Etwa ein Viertel aller Wege sind reine Fußwege. Werden auch Wege zur Haltestelle oder zum Parkplatz mit betrachtet, sind fast drei Viertel aller Wege mit einem Fußweg verbunden. Allerdings ist dieser Anteil seit vielen Jahren rückläufig. Die Anzahl der reinen Fußwege hat sich in den letzten dreißig Jahren fast halbiert. Nicht nur die vielzitierten ,,entfernungsintensiven Lebensstile" haben dazu beigetragen: Auch viele kurze Wege in fußtauglicher Entfernung werden heute nicht mehr zu Fuß zurückgelegt. Aber der Fußverkehr gehört auch zum Fernverkehr. Jede lange Reise mit der Bahn oder dem Kraftfahrzeug beginnt und endet mit einem Fußweg. Gerade für die Attraktivität des Bahnfahrens ist die Erreichbarkeit des Bahnhofs von hoher Bedeutung.

Dem gegenüber ist der Stellenwert und die Anerkennung dieser Fortbewegung - auch bei Politikern und Planern - nur gering ausgeprägt.

Dabei gibt es genug Gründe, dem Gehen als umweltfreundlicher, flächensparender und preiswerter Fortbewegungsart wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Fünf Beispiele:

  1. Fußgänger haben eine zentrale Rolle in der Förderung des öffentlichen Verkehrs. Die Inanspruchnahme des ÖPNV und Erreichbarkeit von Haltestellen, d.h. die örtlichen Bedingungen für das Zufußgehen im Umfeld der Anlagen des öffentlichen Verkehrs, hängen direkt voneinander ab.
  2. Bei keiner anderen Verkehrsart bestehen so starke Verzahnung mit dem Städtebau. Gerade die europäische Stadt ist eine Fußgängerstadt; ihre Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit wird auch in der Zukunft daran messen lassen müssen, ob sie für die Menschen begehbar und damit erlebbar bleibt bzw. wird. Die Förderung des Fußverkehrs ist damit ein zentraler Baustein für einen Wohnungs- und Städtebau der Zukunft.
  3. Gehen ist ohne Frage die sozialverträglichste Fortbewegungsart, bezieht alle Bewohner einer Stadt gleichermaßen ein: Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Senioren und nimmt größte Rücksicht auf alle Mobilitätsbehinderten.
  4. Die Fortbewegungsart ,,Zufußgehen" leistet als umweltfreundlichste städtische Verkehrsart neben dem Radfahren einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Städte und Ballungsräume von Luftschadstoffen. Die Förderung des Fußverkehrs ist somit ein wichtiger Schritt zur Erreichung der selbstgesteckten Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland, z. B. in Bezug auf C02-Reduzierung.
  5. Und nicht zuletzt ist das Zufußgehen eine flächen- und kostensparende Fortbewegungsart. Je mehr Wege zu Fuß statt mit dem eigenen PKW zurückgelegt werden, umso sparsamer können Verkehrsanlagen wie Fahrbahnen, Lichtsignalanlagen etc. errichtet werden. Die Förderung des Fußverkehrs leistet damit einen Beitrag zur Entlastung der städtischen Haushalte.

Ansätze zur Förderung des Fußverkehrs

Eine Förderung des Fußverkehrs muss hauptsächlich in den Kommunen konkretisiert werden. Dabei reichen hier die vielfältigen Handlungsanforderungen von der Bereitstellung anspruchsvoll gestalteter Seitenräume und sicherer Querungsstellen über die stärkere Überwachung und Ahndung von Fehlverhalten bis hin zur Schaffung durchgängiger Wegenetze.

Der Bund kann diese Aktivitäten maßgeblich unterstützen und entscheidend dazu beitragen, dass die Potenziale des Fußverkehrs in der örtlichen Planung und Politik besser erkannt und genutzt werden. Drei Maßnahmenbereiche seien dazu im folgenden kurz umrissen:

I. Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für lokale Fußverkehrsförderung verbessern

Der Bund hat wichtige Einflussmöglichkeiten, um die Rahmenbedingungen für kommunale Förderungen zu verbessern:

Der Einsatz bestehender Förderinstrumente kann verbessert bzw. verändert werden.

