Die Werbung nennt sie die „Generation 50+“, PR-Leute entdecken die „Silver Ager“, Soziologen unterscheiden zwischen „jungen Alten“ und „alten Alten“. Bevölkerungswissenschaftler nennen nüchterne Zahlen: Der Anteil der Einwohner, die 60 Jahre und älter sind, wird von heute 24% auf 37% 2050 zunehmen; dann werden 11% statt heute 4% sogar die 80 überschritten haben (vgl. den Artikel „Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung“ in diesem Heft). Anlass für mobilogisch!-Autor Frank Biermann zu untersuchen wie sich die Verkehrsmittelwahl dieser „Altersgruppe mit Zukunft“ vom modal split anderer Altersgruppen unterscheidet.
Im Jahre 1976 wurde erstmals in Westdeutschland eine umfassende Haushaltsbefragung zum Verkehrsverhalten der Bevölkerung mit dem Namen „Kontinuierliche Erhebungen zum Verkehrsverhalten“ (KONTIV) durchgeführt. Inhaltlich innovativ an der Befragung von Socialdata und Emnid war die Erfassung der Verkehrsmengen anhand des „Wegekonzepts“, bei dem Ortsveränderungen als Mobilitäts-Maßstab als Ergänzung zum bis dahin üblichen „Verkehrsleistungskonzept“ (gemessen in Personenkilometern) herangezogen werden.
Mit den KONTIV-Daten „gewappnet“ konnten Verkehrsinitiativen erstmals mit Unterstützung von Wissenschaftlern nachweisen, dass Rad- und Fußverkehr keine marginalen Größen darstellen. Weitere KONTIV-Erhebungen wurden 1982 und 1989 im „alten Bundesgebiet“ (inkl. West-Berlin) durchgeführt. Die KONTIV 1989 lieferte erstmals auch Daten zur Mobilität von Kindern unter zehn Jahren.
Gegenstück zum KONTIV im Westen war das von der TU Dresden betreute „System repräsentativer Verkehrsbefragungen“ (SrV) im Osten, das auch nach Ende der DDR in den neuen Bundesländern fortgeführt wird. Da es nicht den gesamten Personennahverkehr, sondern nur Städte erfasst, bleibt es hier unberücksichtigt. (1)
Weitere Erhebungen von Forschungsinstituten und der amtlichen Statistik wie das „Sozioökonomische Panel“ (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ (DIW) oder der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes („Kleine Volkszählung“ mit 1%-Stichprobe der Bevölkerung) liefern nur Daten zu Teilaspekten oder für einzelne Jahre und sind daher insbesondere für Vergleiche langfristiger Entwicklungen meist nicht zu verwenden. (2)
Dagegen stellt der „Haushaltspanel zum Verkehrsverhalten“ (MOP) der Universität Karlsruhe seit 1994 für jedes Jahr Daten für Westdeutschland, ab 1999 auch für Ostdeutschland zur Verfügung. Da die Daten zur Verkehrsmittelwahl nur nach dem Verkehrsleistungskonzept, nicht aber nach dem Wegekonzept erfasst werden, wurden sie hier nicht berücksichtigt. (3)
Eine umfassende Haushaltsbefragung für Gesamtdeutschland wurde erstmals 2002 durchgeführt. Neu gegenüber den KONTIV-Erhebungen der 70er und 80er Jahre waren sowohl die Befragung per Telefon, von der man sich erhoffte, bisher nicht erfasste Personen zu erreichen, als auch die Berücksichtigung des Phänomens „Begleitmobilität“. Dazu zählen u.a. die zunehmend „unselbständig“ (d.h. als Mitfahrer im Auto) statt „selbständig“ (zu Fuß oder per Rad) zurückgelegten Schulwege, aber auch Wege alter Menschen mit einer Begleitperson.
Im Gegensatz zu den KONTIVs 1976 und 1982 und dem MOP, die nur eine Stichprobe der deutschen Wohnbevölkerung erfassen, wurden bei der Erhebung 2002 - wie bereits im KONTIV 1989 - auch ausländische Bürger befragt.
Anfangs noch als „KONTIV 2002“ bezeichnet, wird die Erhebung nun offiziell als „Mobilität in Deutschland“ (MiD) geführt. Hintergrund der Namensänderung ist eine engagiert und sehr kontrovers geführte Debatte zwischen den KONTIV-„Erfindern“ von Socialdata und den MiD-Autoren „Institut für angewandte Sozialwissenschaft“ (INFAS) und DIW über die Erhebungsmethodik. (Die Kontroverse ist in den mobilogisch!-Ausgaben 2/04 und 4/06 dokumentiert und als „mobilogisch!- Paket KONTIV/ MiD“ für 7 Euro bei uns erhältlich.)
