der Sicherheitsforschung gelten nach der sogenannten „3-E-Formel“ (engineering-enforcement-education) folgende Prioritäten zur Gefährdungsverminderung:
Es ist also kein böswilliges Rufen nach Polizei und Überwachung, sondern eine Selbstverständlichkeit, dass Regeln zum Wohl der Allgemeinheit bzw. Schutz der „Schwächeren“ / besonders Verletzlichen auch durchgesetzt werden müssen. In seiner Begründung für die Veränderung des Bußgeldkataloges 2009 erläuterte das Bundesverkehrsministerium unmissverständlich: „Um zu einer effektiveren Wirkung der Durchsetzungsmaßnahmen zu gelangen, stehen zwei Ansatzpunkte zur Verfügung. Es sind dies die Intensität der Verkehrsüberwachung und die Wirksamkeit der Sanktionen, wobei letztere maßgeblich von ihrer Höhe abhängt.“
In Verbindung mit Öffentlichkeitsarbeit sollten die Polizei oder andere Ordnungskräfte zumindest an häufig benutzten Gehwegabschnitten illegale Gehwegnutzungen durch Radverkehr kontrollieren, dort Radfahrende informieren und bei Uneinsichtigkeit mit den im Bußgeldkatalog vorgesehenen Mitteln auch sanktionieren.
Der FUSS e.V. stellt hiermit seine Position zum Konfliktthema „Radfahren auf Gehwegen" in Ortschaften zur Diskussion und wünscht sich Anregungen und Bedenken. Die Situation des Radfahrens in Fußgängerzonen ist eine andere und wurde deshalb an dieser Stelle bewusst nicht mit aufgenommen. Inner- und außerörtliche Freizeitwege werden in unseren “Empfehlungen: Spazierwege und Fahrradnutzung” behandelt. Auf der Website www.geh-recht.info finden Sie weitere Informationen über verkehrsrechtliche Aspekte, aktuelle Planungsgrundlagen und Fußverkehrsanlagen, sowie eine Übersicht über alle geltenden fußverkehrsrelevanten Planungsgrundlagen.
Verfasser dieser Empfehlungen waren Reinhard Nake, Stefan Lieb und Bernd Herzog-Schlagk, in Abstimmung mit den Mitgliedern des FUSS e.V. Bundesvorstandes Manfred Bernard, Arne Blase, Roland Hasenstab, Bernd E. Jürgens-Samm, Karl-Heinz Ludewig, Norbert Paul, Sylke Petry, Arndt Schwab und Ekkehard Westphal.
Der FUSS e.V. stellt hiermit Kriterien für die Freigabe des Radfahrens auf Spazierwegen und in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen zur Diskussion und wünscht sich Anregungen und Bedenken.
Vorangestellt sei, dass sich der FUSS e.V. seit seiner Gründung im Jahr 1985 vehement für die Förderung des Umweltverbundes (Gehen, Radfahren, Bus- und Bahnbenutzung) im Alltags- und Freizeitverkehr einsetzt. Dabei kann aber nicht außer acht gelassen werden, dass es bei gemeinsamer Wegenutzung zwischen z.B. schnelleren Radfahrern und Familien mit kleineren Kindern zu erheblichen Beeinträchtigungen des Erholungswertes, Konflikten oder gar Gefährdungen insbesondere für letztere kommen kann. Dies festzustellen, hat mit „Fahrradfeindlichkeit“ nicht im mindesten zu tun, sondern muss ganz im Gegenteil auch elementarer Bestandteil einer Fahrradförderung sein.
Erholung suchende Fußgänger, Familien mit herumtollenden Kindern, gedankenverlorene Flaneure, langsam laufende Senioren, herumalbernde Jugendliche und Mobilitätsbehinderte, die ansonsten viele Dinge gleichzeitig beachten müssen; sie alle haben ein Recht, sich wenigstens auf Spazierwegen unbeschwert und auch unachtsam bewegen zu können. Die Genussfähigkeit des Gehens als unbeschwerte und auch subjektiv sichere Fortbewegung ist mit Kommunikation, Stehenbleiben, plötzlichen Änderungen der Laufrichtung und auch Spiel verknüpft. Hier geht es um städtische Lebensqualität, Sozialpolitik (Familienfreundlichkeit, Berücksichtigung Mobilitätsbehinderter), sowie um Gesundheit und Verkehrssicherheit. Die Geschwindigkeitsunterschiede von Fußgängern (flott gehend ca. 4 km/h) und Radfahrern (durchschnittlich ca. 14 km/h) sind erheblich und können zu Unfällen mit schweren Verletzungen führen. Deshalb kann es nicht hingenommen werden, wenn Städte und Gemeinden mit einer ansonsten begrüßenswerten Politik der Fahrradförderung vom bisherigen strikten Verbot des Radfahrens in Grünanlagen über die seit Jahren übliche Duldung auf eine allgemeine Freigabe des Radfahrens auf allen Spazierwegen hinsteuern.
