Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 63/2010
Ein Fokus bei der Erhöhung der Verkehrssicherheit für Zufußgehende liegt auf der Situation an Querungsanlagen, insbesondere Fußgängerüberwegen (in der Schweiz „Fussgängerstreifen“). Ein sicherheitsrelevanter Aspekt ist an solchen Querungsstellen die Interaktion zwischen Fahrzeuglenkern und Zufußgehenden. Allerdings existieren auf diesem Gebiet wenige Forschungsergebnisse. Dies war Anlass für den schweizerischen Fonds für Verkehrssicherheit die Forschungsstelle von Fussverkehr Schweiz mit einer empirischen Studie zu beauftragen. Dabei war der Stand der Forschung aufzuarbeiten und eine Situationsanalyse an ausgewählten Fußgängerüberwegen vorzunehmen.
In einer Literaturanalyse wurden im wesentlichen 19 Quellen zu den Einflussgrössen und zum Verhalten von Fußgängern und Fahrzeuglenkern ausgewertet. Nicht alle diese Studien basieren auf Beobachtungen. Als zentrale Faktoren für die Anhaltequote wurden in der Fachliteratur die Annäherungsgeschwindigkeit der Fahrzeuge, ein hohes Fußgängeraufkommen sowie bauliche Maßnahmen (v.a. vorhandene Mittelinseln) identifiziert.
Der Einsatz von Horizontal-Laserscannern war als Beobachtungsmethode gewählt worden, um verschiedene Verkehrsteilnehmer, deren Bewegungsrichtung und deren Geschwindigkeit gleichzeitig erfassen zu können. Diese Methode konnte aber aufgrund von Softwareproblemen und umfangreichen erforderlichen Anpassungen nach längeren Testreihen nicht wie geplant realisiert werden. Es wurden lediglich einzelne Verhaltenskenngrößen (z.B. Aufkommensdaten) generiert.
Deshalb wurde auf Videobeobachtungen von zehn Situationen an sieben verschiedenen Standorten (in unterschiedlichen) Gemeinden umgestellt. Als Interaktionen wurden Situationen ausgewertet, in denen sowohl ein, zwei oder eine Gruppe von Fußgängern die Straße querte, auch wenn kein Auto beteiligt war. Insgesamt wurden 1.560 Interaktionen erfasst und statistisch ausgewertet. Es zeigte sich, dass eine Interaktion relativ früh, in großer Distanz vor dem Fußgängerüberweg beginnt: Fußgänger beschleunigen oder verlangsamen ihren Schritt, auch die Autofahrer passen ihr Verhalten oftmals an. Die Anhaltequoten von Kfz lagen zwischen 65% und 95%, mit höheren Anteilen im Falle von Mittelinseln. Diese Quote wird durch den Fußgängertyp (Alter etc.) kaum beeinflusst, sie ist allerdings bei Gruppen höher. Der in der Fachliteratur vermutete Zusammenhang zwischen Fahrgeschwindigkeit und Anhaltequote konnte – bei kleiner Fallzahl – empirisch festgestellt werden.
Mit Testpersonen, die systematisch bei einer Sichtdistanz von 50 Metern querten, wurden die Videobeobachtungen noch einmal geprüft. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die meisten Interaktionen bereits mehr als 50 m vor dem Überweg beginnen.
Die Arbeit hat für die Planung sicherer Querungsstellen eine hohe Relevanz. Sie gründet sich auf eine recht große Zahl von untersuchten Interaktionen. Trotz des gescheiterten Einsatzes von Horizontal-Laserscannern, die für diese Erhebungen noch nicht ausgereift genug sind, kann die Untersuchung methodisch hilfreiche Hinweise geben. Der Einsatz der Videomethode wird als geeignet eingestuft und kann empfohlen werden. Ein hoher Aufwand bei der Auswertung und Interpretation der Video-Daten muss dabei allerdings eingerechnet werden. Die experimentelle Untersuchung des Fahrerverhaltens durch geschulte Versuchspersonen ist methodisch innovativ und aussagekräftig (in Form eines Paralleltests mit zwei Methoden wird die Zuverlässigkeit der Ergebnisse geprüft). Die Studie gibt Hinweise auf einige der Bedingungen, die zu hohen Anhaltequoten bei den Kfz führen. Sie zeigt aber auch, dass bezüglich der Interaktionen beim Queren immer noch viele Fragen – z.B. zum Einfluss des Umfeldes - offen sind.
Verhalten am Fussgängerstreifen. Forschungsprojekt zur Interaktion zwischen Fahrzeuglenkenden und FussgängerInnen. Methodische Hinweise und quantitative Analysen, 79 S., Zürich 2009,
Thomas Schweizer, Christian Thomas, Pascal Regli
www.fussverkehr.ch (gratis download), gedruckt: 40 CHF (ca. 26 Euro)
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Mai 2010. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de
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