Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 19/1999

Ausgangslage

Im Jahr 1991 beschloß der Staat Oregon eine Richtlinie für die Verkehrsplanung, in der unter anderem eine Reduktion der Fahrzeugkilometer pro Kopf sowie die Schaffung fußgängerfreundlicher Umfeldbedingungen als Ziele gesetzt wurden. Die Agglomerationen des Staates (metropolitan areas) und die Städte wurden aufgefordert, Verkehrskonzepte (Transportation System Plans) zu erstellen, die unter anderem meßbare Ziele zur Steigerung der Anteils der zu Fuß zurückgelegten Wege enthalten sollten. In der Portland metropolitan area wurde 1994 ein auf einen Zeitraum von 50 Jahren hin ausgerichtetes regionales Wachstums- und Entwicklungskonzept ("Region 2040") verabschiedet, das unter anderem den Aufbau eines multimodalen Verkehrssystems und hierbei u.a. die Förderung des Fußgängerverkehrs zum Ziel hat. Zudem wurde ein Verkehrskonzept (Regional Transportation Plan) entwickelt, das einen Teil zum Fußgängerverkehr enthält. Die Stadtverwaltung von Portland ihrerseits ist dabei, komplementär ein städtisches Verkehrskonzept für einen Planungszeitraum von 20 Jahren zu erstellen. Darin ist für jedes Verkehrsmittel ein eigenes Teilkonzept vorgesehen. Der Master Plan für den Fußgängerverkehr, der im April 1998 angenommen wurde, ist ein Teil des Programms für den Fußgängerverkehr, das unter dem Motto "think globally - walk locally" steht. Dabei stellen sich die Bedingungen für das Zufußgehen in der Stadt Portland sehr unterschiedlich dar: In den urbanen Quartieren der Stadt werden rund 28% der Wege als (eigenständige) Fußwege zurückgelegt, in den suburbanen Teilen der Region sind es gerade 5%.

Inhalt

Der Master Plan besteht aus fünf Teilen: einer Festlegung von Zielen, einer Straßenklassifikation inklusive der Ausweisung von Fußgängerbereichen (pedestrian districts), Planungsanweisungen für die Netz- und Wegeplanung (Pedestrian Design Guide), einer Liste von wichtigen Projekten für die Förderung des Fußgängerverkehrs und einer Finanzierungsstrategie.

Ein Oberziel der städtischen Verkehrsplanung ist es, die Abhängigkeit vom Automobil zu verringern. Konkretere Ziele im Bereich des Fußgängerverkehrs sind z.B. die Fertigstellung eines Fußwegenetzes, das dem Verkehr über kürzere Distanzen und dem Zugang zum öffentlichen Verkehr dienen soll. Daneben sollen das Gehen sicherer und annehmlicher gestaltet und Finanzierungsmöglichkeiten zur Verbesserung des Fußgängerverkehrs geschaffen werden. Der Master Plan enthält zudem eine Reihe von rund 30 konkreten Handlungs- bzw. Planungsschritten (action items), die beitragen sollen, diese Ziele zu erreichen. Es werden für den Fußgängerverkehr folgende Bereiche und Wegtypen unterschieden: Fußgängerbereiche (pedestrian district) mit einem hohen aktuellen oder angestrebten Fußgängeraufkommen (allerdings nicht nur Fußgängerzonen im deutschen Sinne), Fußwege an städtischen Hauptstraßen mit dichterer Bebauung und Flächennutzung (city walkways), lokale Fußwege (local service walkways), straßenunabhängige Wege/Pfade (off-street paths).

Planungsanweisungen, die bei Neuplanungen berücksichtigt werden sollen, sind in einem eigenen Handbuch (Pedestrian Design Guide) zusammengestellt. Sie umfassen detaillierte Gestaltungshinweise für Gehwege (sidewalk corridors), Straßeneinmündungen, Querungsstellen, Pfade und Treppen. Die Anlage von markierten Fußgängerüberwegen wird z.B. als gestalterische Maßnahme an Stellen mit starkem Fußgängeraufkommen empfohlen. Allerdings sollen diese nur noch einmal das in Portland an Fußgängerquerungen (crosswalks) ohnehin gegebene Vortrittsrecht der Fußgänger gestalterisch unterstützen. In Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen (pedestrain districts, main streets) sollen Querungsmöglichkeiten im Abstand zwischen 45 und max. 90 m, auf städtischen Fußwegachsen zwischen 45 und max. 120 m eingerichtet werden.