Selbstverständlich sind auch Radfahrer relativ umwegempfindlich. Es ist ihnen aus Verkehrssicherheits- und Komfortgründen nicht zuzumuten, weite Umwege auf straßenbegleitenden Wegen zurückzulegen, wenn es eine kürzere Verbindung z.B. auf einem Parkweg gibt. Nur muss dann der Preis für diese attraktivere Wegeführung z.B. sein, dass Radfahrende langsamer fahren und auf Fußgänger Rücksicht nehmen, sowie gegebenenfalls absteigen und schieben anstatt sich den Weg frei zu klingeln.
Entscheidend für das gewünschte Verhalten miteinander muss der Schutz der Menschen sein. Der im üblichen Straßenverkehr herrschende Vorrang durch eine höhere PS-Zahl (Stärke) und einer höheren Geschwindigkeit darf sich nicht auch noch im Freizeitverkehr durchsetzen. Häufig wird gerade dann vor „Überregulierungen“ gewarnt, wenn es um den Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer geht. Das ist unverständlich, denn das umfangreiche Regulierungswerk Straßenverkehrs-Ordnung StVO ist in weiten Teilen nur deshalb erforderlich, weil es schnelle Fahrzeuge gibt.
Für den Fußverkehr gab es dreißig Jahre lang in Deutschland keine der Entwicklung des Straßenverkehrs angepasste Baurichtlinien. Erst Ende 2002 wurden die „Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA 2002“ eingeführt, in denen festgelegt wurde, dass die Angaben zur Gehwegführung und den erforderlichen Gehwegbreiten sinngemäß auch auf Freizeitwege anzuwenden sind. Gemeinsame Fuß- und Radwege kommen nach dem geltenden Regelwerk nur in Ausnahmefällen (EFA, 3.1.2.5) in Betracht, bei geringem Fußgänger- und Radverkehr (EAE, 5.2.1.3) und wenn eine gegenseitige Gefährdung nicht zu befürchten ist (EAHV, 4.2.4.5).
Ob das Radfahren auf einem Weg in einer Grünanlage freigegeben wird und wie dieser beschaffen sein soll, ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Ein dichtes Netz gut zu befahrender Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn für den schnellen und den alltäglichen Fahrradverkehr ist zum einen Voraussetzung für eine Förderung des Radverkehrs, zum anderen ist es Voraussetzung für ungestörtes von Flanieren auf Spazierwegen und in Grünanlagen. Daher muss auch außerhalb von Grünanlagen ein attraktives Radverkehrsnetz bereitgestellt werden.
Grünanlagen sind interessant für ein eher beschauliches Radfahren und ein solches ist Voraussetzung dafür, dass sich ein weitgehend konfliktfreies Miteinander einstellt, bei dem die Radfahrer ihr Verhalten der Fußgängerdichte anpassen. Viele Radler aber haben bei bestimmten Fahrten den berechtigten Anspruch, möglichst zügig von einem Punkt zu einem anderen in der Stadt zu gelangen. Dafür aber benötigen sie eigene Wege und entsprechende Wegebeläge.
Beim notwendigen Abwägungsprozess müssen die örtlichen Gegebenheiten einbezogen werden, insbesondere
In Abhängigkeit von der Größe der Grünanlage und den Radverkehrsbedingungen im Straßennetz der Umgebung ist zu entscheiden, ob ein Durchfahren für den Radverkehr überhaupt notwendig ist bzw. ob Störungen der Zufußgehenden in dem Park durch Radverkehr bei Freigabe zu erwarten sind. Gibt es parallele Straßen für den Radverkehr, die die Möglichkeit der einfachen Umfahrung ohne große Umwege bieten, so sind Grünanlagen nicht grundsätzlich freizugeben.