Die Aussagen zur Verkehrsmittelwahl der Älteren in diesem Artikel stützen sich auf die das Wegekonzept nutzenden Erhebungen KONTIV 1976, KONTIV 1982, KONTIV 1989 und MiD 2002. Damit ist eine Übersicht über einen Zeitraum von 26 Jahren möglich.
Selbstverständlich ist ein Vergleich von Daten für Westdeutschland/alte Bundesländer (alle KONTIVs) mit der Untersuchung für Gesamtdeutschland (MiD 2002) nur begrenzt sinnvoll. Zwar war schon im Auftrag für MiD gefordert, eine Vergleichbarkeit mit den Vorgängererhebungen zu gewährleisten, die unterschiedlichen Erhebungsgebiete erschweren jedoch den Vergeleich. Die Gegenüberstellung der Daten wird hier trotzdem „gewagt“, da sich viele Mobilitäts-Parameter zwischen den neuen und den alten Bundesländern inzwischen angeglichen haben.
Nach Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universitäten Karlsruhe und Mannheim auf Grundlage des „Mobilitätspanels“ (MOP) waren 1999/2000 z.B. bei den Indikatoren „Pkw/1.000 Einwohner“ und „zurückgelegte Entfernung pro Tag“ keine nennenswerten Unterschiede mehr zu verzeichnen, während sie zur Zeit der Wende noch sehr ausgeprägt waren (ABL: 481 Pkw/ 1.000 Einwohner, DDR/NBL: etwa 250 Pkw/ 1.000 Einwohner ). Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass „für Personen mit vergleichbaren sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen und räumlichem Umfeld von einem ähnlichen Verhalten in den ABL und NBL ausgegangen werden kann.“ Beim für die Verkehrsmittelwahl entscheidenden Einflussfaktor - der Pkw-Verfügbarkeit - ist allerdings noch ein Unterschied von über zehn Prozentpunkten vorhanden. Dieser Durchschnittswert aller Altersgruppen steigt bei den 61-70 Jahre Alten auf 14 Prozentpunkte, bei den über 70jährigen sogar auf 27 Prozentpunkt an.
Mit einem Anteil von etwa einem Drittel aller Wege sind sowohl die jüngsten Altersgruppen (bis 10 Jahre) als auch die Älteren (60 Jahre und älter) die eifrigsten Fußgänger. Auch Jugendliche (11-17 Jahre) legen noch ein gutes Viertel ihre Wege zu Fuß zurück. Im erwerbsfähigen Alter (18-59) sinken die Fußweganteile auf ungefähr ein Fünftel aller Wege.
Der Modal split der Älteren (ab 60 Jahre) 2002 sieht folgendermaßen aus: 49,8% sind mit MIV, 32,3% zu Fuß, 9,7% mit dem Fahrrad und 7,0% der Älteren sind mit den ÖPNV unterwegs.
Da der Tabellenband der MiD-Erhebung für ältere Verkehrsteilnehmer nur eine sehr grobe Aufschlüsselung enthält, lassen sich ihm keine Aussagen zu verschiedenen Gruppen von Alten entnehmen. Allerdings stellt MiD neben einer Aufschlüsselung nach Altersgruppen auch eine Auswertung nach „Lebensphasen des Haushalts“ zur Verfügung.
In der Kategorie „Alleinstehende Rentner“ liegt der Fußwegeanteil bei 45%, während er bei „Rentner Haushalten“ nur 24% beträgt. Da die Anzahl der „Single-Haushalte“ mit zunehmendem Alter zunimmt, wenn ein (Ehe)partner bereits gestorben ist, lässt dies die Annahme zu, dass der Fußwegeanteil auch innerhalb der Gruppe der Ruheständler mit zunehmendem Alter noch ansteigt. Welche Rolle dabei als Ursache mit fortschreitendem Alter zunehmende körperliche Beeinträchtigungen spielen, muss näher noch untersucht werden. Es ist jedoch zu vermuten, dass sie zuerst die Nutzung des eigenen Pkw und erst mit sehr hohem Alter wegen Gehproblemen auch die Verkehrsteilnahme als Fußgänger erschweren.
