FUSS e.V. hat über den Deutschen Städtetag drei Stadtverwaltungen diese Frage vorgelegt und folgende Antworten erhalten:

Stadt Augsburg (1)

Die folgenden Anmerkungen stammen aus Erfahrungen und sind nicht als offizielle Stellungnahme der Stadt Augsburg zu verstehen, obgleich die Maßnahmen sinngemäß Bestandteil des VEP sind.

Die Unterschätzung des Fußgängerverkehrs ist zunächst ein gesellschaftliches Problem:

  • Bewusstsein, dass Fußverkehr die umweltfreundlichste und traditionellste Verkehrsart des Menschen ist (oft wird inzwischen wohl der Kraftfahrzeugverkehr als die ursprüngliche Verkehrsart, die einem Grundrecht gleich kommt, gesehen);
  • Anerkennung, dass Fußgängerverkehr nicht die Fortbewegungsart derer ist, die sich kein Auto leisten können;
  • Anerkennung, dass Fußverkehr am umwegempfindlichsten, am steigungsempfindlichsten und am ungeschütztesten ist.
  • Erziehung zum Gehen (viele Kinder werden ab Kindergartenalter mit dem Kfz zur Schule gebracht, so dass sie mit der Volljährigkeit keine andere Fortbewegungsart kennen); hierzu Einwirkung der Schulen auf Eltern und geeignete Hilfen (Schulweghelferdienst; Kinderbegleitung mehrerer Kinder zu Fuß..). (Als kleinen Denkanstoß versuchen wir den Eingang von Schulen und Kindergärten bei Neubaumaßnahmen immer so zu legen, dass ein Fußweg zwischen öffentlicher Straße und Eingang zwingend erforderlich ist. Das beugt natürlich auch Unfällen beim direkten Verlassen der Gelände und durch zu schnell vorfahrende Eltern vor und schafft ,,Auslauf")

Hieraus ergeben sich planerische Notwendigkeiten, die im Wesentlichen auch in vielen Richtlinien und Verkehrsentwicklungsplänen nachzulesen sind:

  1. möglichst umwegfreie Führung
  2. möglichst störungsfreie Führung
  3. ausreichend Bewegungsspielräume

hierzu:

  • ausreichend breite Gehwege, je nach Netzlage
  • freie Gehwege (kein Gehsteigparken, außer bei sehr breiten Flächen; Warenauslagen nur bei ausreichend Restflächen..)
  • weitgehende Trennung Fuß-und Radverkehr, außer an punktuellen Engstellen oder an stellen, bei denen eine der beiden Verkehrsarten sehr schwach vorkommt
  • in engen Bereichen Ausweich-/ Verweilzonen
  • Querungshilfen der verschiedensten Art (lieber mehr einfache, als einige wenige aufwendige; u.E. sind die R-FGÜ hier zu streng, obgleich unbestritten ist, dass ,,Zebrastreifen" nur unter bestimmten Gegebenheiten sicher sind)
  • Höhenfreie Querungshilfen nur: barrierefreier Zugang weitgehend umwegfreier Zugang in wenigen Ausnahmefällen (BAB..)

Für Sonderaufgaben (z.B. Verbindung von zwei Teilen eines Messegeländes...) entsprechend den dort herrschenden besonderen Anforderungen.

Sehr wichtig ist die finanzielle Ausstattung, um Maßnahmen im bestehenden Netz durchführen zu können. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit einfachen Maßnahmen aus Recyclingkunststoff.

Ohne gesellschaftliche Änderungen sind nur punktuelle Erfolge zu erzielen (so wird z.B. eine Wegachse sicherer, eine Geschäftsstraße für den fußläufigen Kunden attraktiver, was sich sehr auf das Geschäftsniveau auswirkt...). Diese Erfolge zeigen aber, dass der Fußverkehr unterschätzt wird.

In Städten mit großen Straßenräumen (Berlin-Wedding..) sind Maßnahmen einfacher durch Beitrag- und umzusetzen, als in Städten mit engen Straßenräumen, wie Augsburg (eine wichtige Stadtteilachse hat eine Breite von nur 15 m...). Hierauf sollte verstärkt hingewiesen werden, da von Bürgern oft Beispiele aus anderen Städten mit genügend Straßenraum als Vergleich herangezogen werden.

Wenn die Maßnahmen zu sehr in den MIV eingreifen werden sehr massive subjektive Widerstände laut, da sich Autofahrer in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen. Oft sind sie verbal auszuräumen, in anderen Fällen durch geringe Korrektur.