Vor einer Freigabe für den Radverkehr muss darüber hinaus grundsätzlich geprüft werden,
Je nach Fußgängerdichte und Radverkehrsaufkommen sind entsprechende Wegebreiten notwendig. Zur Orientierung werden als Mindeststandards die Angaben aus den Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen EFA 2002 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV herangezogen, welche sich allerdings auf den zielgerichteten Fußgänger-Stadtverkehr beziehen. Für weitergehende Nutzungen wie z.B. das Ansehen von Schaufenstern sind in der EFA 2002 Breiten-Zuschläge vorgesehen. Die Grundmaße sind somit für das Gehverhalten im Freizeitbereich eigentlich zu knapp bemessen, hier wird also ein hohes Maß gegenseitiger Rücksichtnahme vorausgesetzt:
Eine Mischnutzung ist vertretbar bei einer Wegebreite von mindestens 2,50 Metern, wenn es sich nicht eindeutig um eine schnellbefahrene Radlerdurchgangsstrecke mit z.B. einem hohen Anteil spazierengehender Familien mit Kleinkindern handelt. Fußgänger haben Vorrang. Dies sollte auch deutlich gemacht werden, z.B. durch Beschilderung wenigstens in Park-Eingangsbereichen.
Eine Mischnutzung kann selbst bei einer Wegebreite von 4,00 Metern problematisch werden, wenn es einen auffälligen Anteil relativ schnellen Radverkehrs gibt. Ein separater Fahrbereich für den Radfahrer durch einfaches Kenntlichmachen mittels Markierung, Farbgebung oder Oberfächenbelag (Wege für den Radverkehr benötigen ein Mindestmaß an Befestigung) kann helfen, die Konflikte zu vermindern. Das muss aber nicht funktionieren. Kleinere Kindern sind nicht mit einem Überschreitungsverbot zu disziplinieren, das mit einer weißen Linie dargestellt wird. Wenn beide Bedürfnisse (zügiges Radfahren und Familienausflug zu Fuß) zeitgleich auftreten, kann es durch die eigene Radspur mit Vorranganspruch zu noch mehr Konflikten kommen. Die Breite des Fahrbereichs für Zweirichtungsverkehr muss mindestens 2,40 Meter betragen, die Breite des Fußgängerbereichs mind. 2,00 - 2,50 Meter. Fußgänger haben auf beiden Streifen Vorrang - dies muss deutlich gemacht werden (z.B. durch Beschilderung).
In der Regel ist die Einrichtung eines Sonderweges für Radfahrer mit Beschilderung und Gestaltung des Fahrbereichs als Radverkehrsanlage angemessen. Günstig ist eine Trennung vom Fußgängerbereich durch einen Grünstreifen. Breite des Fahrbereichs für Zweirichtungsverkehr: mindestens 2,40 Meter, Breite des Fußgängerbereichs mindestens 2,50 Meter.
Folgende Hinweise sind zudem bei einer gemeinsamen Wegeführung für Radler und Spaziergänger bzw. Wanderer zu beachten:
Auf jeden Fall sollte nach jeder Freigabe des Radfahrens auf bisherigen Fußwegen ermittelt werden,
Bei einem Verdrängungseffekt oder bei Konflikt-Häufungen sollte die Rücknahme der Entscheidung ebenso geprüft werden wie die Frage, wie beiden Nutzergruppen andere attraktive Wege angeboten werden können.
Die Mitarbeiter von FUSS e.V. sind: Arne Blase (Bonn), Eva-Maria Epple (Berlin), Georg Giersch (Halle), Detlev Gündel (Hannover), Roland Hasenstab (Kassel), Bernd Herzog-Schlagk (Berlin), Karl-Heinz Ludewig (Berlin), Norbert Paul (Dortmund), Hanna Schlagk (Potsdam), Arndt Schwab (Koblenz), Ekkehard Westphal (Halle) und Rainer Widmann (Wuppertal) in Abstimmung mit dem FUSS e.V. Bundesvorstand.
Diskussionsstand: März 2005, letzte Änderungen 27.11.2009
Ich erlaube mir eine persönlichere und möglicherweise etwas provokante Betrachtung eines Vielgehers und -radlers (2) zu einem Aspekt des Umweltverbundes, den man offensichtlich in diesem und jenem Kreise nur ungern anspricht.