Die Finanzhllfen des Bundes zur Städtebauförderung und zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sollten stärker auf die Berücksichtigung der Belange des Fußverkehrs abgestimmt werden. Neben einer Nennung der Fußverkehrsförderung auf Ebene der grundlegenden Ziele (Fördervoraussetzungen) sollten dabei insbesondere die Möglichkeiten der Kopplung der Mittelvergabe an bestimmte Mindest- bzw. Qualitätsstandards (z.B. Mindestgehwegbreiten, Schaffung und bauliche Ausführung von Querungsanlagen) geprüft werden. In bestimmten Bereichen wäre auch eine Ausweitung der Fördertatbestände sinnvoll (z.B. Aufnahme der Zuwegung zu Haltestellen / Bahnhöfen).

Die rechtlichen Grundlagen und Regelwerke sollten überprüft und modifiziert werden.

Die Straßenverkehrsordnung und die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften müssen nach erfolgter Änderung zugunsten des Radverkehrs nun auch stärker auf die Belange der Fußgänger abgestimmt werden. Die Einführung von Mindeststandards (insbesondere bezüglich der Gehwegbreite), die Verbesserung der Vorschriften bei den Querungsanlagen (insbesondere bezüglich des Einsatzes von Fußgängerüberwegen) sowie die Minderung von Behinderungen und Gefährdungen für den Fußverkehr (z.B. Änderung der Bestimmungen zum Gehwegparken) gehören hier zu den zentralen Ansatzpunkten. Mit Nachdruck sollten darüber hinaus die bereits länger bestehenden Überlegungen zur Absenkung des innerörflichen Geschwindigkeitsniveaus (Tempo 30) vorangetrieben werden, eine Maßnahme, die zum Schutz der Fußgänger unerlässlich ist.

Parallel zu gesetzlichen Initiativen sollte der Bund seine Einflussmöglichkeiten zur Weiterentwicklung der für den Fußverkehr relevanten Regelwerke bzw. Richtlinien nutzen, um eine verbesserte Berücksichtigung der Ansprüche von Fußgängern zu gewährleisten. Angesprochen werden müssen an dieser Stelle insbesondere die ,,Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen" (R-FGÜ 84). Angelehnt an aktuelle Forschungsergebnisse des BMVBW (z.B. Schnüll 1998) sollten die dort derzeit enthaltenden restriktiven Einsatzgrenzen modifiziert und ein erweiterter Einsatz dieser Querungsanlagen nach Maßgabe örtlicher Erfordernisse (insbesondere in Kombination mit baulichen Maßnahmen) ermöglicht werden. Im Rahmen künftiger Überarbeitungen der Richtlinien und Regelwerke - z.B. EAHV und EAE - müssen die Mindeststandards wie Gehwegbreiten u.a. Qualitätsanforderungen für den Fußverkehr auf der Basis aktueller Forschungsergebnisse (z.B. Alrutz) einfließen. Darüber hinaus sollten die „Empfehlungen für Planung, Entwurf und Betrieb von Anlagen des Fußverkehrs“ (EFA) als letzte verkehrsmittelbezogene Empfehlung eingeführt werden, um die Belange des Fußverkehrs später in die überarbeiteten Gesamt-Richtlinien übernehmen zu können.

Außerdem sollten in der VwV der StVO verbindliche Einsatzkriterien entwickelt werden, um vorhandene Gehwege vor anderen Nutzungsansprüchen zu schützen (insbesondere vor Gehwegparken und Bordsteinradwege).