Stadtverwaltung Erfurt (2)

Gerne greifen wir die Anregung auf, uns zum Fußgängerverkehr und dessen Fördermöglichkeiten sowie Potenziale zur besseren Einbindung in den Umweltverbund zu äußern. Die nachfolgenden Gedanken und Anregungen wurden in Form eines ,,Brainstorming" gesammelt und werden hier in gleicher Weise in kurzen Sätzen wieder gegeben.

Fußgängerrichtlinie“: Synonym zur Richtlinie für die funktionale Gliederung von Straßen (RAS-N) ist eine Richtlinie zur Klassifizierung von Fußwegverbindungen erforderlich, denen entsprechende Qualitätsanforderungen zuzuweisen sind (Schwankungsbreite: hochBeitragfreBeitragquenBeitragtierter Fußgängerbereich... untergeordneter Verbindungsweg... Trampelpfad)

Erarbeitung einer Berechnungsgrundlage für Fußgängeraufkommen in Abhängigkeit von Quell- und Zielgebieten, aus denen eine entsprechende Qualität (Breite) an Fußwegverbindung abzuleiten ist; hier sind Schwankungsbreiten anzugeben, um auf die spezifischen Örtlichkeiten und Anforderungen eingehen zu können.

Gehwegbreite: bei der Festsetzung der Gehwegbreiten bei Neuplanungen muss die tatsächlich nutzbare Breite entscheidend sein, da feste und mobile Einbauten die Gesamtbreite häufig einschränken; d.h. sämtliche Einbauten sind im Vorfeld zu koordinieren; bei Gehwegneubau ist unter Beachtung der geplanten Einbauten auf die erforderliche Nettobreite zu achten, die sich aus der o.g. erforderlichen Richtlinie ergeben soll; zu berücksichtigen sind dabei auch gemeinsame Geh-/ Radwege, deren erforderlichen Breiten maßgeblich von der Nutzungsintensität abhängen.

Hier ist auf die besondere Problematik der (Un-)Verträglichkeit von Rad- und Fußverkehr in Fußgängerbereichen hinzuweisen; die jeweiligen Bedürfnisse und Sicherheitsansprüche sind für eine gemeinsame Führung weitgehend in Einklang zu bringen; anderenfalls sind attraktive Alternativstrecken anzubieten.

Bei beengten räumlichen Verhältnissen (Innenstadt, Ortsdurchfahrten in Ortslagen) sind die Belange von Fahr- und Fußgängerverkehr gegeneinander abzuwägen; die häufig zu beobachtende einseitige Bevorzugung der Fahrbahn gegenüber dem GehBeitragweg (durchgehende Breite bei der Fahrbahn, verbleibende Restflächen für den GehBeitragweg) ist sehr kritisch zu betrachten.

Baustellensicherung: bei Baustellen ist bzgl. der lückenlosen Fußgängerführung auf Beschilderung, Sicherung, ausreichende Breiten, Wegebefestigung und Bordabsenkungen zu achten.

Querung von Hauptverkehrsstraßen: generell sind nur noch niveaugleiche Querungen vorzusehen; Grünzeiten für Fußgänger sind auf eingeschränkt mobile Fußgänger (Kinder, Senioren, Behinderte) anzupassen; Wartezeiten sind häufig zu lang und provozieren dadurch Querungen bei „Rot" oder an ungesicherten Stellen; bei mehrstreifigen Fahrbahnen sind die Fußgängerquerungen in einem Zug (ohne Zwischenstopp auf der Mittelinsel) zu ermöglichen; die Berechnung der Grün- und Wartezeiten ist in Abhängigkeit zu den Klassifizierungsstufen der Wegeverbindungen zu betrachten (bei Fußgängerhauptachsen sind die Wartezeiten zu minimieren und die Grünzeiten großzügig zu berechnen); bei der Planung von Kreisverkehren sind die erforderlichen Umwege für die Fußgänger in die Betrachtung einzubeziehen.

Illegales Parken auf Gehwegen: hier sind praktikable Lösungen gefragt, die effektiv und ohne viel Aufwand umgesetzt werden können.

Trassenplanung: Gehwegführungen müssen die tatsächlichen Wege der Fußgänger nachbilden, um Abkürzungen (Trampelpfade) z.B. über GrünBeitragflächen zu vermeiden.

Oberflächenbeschaffenheit: eine ,,Fußgängerrichtlinie" sollte auch auf die Oberflächenbeschaffenheit von Gehwegen eingehen (Beschreibung geeigneter Materialien), gerade in den Altstädten sind häufig „mittelalterliche" Pflaster, die der örtlichen Situation entsprechen sollen, vorzufinden, die aber nur schwerlich begehbar und mit Rollstühlen und Kinderwagen schlecht befahrbar sind; hier sind Kompromisse erforderlich.