Sie hat mit dem Fahren mittels Pedaltreten durch die Füße und die Beine und durch Lenken mit Händen und Armen nur insofern etwas zu tun, dass das Gehen und das Radfahren beides über den kompliziertesten und weiß Gott leider nicht umweltfreundlichsten aller Energieträger geschieht, dem Essen von sogenannten Lebensmitteln.
Ich will das hier nicht auf die Spitze treiben, aber dies stupide Treten auf dem Fahrrad, wobei sich rein mathematisch betrachtet die Füße immer in gleicher Entfernung zum Ort aller Örter befinden, sieht allenfalls wie die verkrüppelte Form des Gehens aus. Die Haltung des Oberkörpers entzieht sich einem Vergleich.
Geher und Radfahrer aber werden in der Verkehrspolitik und Planung, selbst von gehfreudigen Fachleuten in der Regel in einem Atemzug genannt. Das ist verwerflich. Es ist der gleiche Unsinn, als wenn man sagen würde: Alle Menschen und selbst die Landtiere sind gleich, weil sie sich alle durch Atmen am Leben erhalten. Dennoch ist diese Gleichmacherei eher ein zunehmender Trend.
Es ist keine zufällige Entwicklung, auch Verkehrspolitik wird gemacht. Sie nutzt denen, die beim Fahren noch nicht einmal mit ihren Füßen eine Kreisbewegung vollziehen, sondern nur noch eine Fußspitze auf ein Stückchen Kreissegment bewegen.
Damit lässt sich jede auf eine so banale Grundlage wie das Essen beruhende Mobilität bestens ausgrenzen. Hier sind wir, die sich mittels wertvollerer Energien fortbewegen. Ein wahnsinniges Gefühl, sich auf einer von allen Steuerzahlern finanzierten Rollbahn zu bewegen und dabei das Gold der Erde verbrauchen zu dürfen. Da ist das „Fressen“ geradezu als tierisch zu bezeichnen. Also auf die Geh- und Radwege, möglichst auf die „gemeinsamen“, all Ihr, die Ihr es nicht besser haben wollt.
Das Wichtigste zur Förderung des Fußverkehrs ist nicht seine Integration in dem sagenumwobenen Umweltverbund, mit seinen oft auf das Auto schielenden Zweiradrasern und seinem notleidenden „ÖPNV“. Das Allerwichtigste ist erst einmal, den wackligen Fußgänger so zu akzeptieren, wie er ist und den Fußverkehr vom Rad zu befreien. Integration können wir hinterher haben. Integration heißt, die „Wiederherstellung eines Ganzen“ (lat.). Ja sind uns denn irgendwann einmal die Speichen aus unseren Rippen geschnitten worden?
bereits das Ganze.
Was denn noch?
Das betrifft nicht nur das Fahrrad. Eine Straßenbahn mag ja Nostalgiker und moderne Technikbegeisterte gleichermaßen erfreuen, ein Verkehrsmittel ist es dennoch erst dann, wenn wir als Fußgänger da einsteigen. Was für eine Macht, fällt mir gerade auf, liegt in diesem Tun. Aber zurück zum roten Faden: Fährt die Straßenbahn nicht, das kann jeder bestätigen, dann geht man trotzdem weiter und fällt keineswegs in sich zusammen.
Es gibt nicht zufällig Liebeslieder im Zusammenhang mit der verpassten letzten Straßenbahn, die zeigen, welches Potenzial gerade in der Nichtbeförderung liegt. Dann geht man eben wieder zurück zur Wohnung des Partners oder der Partnerin und da zeigt sich, dass selbst das „zurückgehen“ ein Fortschritt sein kann.
Jeder, der in diesem Bereich arbeitet oder sich dafür interessiert, weiß, dass die sogenannte „Straßenverkehrs-Ordnung StVO“ ein Regelwerk für rollende Menschen ist und in den letzten Jahren immer stärker darauf ausgerichtet wurde, die „gemeinsamen Geh- und Radwege“-Fragmente dem Autoverkehrs-Netz entgegenzustellen. Die Verwaltungsvorschriften verfestigen das in einer für Laien kaum noch lesbaren Form. Für Menschen mit etwas hintergründigem Humor möchte ich allerdings schon auch darauf hinweisen, dass die in unserer Gesellschaft ansonsten verdammte Anarchie sich in diesem Regelwerk heimlich weiterentwickeln durfte. Das hat auch seinen Charme.