Die Identifikation von wichtigen Projekten der Fußverkehrsplanung berücksichtigt das in den Teilgebieten der Stadt vorhandene Potential für den Fußgängerverkehr sowie die gegebenen Umfelddefizite. Prioritär sind Maßnahmen in Gebieten mit hohem Potential und großen Defiziten. Sowohl für das Potential als auch die Defizite wurden entsprechende Indizes auf der Ebene von Straßenabschnitten gebildet. In den Potentialindex gingen Indikatoren aus folgenden Bereichen ein: a) planerische Bedeutung der Straße (z.B. Lage in einem Fußgängerbereich), b) Nähefaktor (z.B. Umfeld einer Schule oder einer ÖPNV-Haltestelle), c) Umweltfaktor, der sich aus Indikatoren für die Flächennutzung, dem Vorhandensein von Fußgängerzielen, der Straßendichte, der Lage und Größe von Gebäuden und der Topographie zusammensetzt. In den Defizitindex flossen folgende Indikatoren ein: Verfügbarkeit von Gehwegen entlang der Straße, Unfälle zwischen Autos und Fußgängern, Fahrgeschwindigkeit, Verkehrsaufkommen im MIV, Straßenbreite, Länge des Straßenabschnitts. Zusätzlich wurden in einer multivariaten Analyse auf der Basis von Befragungsdaten die Bestimmungsgrößen für die Wahrscheinlichkeit des Zufußgehens ermittelt. Nach diesen Analysen steigt die Wahrscheinlichkeit für die Wahl der Füße als Verkehrsmittel in jenen Zonen, in denen Arbeitsplätze und das Wohnen auf einem hohen Niveau gemischt sind und in denen wichtige Fußwegziele gut erreichbar sind.

Als eine weitere Grundlage der Projektauswahl wurden öffentliche Workshops in den Quartieren der Stadt durchgeführt. Sie dienten auch dazu, die öffentliche Unterstützung für Projekte zu schaffen, die teilweise in einer öffentlich-privaten Partnerschaft umgesetzt werden sollen. Die Projekte zur Verbesserung des Fußgängerverkehrs werden in drei Realisierungsphasen gruppiert. Dabei werden für jedes Projekt die jeweiligen Kosten, die gegebenen Potentiale und Defizite, der Grad der Unterstützung durch die Öffentlichkeit und der Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in drei Klassen bewertet. Die Projektkosten belaufen sich ohne Maßnahmen Dritter auf 47 Mio $ (1. Phase), 25 Mio. $ (2. Phase), 50 Mio. $ (3. Phase). Wie diese Projekte finanziert werden können und wie lange die Umsetzung dann jeweils dauert, wird in mehreren Finanzierungsszenarien dargestellt. Werden jährlich nur die im Basis-Fall zur Verfügung stehenden 1,4 Mio $ eingesetzt, würde die Realisierung 85 Jahre dauern, davon 32 Jahre für die erste Phase. Der angestrebte Zeitraum von 20 Jahren setzt eine zusätzliche Public-Private-Partnerschaft sowie ein öffentliches Kreditprogramm voraus.

Bewertung

Der Master Plan unterscheidet sich an mehreren Punkten von den in Deutschland üblichen Planungen: Es wird für einen langen Zeitraum geplant, wobei die städtische Planung für den Fußgängerverkehr in die Verkehrs- und Raumplanung der Agglomeration sowie des Staates eingebunden ist; Potentiale und Defizite für den Fußgängerverkehr werden systematisch (statistisch) für jeden Strassenabschnitt bestimmt; die Planung bezieht die Öffentlichkeit bewußt ein; es wird großer Wert auf Finanzierungsfragen gelegt; als Rahmen für die Einzelplanungen der Stadt wurde ein eigenes Planungshandbuch erstellt. Der Master Plan sowie der dazugehörige Pedestrian Design Guide sind nicht zuletzt sehr anschaulich gestaltet. Infos zur Planung finden sich auch im Internet unter: http://www.trans.ci.portland.or.us

 

Titel:

City of Portland, Office of Transportation, Engineering and Development (Hrsg.): "Pedestrian Master Plan" sowie "Pedestrian Design Guide".- Portland, Juni 1998

Bezug:

Pedestrian Master Plan Orders, Portland Office of Transportation, 1120 SW Fifth Avenue, Room 802, Portland, OR 97204-1971, Tel. USA 503/823-7004 (Fax. -7371), E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Preis 25 $.

 

Impressum:

Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, März 1999. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de

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