Fast überall wird derzeit über "Shared-Space" diskutiert, das heißt Straßenräume, die auch ohne Schilder für ein friedliches Miteinander von Fahrzeug- und Fußverkehr sorgen. Dies ließe sich am sichersten durch eine Weiterentwicklung der Regelung "Verkehrsberuhigter Bereich" umsetzen. In der StVO-Novelle ist jedoch anderes geplant.

Abbildung: Arndt Schwab

Der Entwurf für die StVO und ihre Verwaltungsvorschriften sieht vor, die Anwendungsmöglichkeiten dieses seit vielen Jahren bewährten Mischverkehrsprinzips einzuschränken. Nach Ansicht des Fachverbandes Fußverkehr Deutschland Fuss e.V. gerät damit Deutschland im europäischen Vergleich ins Hintertreffen, was die Bemühungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer und auch der Lebensqualität in den Städten betrifft.

Verkehrsberuhigung

Deshalb fordert der Verband die Bundesregierung, die Verkehrsminister der Länder und den Verkehrsausschuss im Deutschen Bundestag dazu auf, Verkehrsberuhigung in die Klimapolitik einzubinden und die Maßnahmen als einen wesentlichen Beitrag zur Aufwertung der Städte und Dörfer zu fördern.

Das Bundesverkehrsministerium begründet die geplante StVO-Novellierung mit der Zielvorgabe, eine „Steigerung der Lebensqualität in Innenstädten„ erreichen zu wollen. Laut derzeit geltender Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung dienen Verkehrsberuhigte Bereiche der „Erhöhung der Verkehrssicherheit„; „Gesichtspunkte des Städtebaus, insbesondere des Wohnumfeldes durch Gestaltung des Straßenraumes„ werden ausdrücklich als Anwendungszwecke, sogar als Bedingung genannt.

Diese Aussagen sollen ersatzlos gestrichen werden, und zudem der Einsatz Verkehrsberuhigter Bereiche statt bisher auf „alle Straßen eines abgegrenzten Gebietes„ auf „kleinräumige Bereiche„ eingeschränkt werden. Darüber hinaus werden Behörden und Planer an der vorgesehenen Hürde scheitern, dass zunächst „Vorsorge für den ruhenden Verkehr„ getroffen werden muss. Damit kann die Notwendigkeit des Abstellens von Kraftfahrzeugen wichtiger werden als die Wohnumfeld-Qualität der Anwohner.

Nach Ansicht des FUSS e.V. entwickelt sich die StVO immer mehr zu einem „Blockade-Instrument„ gegen eine nachhaltige Verkehrs-Politik und -Gestaltung in den Städten. Das steht im Widerspruch zu den planerisch-technischen Regelwerken, die den baulichen Stand der Technik darstellen. So ist in den aktuellen Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) als oberstes Ziel festgeschrieben worden, die „Bewohnbarkeit und Funktionsfähigkeit der Städte und Gemeinden„ zu erhalten. Die Richtlinie stellt klar, dass es notwendig sein wird, „die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs an Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren und den Fußgänger- und Radverkehr sowie den öffentlichen Personenverkehr zu fördern.„

Gehwege

Statt einer überfälligen Förderung des Fußverkehrs wird diese Fortbewegungsart durch die geplanten StVO-Veränderungen nach Auffassung der Fußgänger-Lobby noch weiter benachteiligt. So sollen z.B. noch mehr und nun auch erwachsene Radfahrer auf Gehwegen zugelassen werden. Damit würde sich in deutschen Dörfern und Städten das ohnehin teilweise gereizte Klima zwischen den beiden Verkehrsteilnehmern im Umweltverbund unnötig verschlechtern. Zusätzlich soll in der StVO verankert werden, dass Inline-Skater Fußverkehrsflächen mitbenutzen müssen. Darüber hinaus befindet sich derzeit im Bundesverkehrsministerium eine Fragestellung in der abschließenden Diskussion, ob auch Steh-Motorroller (Segways) und damit erstmals Mototorfahrzeuge nicht nur für Gehbehinderte auf Gehwegen zugelassen werden sollen.

Mischflächen

Der Verband FUSS e.V. wendet sich nicht grundsätzlich gegen eine gemeinsame Nutzung von Verkehrsflächen. Während aber in Deutschland alle Verkehrsteilnehmer außer den Kraftfahrzeugen an den Straßenrändern gebündelt werden sollen, benutzen bei zeitgemäßen Projekten in anderen europäischen Staaten alle Verkehrsteilnehmer gemeinsam den gesamten Verkehrsraum. Bei der in der Schweiz entwickelten und bereits 2002 im Straßenverkehrsrecht eingeführten „Begegnungszone„ haben dabei die Fußgänger absoluten Vorrang.

Eine vergleichbare rechtliche Möglichkeit, sogenannte Mischverkehrsflächen auch außerhalb von Wohngebieten einzurichten, besitzen die Kommunen und Straßenverkehrsbehörden in Deutschland sogar schon seit fast drei Jahrzehnten (1980): Der Verkehrsberuhigte Bereich ist das Gleiche wie die Begegnungszone, nur mit der Begrenzung des Fahrzeugverkehrs auf Schrittgeschwindigkeit anstatt 20 km/h. Dies war im internationalen Vergleich eine Pionierleistung.

FUSS e.V. schlägt eine Erweiterung der Regelung „Verkehrsberuhigter Bereich„ vor, um jetzt wieder an die internationale Entwicklung anschließen zu können. Im Kern wird empfohlen, in die Verkehrszeichen für den Verkehrsberuhigten Bereich künftig ein Symbol für die zulässige Fahrzeughöchstgeschwindigkeit zwischen 5 und 20 km/h zu integrieren und damit die örtlichen Einsatzbereiche auch auf Straßen mit überörtlichen Verkehrsbedeutung erweitern zu können. Im Sinne einer europäischen Standardisierung wird angeregt, diese Bereiche künftig auch in Deutschland in „Begegnungszone„ umzubenennen.

Fazit

Noch immer sind Fußgänger im Stadtverkehr besonders gefährdet. Aufgrund der weiterhin auf hohem Niveau liegenden Unfallzahlen, sowie aus Gründen der Luftreinhaltung und der Lärmminderung wird auch in Deutschland dringend eine Verkehrsregelung zwischen Tempo 30 und der „Schrittgeschwindigkeit„ in Verkehrsberuhigten Bereichen benötigt. Dies muss mit einer deutlichen Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der Verkehrsberuhigung verbunden sein.

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