Und bitte, wie sieht es in den Richtlinien und Empfehlungen im Straßenverkehrsbereich aus? Selbst die von uns zu Recht gelobte neue Generation von Empfehlungen sprechen an dieser Stelle die gleiche Sprache: „gemeinsam“.
Und die Forschung? Innerhalb des Promille-Bereiches im Umweltverbund läuft und fährt es immer darauf hinaus, wie der „Fuß- und Radverkehr“ gefördert werden kann. Selbst beim Projekt „Fuß- und Fahrradfreundliche Stadt“ des Umweltbundesamtes ist der Fußgänger-Anteil letztlich gering ausfallen, weil man beides haben wollte und man in den beteiligten Städten noch nicht fähig dazu war, über die gravierenden Unterschiede zu reden.
Quatsch. Wenn ein Enkelkind mit der kranken Oma zum Arzt geht, dann geht es so langsam, wie die gehbehinderte Frau. Das Enkelkind ist „schwächer“ geworden. Das ist nur kurzzeitig, es kann ja nachher wieder losrennen. So ist es aber nicht zwischen den Radfahrern und den Fußgängern. Der Radfahrer passt sich überhaupt nicht an, wieso auch, dann könnte er ja auch laufen.
Wir sind gar nicht gemeinsam stark, sondern die Geher bleiben so schwach wie vorher, die Radfahrer geben nichts ab. Sie werden gar noch behindert durch Mensch und Tier, die mitunter durch Leinen verbunden sind.
Das gleiche Problem gibt es übrigens auch beim Wandern. Früher war es beim Wort „Wandern“ klar, dass es eine Fortbewegung zu Fuß ist. Dann kam das „Radwandern“ dazu und heute kommt beim Thema „Wanderwege“ schnell mal die Nachfrage: „Ach sie meinen jetzt Wege, direkt für Leute zu Fuß?“. Während sich die Wandervereine darüber streiten, wie ein richtiger Wanderweg auszusehen hat, ist er längst zum Radfernwanderweg erklärt worden. Wie man beim Straßenneubau mitunter den ehemals kreuzenden Fußweg als Tunnel unterirdisch durchschob oder auch einfach nur vergaß, so geht es heute darum, dem Radweg aus dem Wege zu gehen.
Ist das normal?
Leider ja, doch wie soll es weiter gehen?
Ich bleibe dabei:
Erst die Emanzipation und dann eine Symbiose (3) eingehen.
Dieser Beitrag von Bernd Herzog-Schlagk erschien in der Dokumentation: Fußverkehr im Umweltverbund – 30 Beiträge vom 1. FUSS-Botschaftertreffen am 12.10.2001 in Berlin, FUSS e.V. (Hrsg.), Berlin 2002
Die Veröffentlichung „Fußverkehr im Umweltverbund“ ist bei uns für 10,00 Euro zzgl. Porto zu beziehen. Sie können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr-Allgemein bestellen.
Im Zusammenhang mit den bundesweiten Bemühungen zur Förderung des Fahrradverkehrs steht die Freigabe aller Wege in öffentlichen Grünanlagen auf der Agenda von Fahrradinitiativen und Verbänden, aber auch von kommunalen Planern und Politikern. FUSS e.V. hat sich mehrfach für die Zulassung des Radfahrens in Grünanlagen eingesetzt, hält aber eine entsprechende Gesetzesänderung für unsinnig und nicht im Sinne der Erholungssuchenden. Dies soll am Beispiel Berlin aufgezeigt werden.
Obwohl die Grünanlagenregelungen kommunal unterschiedlich sein können, dienen Grünflächen grundsätzlich der Erholung der Bevölkerung und sind in der Regel mit Ausnahme von Krankenfahrstühlen nicht zu befahren. Radfahren und andere Nutzungen können auf besonders ausgewiesenen Wegen und Flächen zugelassen werden. Durch das Berliner Grünanlagengesetz aus dem Jahre 1997 sind die Bezirke sogar „verpflichtet, Flächen für entsprechende Nutzungen (auch zum Radfahren) in angemessenem Umfang auszuweisen“, was in den letzten Jahren auch in einem zunehmenden Maße geschah.