Qualität der Gehwege: darunter fällt auch ausreichende Beleuchtung, regelmäßige Reinigung und Winterdienst.

Bordabsenkungen: generell sind an allen Knotenpunkten und Querungsstellen Bordabsenkungen vorzusehen (3 cm)

Niveaugleiche Führungen: auf Treppen in Gehwegen ist weitgehend zu verzichten, alternativ sind Rampen (max. 6%) für Kinderwagen und Rollstühle auszubilden.

Übergangsstellen zum ÖPNV: sind attraktiv auszubilden (z.B. zielnahe Haltestellenanordnung, niederflurgerechte Haltestellen).

Umfeldgestaltung: die Attraktivität des Zu-Fuß-Gehens hängt auch entscheidend von der Qualität des Sichtumfeldes ab.

Kontrollmechanismus: zur Unterbindung von illegalen Nutzungen auf Gehwegen, die die nutzbaren Breiten einschränken oder die Oberfläche beschädigen können, ist ein wirksamer Kontrollmechanismus zu entwickeln.

Die gesammelten Gedanken und Anregungen spiegeln die Probleme aus der täglichen Arbeit wider. Wir hoffen mit diesen knappen Punkten Anregungen für die notwendigen Diskussionen im Rahmen der Veranstaltung ,,Fußverkehr im Umweltverbund" gegeben zu haben.

Landeshauptstadt München (3)

Gerne kommen wir Ihrer Aufforderung nach, die beiden folgenden Fragen zu beantworten:

1. Was ist in Deutschland notwendigg um den Fußverkehr zu fördern?

1.1 Änderungsbedarf der StVO, die die Belange des nichtmotorisierten Verkehrs stärker in den Vordergrund rückt.

Anlehnend an den Monatsbericht des Forschungsbereichs Verkehr vom März 1997 „ÄnBeitragderungsbedarf der StVO und VwV StVO aus Sicht des Fußverkehrs“ werden aus der Sicht des Planungsreferates der Landeshauptstadt München folgende Forderungen unterstützt:

  • Qualitätsstandards für Gehwege (z.B. Gehwegbreite, Belagsqualität) behindertengerechter Ausbau
  • statt gemeinsamen Fuß- und Radwegen in beengten Verhältnissen lieber bauliche Separationen einrichten; vorzugsweise sollten gemeinsame Fuß- und Radwege nur noch in Bereichen außerhalb geschlossener Bebauung eingerichtet werden
  • Einrichtung von Querungshilfen und Lichtsignalanlagen am Bedarf der Fußgänger orientieren
  • Fußgängerüberwege kommen nicht nur an Kreuzungen und Einmündungen in Frage, wie in der Verwaltungsvorschrift zu §26 Fußgängerüberwege beschrieben steht, sondern sollten je nach Bedarf eingerichtet werden können
  • §20 der StVO gewährt das Vorbeifahren in Schrittgeschwindigkeit, wenn Fahrgäste aus Straßenbahnen ein- und aussteigen. Dies sollte rechtlich unterbunden werden.
  • Die Einrichtung von geschützten Aufenthalts- und Spielraum sollte gegebenenfalls auch in verkehrsberuhigten Bereichen vorgesehen werden.

1.2 Der Fußverkehr ist auch durch entsprechende Marketingmaßnahmen zu fördern. Spezielle Stadtpläne für Fußgänger können z.B. helfen, das Zufußgehen (wieder) bekannt und attraktiv zu machen. Eine Fußgängerkarte, wie es sie z.B. in Esslingen gibt und auch in München zur Zeit in Bearbeitung ist, fördert das Zufußgehen in der Stadt.

2. Wie ist der Fußverkehr besser in den Umweltverbund einzubinden?

2.1 Ein Ziel des Verkehrsentwicklungsplanes (VEP) München, der zur Zeit als Vorentwurf vorliegt, ist die deutliche Verschiebung des MIV-Anteils zugunsten des Umweltverbundes, das heißt des ÖPNV, Rad- und Fußverkehrs. Durch quantitative und qualitative Verbesserungen der Geh- und Radwegenetze soll der Radverkehrsanteil langfristig auf 15-20% (heute ca. 13%) und der Fußverkehrsanteil auf 20-25% (heute ca. 22%) erhöht bzw. gehalten werden.