Die Daten der KONTIV 1989 (ohne Kombiwege, die allerdings nur 5% aller Wege ausmachen), die eine feinere Altersaufschlüsselung enthält, belegen dies im Prinzip. Der Fußwegeanteil aller „Alten“ (hier definiert als über 65jährige Befragte) lag damals mit 51% noch deutlich höher als bei MiD 2002 (34%). Die Werte steigen von 44% (65-69jährige), über 54% (70-74) bis auf 59% (75-79) kontinuierlich an. Erst bei den ab 80jährigen sinkt der Wert leicht auf den - immer noch über dem Durchschnitt aller Alten liegenden - Anteil von 53% ab.
Bei den Fahrten mit dem Fahrrad unterscheiden sich die ganz Jungen und die ganz Alten deutlich. Die höchsten Radverkehrsanteile an allen Wegen haben mit etwa einem Fünftel die Jugendlichen; bei den 7-10jährigen sind es immerhin 13%. Sowohl bei Verkehrsteilnehmern im Erwerbsalter als auch bei den „älteren Semestern“ liegen die Fahrradanteile idR unter zehn Prozent und unterscheiden sich um maximal vier Prozentpunkte. Am stärksten ausgeprägt ist diese Differenz innerhalb der Erwachsenengruppen zwischen den 18-39jährigen (7% Radwegeanteil) und den 60- 64jährigen (11%).
Sowohl bei der KONTIV 1989, als auch bei MiD 2002 lag der Radwegeanteil aller Alten (über 65jährigen) bei 9 %, die feinere KONTIV-Altersaufschlüsselung ist hier also am ehesten auch für 2002 repäsentativ. Vermutlich aufgund der - im Vergleich zum Fußverkehr höheren – Anforderungen an körperliche Fitness sinken die Radwegeanteile in den höheren Altersgruppen von 11% (65- 69jährige), über 9% (70-74) und 8% (75-79) auf 7% bei den ab 80jährigen.
Die höchsten Wege-Anteile der MIV-Nutzer (Fahrer und Mitfahrer) weisen erwartungsgemäß die Altersgruppen zwischen 18 und 59 Jahren auf. Der Anteil von etwa zwei Dritteln aller Wege erklärt sich aus einer hohen Pkw-Verfügbarkeit und den Anforderungen des Erwerbslebens (lange Wege zur Arbeitsstelle etc. )
Der Modal split der Erwerbsfähigen (18 bis 59 Jahre) 2002 sieht folgendermaßen aus: 65,6% sind mit MIV, 19,1% zu Fuß, 7,7% mit dem Fahrrad und 6,4% der Erwerbstätigen sind mit den ÖPNV unterwegs.
Bereits die 60-64jährigen nutzen das Auto deutlich weniger (Anteil: 45 %). Hintergrund dürfte der fließende Übergang ins „Rentnerdasein“ trotz des „offiziellen“ Rentenalters von 65 Jahren sein. Die Pkw-Anteile der über 65jährigen bleiben in der gleichen Größenordnung. Eine Auswertung auf Grundlage der Lebensphasen zeigt einen nur halb so hohen Pkw-Anteil der (idR älteren) „Single- Rentner“ (31%) gegenüber den Rentner-Haushalten (61%). Auch unterscheidet sich der Anteil der Pkw-Fahrer deutlich („Single“: 23%, „Haushalte“: 44%).
KONTIV 1989, bei dem der MIV-Anteil aller Alten noch bei 33% (gegenüber 47% 2002) lag, bestätigt die Annahme mit dem Alter zurückgehender Pkw-Anteile allerdings nicht. Zwar liegt der Wert für die 65-69jährigen, die z.T. noch erwerbstätig sein dürften, noch bei überdurchschnittlichen 38%, bei den Älteren bleibt der MIV-Anteil aber dann mit geringen Schwankungen auf einem hohen Niveau stehen (30% bei den 70-74jährigen, 27% bei den 75-79 jährigen und 31% bei den ab 80jährigen).
Die geringsten Pkw-Anteile (als Mitfahrer) von einem Drittel sind bei den Jugendlichen (11-17 Jahre) zu finden, die allerjüngsten (bis 6 Jahre) sind im Gegensatz dazu zu knapp drei Fünfteln mit dem Auto unterwegs.