II. Mit gutem Beispiel voranGEHEN" - Initiative für den Fußverkehr

Wesentliche Anschubfunktion für Aktivitäten auf kommunaler Ebene kann der Bund über die Durchführung von gezielten Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit zum Fußverkehr leisten. Wünschenswert wäre eine breit angelegte Initiative für den Fußverkehr, mit der das Themenfeld in Fachwissenschaft und Öffentlichkeit stärker besetzt wird und die Umsetzung von Maßnahmen für den Fußverkehr auf lokaler Ebene beispielhaft aufgezeigt und gezielt gefördert werden. Durch eine enge Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Interessensvertretungen wie FUSS e.V. oder SRL könnte eine solche Initiative inhaltlich und organisatorisch vorbereitet werden und gleichzeitig seitens des Bundes Lobbyarbeit für den Fußverkehr gestützt werden. Bausteine einer Initiative könnten sein:

  • Auslobung von Wettbewerben mit denen ,,fußgängerfreundliche Städte" oder aber einzelne gelungene Maßnahmen im Fußverkehr (best practise) mit wechselnden Schwerpunkten ausgezeichnet werden.
  • gezielte Verbreitung und Bekanntmachung von Beispielen zur Fußverkehrsförderung als Anschauungsmaterial für die Praxis über Veranstaltungen, Veröffentlichungen u.ä.. Durchführung bzw. Unterstützung von Imagekampagnen durch den Bund.
  • Bundesweite wissenschaftliche Begleitprogramme für lokale Modellprojekte im Sinne der allgemeinen Gesundheitsförderung durch Gehen und zur Unterstützung präventiver Wirkungen des vermehrten Gehens für Risikogruppen bzw. der Rehabilitation.
  • Bereitstellung von Sondermitteln: Ergänzend zu den bestehenden Förderinstrumenten (siehe oben) könnten - beispielsweise in Zusammenhang mit den genannten Wettbewerben - Sofortmittel für einzelne Maßnahmen bzw. Maßnahmenbereiche zur Fußverkehrsförderung bereitgestellt werden.
  • Gemeinsame Bund-Länder-Förderprogramme für kostengünstige Querungshilfen insbesondere an Hauptverkehrsstraßen (z.B. Bundesstraßen) in Städten und Dörfern.
  • Kopplung mit bestehenden Initiativen anderer Fachrichtungen. Die Belange des Zufußgehens müssen auch in Initiativen, Wettbewerben und Forschungsvorhaben anderer Fachrichtungen Berücksichtigung finden. Wegen der erwähnten starken inhaltlichen Verzahnung bietet sich hier u.a. der Bereich Städtebau an. So könnten beispielsweise in der kürzlich unter Beteiligung des Bundesverkehrsministers gegründeten Initiative für Architektur und Baukultur auch das Zufußgehen thematisiert werden (Themenbeispiele: Durchlässigkeit von Bauvorhaben, Fußwegenetze).
  • Harmonisierung der europäischen Verkehrsregeln. Die Bundesrepublik Deutschland sollte auf europäischer Ebene ihren Einfluß geltend machen, um Regelungen, die sich in den Mitgliedsstaaten als besonders fußgängerfreundlich bewährt haben, im Rahmen einer solchen Harmonisierung für die Union zu übernehmen.

III. Der erste Schritt

Als erster Schritt wird die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe Fußverkehr zur Koordination der verschiedenen Aktivitäten auch auf Länder-seite vorgeschlagen. Hierbei stehen verschiedene Aspekte an, die den Fußverkehr betreffen:

  • Umweltfragen,
  • städtebauliche Fragestellungen,
  • verkehrstechnische Gesichtspunkte,
  • verkehrsrechtliche Aspekte,
  • Verkehrssicherheit,
  • Gesundheitsförderung,
  • soziale Belange,
  • Raumordnung.

Wichtige strategische Fragestellungen sind hierbei die Lösung institutioneller Hindernisse bei der Förderung des Fußverkehrs und die Evaluation einer Veränderung der Mobilität hinsichtlich gesundheitlicher Parameter und der Umweltbilanz.

 

Dieses Arbeitspapier wurde von der gemeinsamen Arbeitsgruppe Fußverkehr von SRL und FUSS e.V. 2001 erstellt, weitere Informationen finden Sie unter www.fussverkehr.de.

Die Veröffentlichung „Förderung des Fußverkehrs“ ist bei uns für 1,50 Euro zzgl. Porto zu beziehen. Sie können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr-Allgemein bestellen.

Arbeitsgruppe Fußverkehr von SRL und FUSS e.V.
Kontakt:
Andreas Schmitz
Dörnbergstraße 12
34119 Kassel
Tel. 0561 - 807 580
Fax 0561 - 807 58 58

Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V. SRL
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