Dieses Ziel wird auch in der zur Zeit in Bearbeitung befindlichen Fortschreibung des VEP verfolgt. In Form von Szenarien soll ermittelt werden, durch welche Maßnahmen der FußBeitragverkehrsanteil erhöht werden kann. Dabei ist an untenstehende Maßnahmen gedacht, die zum Teil in folgenden Beschlüssen enthalten sind:

  • Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 26.06.1996 „Schaffung einer fußgängerfreundlichen Stadt
  • Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 12.05.1999 „Umsetzung des Fußgängerkonzeptes

Maßnahmen:

  • Gehgeschwindigkeit von 1,0 m/s bei allen Signalprogrammberechnungen
  • Gehwegverbreiterungen
  • Wartezeiten an Fußgängerampeln kürzen
  • LZA Programme am Querungsbedarf dimensionieren
  • flächenhafte Zählung der Fußgängerströme
  • Ebenerdige Fahrbahnquerungsmöglichkeiten
  • Breite Marketingkampagne zum Fußverkehr im Stadtverkehr
  • flächenhaftes Programm zur fußgängerfreundlichen Stadtgestaltung
  • „Rundumgrün"-Ampel an Kreuzungen mit starkem Fußgängerverkehr
  • fußgängerfreundliche Beläge im gesamten Stadtgebiet
  • ausreichende Sitzgelegenheiten im gesamten Stadtgebiet Orientierungssysteme für den Fußverkehr im gesamten Stadtgebiet
  • Querungshilfen an allen Einmündungen und Kreuzungen
  • baulicher Witterungsschutz an allen Aufenthaltsorten
  • soziale Sicherheitsmaßnahmen im gesamten Stadtgebiet
  • Fußgängernetz im gesamten Stadtgebiet
  • Änderung der StVO (z.B. Tempo3O-Zonen) und ÖV-Bestimmungen unter BerücksichBeitragtigung neuer Mobilitätsformen
  • mobilitätsbehinderte Menschen sind bei oben aufgeführten Punkten im gesamten Stadtgebiet zu berücksichtigen

2.2 Darüber hinaus ist im Rahmen des sogenannten Münchner Bündnisses für Ökologie vorgesehen, unter breiter Beteiligung gesellschaftlicher Akteure einer ökologischen und nachhaltigen Stadtentwicklung neuen Schub zu verleihen. Dabei sollen insgesamt 10 Leitprojekte realisiert werden, die zum Teil den Umweltverbund unmittelbar fördern sollen. Für den Fußverkehr sind dabei insbesondere die Leitprojekte 2 „Umsteigen in den UmBeitragweltverbund“, und 9.1 „Fußgängerstadtplan“ von Bedeutung, die von Verkehrs- und UmBeitragweltverbänden initiiert und bearbeitet werden.

Das Planungsreferat hat auf Seiten der Verwaltung die Federführung bei den Leitprojekten 2 und 9.1. Konkret beinhalten diese Projekte z.B. Vorschläge zur Förderung von CarSharing und die Schaffung einer fahrradfreundlichen Innenstadt. Aber auch das ZuBeitragfußgehen ist in beiden Leitprojekten Gegenstand der Untersuchung:

Im Rahmen des Leitprojektes 2 sollen im Teilprojekt „StadtvierteIkonzept Nahmobilität“ das Zufußgehen, Skaten und Radfahren mit Betroffenen erörtert und Maßnahmen zur Verbesserung entwickelt werden.

In engerem Zusammenhang hierzu steht das Leitprojekt 9.1, welches die Erstellung einer Fußgängerkarte vorsieht. In Esslingen wurde dieses Projekt bereits erfolgreich durchgeBeitragführt und soll nun nach dem gleichen Prinzip als Pilotprojekt für einen Stadtteil in München praktiziert werden.

Quellennachweise:

  1. Augsburg, Schreiben von Herrn Hösle, Tiefbauamt Verkehrsplanung / Neubau an den Deutschen Städtetag vom 30.8.2001,
  2. Erfurt, Schreiben des Amtsleiters Herrn Böselt, Stadtverwaltung Erfurt, Amt für Verkehrswesen an den Deutschen Städtetag vom 25.9.2001, und
  3. München, Schreiben von Herrn Dr. Schwerdtfeger, Referat für Stadtplanung und Bauordnung / Stadtentwicklungsplanung an den Deutschen Städtetag vom 14.9.2001

 

Dieser Fachartikel ist in der Dokumentation: Fußverkehr im Umweltverbund – 30 Beiträge vom 1. FUSS-Botschaftertreffen am 12.10.2001 in Berlin, FUSS e.V. (Hrsg.), Berlin 2002 erschienen.

Die Veröffentlichung „Fußverkehr im Umweltverbund“ ist bei uns für 10,00 Euro zzgl. Porto zu beziehen. Sie können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr-Allgemein bestellen.