Bei den ÖPNV-Nutzern zeigt sich eine ähnliche Struktur unter den Altersgruppen wie bei den MIV-Nutzern: Die modal split-Anteile liegen im Erwerbs- und Rentenalter ähnlich hoch; mit etwa 5% aber niedriger als bei den Pkw-Nutzern. Mit etwa einem Fünftel sind die Jugendlichen „ÖPNVStammgäste“. Besonderheiten weist die Gruppe der jungen Erwerbstätigen (18-29 Jahre) mit einem doppelt so hohen ÖPNV-Anteil wie die älteren Erwachsenen auf (10% aller Wege); auch bei den über 65jährigen steigt der ÖPNV-Anteil wieder (8%).
Die Betrachtung der Lebensphasen lässt vermuten, dass der ÖPNV-Anteil mit zunehmendem Alter deutlich ansteigt, da er bei den „Single-Rentnern“ (13%) mehr als doppelt so hoch liegt wie bei den Rentner-Haushalten (5%).
Die KONTIV 1989 (ÖPNV-Anteil aller Alten bei 7 %, MiD 2002: 8%) zeigt hier aber ein differenzierteres Bild: Die Werte sinken zunächst von 8% (65- 69jährige), über 7% (70-74) bis auf 5% (75-79), steigen dann aber bei den ab 80jährigen wieder auf einen ÖPNV-Anteil von zehn Prozent an.
Da nur für die KONTIV 1989 und MiD 2002 eine Aufschlüsselung nach Altersgruppen vorliegt, musste für einen langfristig angelegten Vergleich der Verkehrsmittelwahl ein anderer Indikator gewählt werden. Bei der Bildung der Kennziffern „sozio-demographische Personengruppe“ (in den KONTIVs verwendeter Begriff) bzw. „verhaltenshomogene Personengruppe“ (MiD-Terminus) ist das Lebensalter neben der Erwerbstätigkeit von entscheidender Bedeutung. Der Indikator eignet sich daher gut für die Erfassung des Verkehrsverhaltens in den drei „Haupt-Lebensphasen“ Kindheit/Ausbildung - aktive Lebensphase/Erwerbstätigkeit und Ruhestand/ Rente.
Für den Zeitvergleich des modal split wurden die Befragten zu sechs Gruppen zusammengefasst: Schüler (ab 10Jahren), Studenten, Auszubildende, Erwerbstätige, Rentner, Sonstige. (4)
Die Anteile des Fußgängerverkehrs an allen Wegen von Personen ab 10 Jahren sind im Zeitraum von 1976 bis 2004 um etwa ein Viertel zurückgegangen. Anders ausgedrückt: Der Fußweganteil ging um neun Prozentpunkte von 34% auf 25% zurück.
Betrachtet man die verschiedenen sozio-demografischen Personengruppen so sind die stärksten Rückgänge bei den Rentnern (42% bzw. 26 Prozentpunkte) und den Auszubildenden (33%, Rückgang der Prozentpunkte dagegen mit 8% unterdurchschnittlich) zu verzeichnen. Lediglich unter den Studenten konnten die Fußwege-Anteile fast gehalten werden (1976: 22%, 2002: 20%).
Im Durchschnitt blieben die Anteile des Fahrrads (KONTIVs: inkl. Mofa, MiD: exkl. Mofa) am Gesamtverkehr 2002 auf dem Niveau von 1976; die KONTIV-Erhebungen 1982 und 1989 weisen dagegen höhere Radverkehrsanteile aus (11 % bzw. 12%).
Betrachtet man die einzelnen Personengruppen so zeigen sich jedoch extreme Unterschiede im Zeitvergleich: Massive Verluste bei älteren Schülern (31% bzw. acht Prozentpunkte) und Azubis (55% bzw. neun Prozentpunkte) stehen ebenso deutliche Gewinne bei Rentnern und Studenten (56% bzw. 100% bei allerdings niedrigen Ausgangswerten von 6% bzw. 7% Verkehrsanteil) gegenüber. Die Zunahme um 39% unter den Erwerbstätigen erfolgte ebenfalls von einen geringen Niveau aus (Radwegeanteil 1976: 5%).
Die starke Zunahme des Anteils der MIV-Fahrten (KONTIVs: inkl. Moped, Motorrad, Taxi; MiD: inkl. Lkw-Fahrer, Mofa, Moped, Motorrad) um 30% bzw. 14 Prozentpunkte hängt wohl vor allem mit dem „Nachholbedarf“ in Ostdeutschland zusammen. In dem 13-Jahres-Zeitraum von 1989 (KONTIV West) bis 2002 (MiD West+Ost) nahm der MIV-Anteil um 9 Prozentpunkt zu. Im 13-Jahres-Zyklus von 1976 bis 1989, in dem ausschließlich westdeutsche Befragte erfasst wurden, stieg der Anteil dagegen nur um 5 Prozentpunkte.