Dennoch kämpft in der Hauptstadt die Regierungskoalition des Bundeslandes seit Monaten an diesem Punkt gegeneinander: Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus (Landtag) vertritt vehement den Standpunkt, dass das Grünanlagengesetz in seiner Aussage zum Radfahren umgekehrt werden muss; die LINKE unterstützt die Grünflächenämter der Bezirke, die Schlosspark-Verwaltung und die Fußgänger-, Flaneure- und Stadtpark-Inittiativen, die das Grünanlagengesetz im Kern - keine Verkehrsflächen - erhalten wollen.
Auch in der entsprechenden Senatsverwaltung ist man sich in Sachen Grünanlagengesetz nicht grün: Auf der einen Seite stehen der Radverkehrsbeauftragte, der in Berlin - ein Kuriosum - gleichzeitig der Vorsitzende des ADFC und damit Lobbyist ist, und die Verkehrsabteilungen. Auf der anderen Seite steht die gegen die Verkehrsabteilung recht bescheiden aussehende Grünplanungs-Abteilung.
Leider geht der Riss auch quer durch die Verbände und kostete den Aktiven in den letzten Monaten teilweise enorme Zeit und Schaffenskraft.
Die SPD-Fraktion hat einen recht kurzen Antrag zur Änderung des Gesetzes eingebracht, in dem bei der Aufzählung besonders zuzulassenden Nutzungen das Wort „Rad-“ gestrichen werden soll. Damit müssten „Skateboardfahren, Ballspielen, Baden, Bootfahren, Reiten und Grillen“ weiterhin auf Flächen gesondert zugelassen werden, Radfahrerinnen und Radfahrer wären dagegen per se „Erholungssuchende“, egal, ob sie gerade als radfahrende Familie auf dem Weg zu einem Liegeplatz sind oder mit Tempo die Grünanlage als sichere oder kürzere Verbindung eines Alltagsweges benutzen.
Interessant ist der Absatz, der nach dem Entwurf neu eingefügt werden soll: „Die zuständigen Behörden sollen durch Anbringen von gut sichtbaren Verbotsschildern das Radfahren auf Wegen in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagen, soweit insbesondere auf Grund einer nicht ausreichenden Wegebreite, oder der Beschaffenheit und Lage, oder aus sonstigen Gründen, die sich aus der besonderen Örtlichkeit, Gestaltung oder Nutzung der Anlage ergeben, das Radfahren zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Anlage oder Teilen davon oder zu einer erheblichen Gefährdung anderer Anlagenbesucher führt.“
Das ist nicht zufällig eine Formulierung, wie man sie aus der Straßenverkehrs-Ordnung kennt. §1(2) der StVO: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ In Berlin soll, zur Förderung des Radverkehrs, der §1(2) als eine „Errungenschaft“ der StVO in Erholungsflächen aufgehoben werden. Wenn man davon ausgeht, dass die Wege in Grünanlagen so beschaffen sein müssen, dass das „Unvermeidbare“ vermieden werden kann (z.B. durch Absteigen und Schieben), müssen Radfahrer schon die Anlagen „nachhaltig“ ungünstig beeinflussen und, was völlig unverständlich ist, sie müssen die Spaziergänger „erheblich gefährden“. Das wäre ein schlechterer rechtlicher Status für Fußgänger in Grünanlagen als in den Stadtstraßen nach der StVO. Ein mit der Zielvorstellung, den Umweltverbund fördern zu wollen, kaum zu vereinbarendes Signal.
Mit dieser Gesetzesänderung würde also das Prüfungsverfahren umgekehrt ablaufen. Es müssten voraussichtlich mehr Verbotsschilder aufgestellt werden als derzeit Erlaubnisschilder vorhanden sind. Die Bezirke, so z.B. auch die Leiterin des Grünflächenamtes Spandau, Elke Hube, weisen daraufhin, dass „im Gegensatz zu den Gebotsschildern, Radfahr-Verbotsschilder in der Regel sehr schnell beschädigt oder zerstört werden.“
Die Befürworter der Gesetzesänderung betonen, dass Radfahrerinnen und Radfahrer von sich aus auf die Benutzung kleinerer Wege und Pfade in Grünanlagen verzichten werden. Das ist unsinnig, weil Radfahrer wie auch die Fußgänger bei Alltagswegen in der Regel die kürzesten Verbindungen bevorzugen.
