Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 52/2007

Ausgangslage

Maßnahmen zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs, die eine gemeinsame Nutzung von Verkehrsflächen durch Fußgänger und Radfahrer mit sich bringen, können zu Konflikten zwischen beiden Verkehrsteilnehmergruppen führen. Solche Konflikte sind in innerstädtischen Bereichen nicht selten. Sie treten auch schnell dort auf, wo neue Anlagen für den Fuß- oder Fahrradverkehr nicht zu Lasten der Flächen des motorisierten Verkehrs eingerichtet werden. Auch ältere Menschen erwähnen in Befragungen zuweilen als „Verkehrsprobleme“ die zunehmende Beanspruchung der Gehflächen durch Radfahrer und die mangelnde Rücksichtnahme auf gemeinsamen Flächen. Die Schweizer Vereine Fussverkehr Schweiz und Pro Velo Schweiz haben dies zum Anlass genommen, „Empfehlungen für die Eignungsbeurteilung, Einführung, Organisation und Gestaltung von gemeinsamen Flächen in innerörtlichen Situationen“ herauszugeben, die sich vor allem auf die Innenstädte und Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität beziehen.

Inhalt

Als „gemeinsame Flächen“ für den Fuß- und Radverkehr „werden Flächen bezeichnet, die frei von Motorfahrzeugverkehr sind und auf denen neben dem Fußverkehr auch der Veloverkehr zugelassen ist.“

Die Empfehlungen für diese Flächen wurden von den Autoren auf Basis einer Aufarbeitung der Fachliteratur zum Thema, ausführlichen Befragungen von Fachleuten und der Analyse von Beispielen formuliert. Während der Bearbeitung fand darüber hinaus eine Begleitung durch eine „Resonanzgruppe“ statt, die vor allem aus städtischen Verkehrsplanern zusammengesetzt war.

Die Empfehlungen treffen Aussagen zum Vorgehen bei der Organisation gemeinsamer Flächen, zur Wahl der richtigen Betriebsform sowie zur Gestaltung und zur Infrastruktur. Darüber hinaus werden Empfehlungen für die Öffentlichkeitsarbeit sowie Kontrollen respektive Erfolgskontrollen gegeben. Die anschließenden Beispiele aus der Schweiz betreffen die Zulassung von Fahrrädern in Innenstädten bzw. Fußgängerzonen, den Bereich der Park- und Grünanlagen sowie der Straßenbahn- und Bushaltestellen.

Als Grundlage wird eine Einstufung der Intensität verschiedener Begegnungsfälle zwischen Fußgängern und Radfahrern vorgenommen. Ein leichter bis mittlerer Konflikt liegt z.B. bei einer deutlichen Reaktion der FußgängerIn vor, z.B. Form von Ausweichen oder Verlangsamen. Als ein Kriterium für die Organisation gemeinsamer Flächen wird unter anderem auf die Qualität der Fortbewegung zu Fuß („level of service“) verwiesen. Als minimale Breite einer gemeinsamen Fläche innerorts sollten z.B. bei geringen Frequenzen drei Meter nicht unterschritten werden.

Die Empfehlungen zur Betriebsform betreffen die Signalisation, Bodenmarkierungen / Piktogramme, Radstreifen und zeitliche Einschränkungen der Fahrrad-Nutzung. Unter anderem wird empfohlen, die Signalisation „Radweg“ und „Gemeinsamer Rad- und Fußweg“ nur dort anzuwenden, wo die Benutzungspflicht für Fahrräder und Mofas unproblematisch ist.

In Fußgängerzonen und auf innerörtlichen Fußwegen wird eine Ergänzung der Signale Fußgängerzone und Fußweg durch die Zusatztafel „Fahrrad gestattet“ als zweckmäßige Beschilderung angesehen. Sollen die Radfahrer in erhöhtem Maße Rücksicht nehmen, kann die Zulassung gemäß Schweizer Regelung durch den Zusatz „Radfahren im Schritttempo gestattet“ oder besser „Radfahrer bitte langsam“ ergänzt werden. Eine zeitlich beschränkte Zulassung von Fahrrädern wird als möglich erachtet, wenn sie logisch ist. Sie erfordert aber zusätzliche Kommunikationsanstrengungen.

Bei der Gestaltung der Infrastruktur wird empfohlen, mit der Wahl der Beläge die Routenwahl der Radfahrer zu beeinflussen, z.B. in Form von Teerbändern in gepflasterten Bereichen oder einem geschwindigkeitsreduzierenden Kiesbelag in Parkanlagen.

Die geplanten Maßnahmen sind durch eine Kommunikation im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zu ergänzen, die die Rücksichtnahme und gegenseitige Akzeptanz fördert und letztlich Verhaltensrichtlinien setzt. Dabei sollen Radfahrer- und Fußgängerorganisationen sowie Vertretungen von Mobilitätsbehinderten einbezogen werden.

Polizeiliche Kontrollen sollen auch ein Anhalten und Ermahnen sowie ein Aufklären über das richtige Verhalten beinhalten. Bei Einführung einer neuen Betriebsform soll nach 6-12 Monaten eine Erfolgskontrolle durchgeführt werden, in der u.a. etwaige Verdrängungseffekte und Konflikthäufungen untersucht werden.

Bewertung

Die Empfehlungen stellen in gut strukturierter Form und mit ergänzenden Fotos wesentliche Grundsätze für gemeinsame Flächen auf. Dabei sind sie technisch nicht zu detailliert und auch nicht zu schweizspezifisch. Sie können deshalb auch als Checkliste für Planungen in Deutschland eingesetzt werden.

 

Titel:

Fuss- und Veloverkehr auf gemeinsamen Flächen. Zürich und Bern 2007

Verfasser:

Marlène Butz, Christoph Merkli, Thomas Schweizer, Christian Thomas

Bezug:

Papierversion für 25 Franken bei den Herausgebern Fussverkehr Schweiz und Pro Velo. Auch als Download: www.fussverkehr.ch, www.pro-velo.ch

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, August 2007. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de

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