Mit Abstand die größten Zuwächse sind unter den Rentnern festzustellen (157% bzw. 29 Prozentpunkte), aber auch unter den Schülern ab 10 Jahren finden sich immer mehr Umsteiger ins „Eltern-Taxi“ (Zunahme 136% bzw. 21 Prozentpunkte). Auch die Auszubildenden legen noch überdurchschnittlich zu, während das Potenzial bei den Erwerbstätigen offenbar (fast) ausgeschöpft ist; ihr MIV-Anteil steigt nur noch von 63% (1976) auf 69% (2002) an. Einzig und allein unter den Studenten gehen die Anteile – allerdings von einem hohen Niveau von 56% ausgehend - um zehn Prozentpunkte zurück.
Während der Fußverkehr die größten Verluste gemessen in Prozentpunkten zu verzeichnen hat, ist der Anteil der ÖPNV-Fahrten (KONTIVs: inkl. Eisenbahn; MiD: exkl. Eisenbahn) auf Basis eines prozentualen Vergleichs am stärksten zurückgegangen. Seine Wege-Anteile gingen - um mehr als ein Drittel - von 12% bzw. 13% (1976/1982) auf 8% zurück.
Eine Zunahme gab es nur unter den Studenten, deren ÖPNV-Anteil von einem nennenswerten Niveau als Basis (16% 1976) auf 20% (2002) zunahm. Überdurchschnittliche Rückgänge des ÖPNVAnteils sind vor allem bei Rentnern (46% bzw. sieben Prozentpunkte), aber auch bei Azubis (neun Prozentpunkte, prozentualle Abnahme aber wie im Durchschnitt) festzustellen.
Welches Fazit der Entwicklung der Verkehrsmittelwahl von 1976 bis 2002 lässt sich unter Umweltgesichtspunkten ziehen? Den „Öko-Preis“ haben sich sicherlich die Studenten mit Zunahmen bei ÖPNV und Rad, Stagnation bei den Fußwegen und Rückgängen beim MIV verdient. Es kann vermutet werden, dass ihr hohes Bildungsniveau zu einer überdurchschnittlichen Sensibilität für ökologische Fragen geführt hat. Gleichzeitig werden ein hohes Maß an Zeitautonomie und körperlicher Fitness sowie Wohnorte in den Kernstädten mit kurzen Wegen zu diesem Ergebnis beigetragen haben.
Am ungünstigsten ist dagegen die Entwicklung bei den Rentnern. In dieser Personengruppe sind die größten Verluste an Verkehrsanteilen beim Fußverkehr und beim ÖPNV zu verzeichnen, während ihr Anteil am MIV am stärksten zugenommen hat. Lediglich die Zunahme ihrer Radverkehrsanteile um die Hälfte liefert erste Ansatzpunkte dafür, dass Kampagnen, die einen Mix aus Bewegung, Gesundheit und Umwelt in den Vordergrund stellen, vielleicht auch diese wachsende Bevölkerungsgruppe wieder für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes gewinnen können.
Die erste gesamtdeutsche Erhebung „Mobilität in Deutschland“ 2002 zeigt, dass die „älteren Semester“ neben den Jüngsten zu den eifrigsten Fußgängern gehören. Beim Radverkehr liegt der Anteil der „jungen Alten“ noch über dem der mittleren Jahrgänge, geht aber dann mit zunehmendem Alter zurück. Ältere Verkehrsteilnehmer legen heute fast die Hälfte ihrer Wege mit dem Auto zurück; sie unterschreiten damit den Anteil der Erwerbstätigen aber immer noch deutlich. Nur bei den „Jung-Senioren“ liegen die ÖPNV-Anteile über dem Durchschnitt, „alte Alte“ nutzen öffentlichen Verkehrsmittel dagegen nur etwa genauso oft wie Personen mittleren Alters.
Ein Vergleich mit der westdeutschen KONTIV-Erhebung von 1976 zeigt, dass die Enwicklung der modal split-Anteile bei Rentnern unter ökologischen Gesichtpunkten am ungünstigsten verlief. In dieser Personengruppe sind die größten Verluste an Verkehrsanteilen beim Fußverkehr und beim ÖPNV zu verzeichnen, während ihr Anteil am MIV am stärksten zugenommen hat. Lediglich Radverkehrsanteile konnten die Ruheständler hinzugewinnen.
Dieser Artikel von Frank Biermann ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2006, erschienen.
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