Die beiden Verbände FUSS e.V.-Berlin und Per Pedes e.V. haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die bestehende Gesetzeslage den Bezirken erlaubt, geeignete Wege in Grünanlagen für den Fahrradverkehr freizugeben. Die Bezirke haben das Radfahren nach sorgfältiger Einzelfallprüfung in sehr vielen Fällen ermöglicht, halten aber zahlreiche Wege für ungeeignet. Mitunter sind auch kleinere Parkanlagen generell für den Radverkehr freigegeben worden, weil das Miteinander dort funktionieren könnte.
Dieses Vorgehen entspricht der Koalitionsvereinbarung des Senats, dass Radfahren „auf geeigneten breiten Wegen erlaubt“ werden soll. Der Berliner Fahrradbeauftragte hat bisher keine Liste der Wege vorgelegt, über deren Freigabe für den Fahrradverkehr vor Ort unter Einbeziehung der Bürger und der Betroffenenverbände zukünftig diskutiert werden sollte.
Die Fußgängerlobby hält das Radfahren in Grünanlagen - obwohl man das in den Medien gerne anders darstellen würde - auf ausgewiesenen Wegen durchaus für sinnvoll, wenn die Wegequalität dies zulässt und für den Radverkehr nur gefährliche oder unzumutbare Alternativen zur Verfügung stehen. Die von der SPD vorgeschlagene Gesetzesänderung würde die Diskussion über „Rüpel-Radler“ eher anheizen. Das aber ist eine kontraproduktive Vorgehensweise, weil damit die Verkehrsteilnehmer des Umweltverbundes gegeneinander ausgespielt werden, anstatt sich gemeinsam für bessere Verkehrsbedingungen für Fußgänger, Radfahrer und den öffentlichen Verkehr in der Stadt einzusetzen.
Nachdem Gehwege und Fußgängerzonen in den Städten Deutschlands zu Mehrzweckstreifen für alle möglichen gehenden und fahrenden Verkehrsteilnehmer umgewidmet wurden und die bundesweite Zulassung sogar von Motorfahrzeugen unmittelbar bevorsteht, bleiben den Menschen zur sicheren und unbekümmerten Bewegung und als Rückzugs- und Erholungsfläche nur noch die Grünanlagen. Mit der generellen Freigabe des Radfahrens gäbe es bald kaum noch innerstädtische Flächen, auf denen Menschen einfach ungestört die Natur genießen können, keine kontinuierliche Aufmerksamkeit notwendig ist und auch Kinder nicht ständig beobachtet werden müssen.
Wenn die Berliner über den Tellerrand sehen wollen, sollten sie sich nicht an die Provinzposse in Potsdam orientieren: Als der in Begleitung seiner frei laufenden Hunde radelnde Modeschöpfer Wolfgang Joop im Weltkulturerbe-Park Sanssouci von einem Parkwächter zur Rede gestellt wurde, erstattete er gegen ihn Anzeige. Das Vergehen des Parkwächters brachte auch seinen Prominentenkollegen in Rage, der Chefredakteur des Magazins „Cicero“ Wolfram Weimer forderte „Freiheit für die Parks“. Und so weiter... die Story läuft zur Zeit noch (Tagesspiegel 24.1.2008).
In der Schweiz, die auch in anderen Mobilitäts-Themen eine Nasenlänge voraus ist, setzten sich die Verbände „Pro Velo Schweiz“ und „Fussverkehr Schweiz“ zusammen und brachten u.a. zu Papier, was für Benutzer von Grünanlagen verträglich ist: „Park- und Grünanlagen dienen der Erholung. Velofahrende werden hier vielfach als Störung empfunden. Insbesondere Kinder sollten ungestört spielen können, weshalb eine Freigabe für Velos eher zu vermeiden ist... Als Durchgangsroute sind Park- und Grünanlagen nur geeignet, wenn der Veloverkehr konfliktfrei auf breiten oder eingegrenzten Flächen verkehren kann. Gegebenenfalls müssen Velofahrende absteigen und das Velo schieben.“
Bei der Förderung des Radverkehrs schießen Städte wie z. B. Berlin mitunter übers Ziel hinaus und verlieren dabei die Maßstäbe aus dem Auge. Die Radförderung sollte in Deutschland konsequent vorangetrieben werden als ein wesentlicher Baustein der Förderung des Umweltverbundes. Signale, dass die Umsetzung auch bei einem Nachteil für Fußgänger durchgesetzt wird, sollten zum Wohle aller Teilnehmer einer nachhaltigen Mobilität mit Augenmerk vermieden werden.
Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2008, erschienen.
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