Fußgänger und Radfahrer sind Menschen, die eigentlich ähnliche Interessen in Bezug auf ihre Art und Weise der Fortbewegung haben. Sie bewegen sich umweltfreundlich, lärm- und abgasfrei; sie tun allein dadurch viel für ihre Gesundheit und die ihrer Mitmenschen, dass sie die alltäglichen Wege mobil aus eigener Kraft zurücklegen. Kurz: Zu Fuß gehen und Rad fahren ist optimal für Urbanität und Stadtverkehr.
In Darmstadt gibt es eine sehr attraktive Fußgängerzone mit vielen Geschäften, Arztpraxen, Büros und Wohnungen. Die als Fußgängerzone beschilderten, zusammenhängenden Straßen nehmen eine Fläche von ungefähr 0,25 qkm ein. Eine dieser Straßen ist die Wilhelminenstraße. Sie ist für den Radverkehr freigegeben, ja hier führt sogar die Hauptroute des Radverkehrs in Nord-Süd- Richtung durch Darmstadt entlang und auch eine wichtige überregionale Radroute.
Leider gibt es zu dieser Route für den Radverkehr keine Alternative: Weder westlich noch östlich besteht in angemessener Entfernung eine auch nur annähernd durchgängig befahrbare Radverkehrsverbindung. Der Radverkehr ist somit gezwungen, durch die Fußgängerzone zu fahren. Und jeder, der alltagsmäßig mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs ist, weiß, dass man da in der Regel in Eile ist. Die in der Fußgängerzone vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit ist dabei natürlich ein Hindernis.
Für Radfahrer und Radfahrerinnen mit Quelle und Ziel außerhalb der Fußgängerzone ist dringend eine Fahrtstrecke zu gestalten, auf der angemessene Fahrgeschwindigkeiten möglich sind.
Auch Fußgänger und Fußgängerinnen, die zu ihrer Arbeitsstelle gehen, einen Termin beim Arzt oder Anwalt wahrnehmen möchten, zu Kulturveranstaltungen eilen, bewegen sich mit hoher Gehgeschwindigkeit fort, also genau in dem Tempo, mit dem die Radfahrer und andere Fahrzeugführer in der Fußgängerzone fahren dürfen sollten. Nun kommt es sehr wohl vor, dass auf Grund der sehr zu begrüßenden Lebendigkeit in der Fußgängerzone bummelnde, schlendernde, Schaufenster betrachtende und sich unterhaltende Fußgänger mit den Eiligen in Konflikt geraten.
Eine Zonierung der Verkehrsfläche nach StVO ist in der Fußgängerzone nicht möglich, aber es wäre eine Diskussion wert, die Fläche künstlerisch so zu gestalten, dass ein shoppender Besucher der Fußgängerzone sehr wohl erkennen kann: Hier beginnt ein Bereich, in dem sich Menschen schneller und zielgerichteter fortbewegen als ich.
In der Mitte der Wilhelminenstraße könnte ein vier Meter breiter Streifen mit etwa 10 cm im Durchmesser großen Kreisflächen belegt sein, die bei Trittberührung diese Trittenergie in goldenes Licht umwandeln und bei Befahren die Druckenergie in silbernes Licht.
Die Lichtpunkte sollen nicht regelmäßig sondern über die gesamte Fläche der Schnellgehbahn verteilt werden. Es darf nicht der Eindruck einer Begrenzung entstehen, was zu sehr wie eine Aufforderung zur Rechthaberei aussähe. Die Lichtspur will nur schnell Gehende und langsam fahrende Menschen zur zügigen Fortbewegung einladen und allen anderen Verkehrsteilnehmern oder Flaneuren Orientierung geben.
Die Geschäfte der Innenstadt Darmstadts stehen in Konkurrenz zu den Einkaufszentren auf der „Grünen Wiese“, aber auch zu anderen Innenstädten des Rhein-Main-Gebiets. Mit historischen Gebäuden kann Darmstadt hier nicht aufwarten, im Krieg sind 80% der Innenstadt zerbombt worden. Eine künstlerisch nach den Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit und der Aufenthaltsqualität gestaltete Fußgängerzone bringt die Fußgängerzone Darmstadts ins Zentrum des Interesses einer breiten Öffentlichkeit und Kundschaft.
Der FUSS e.V. und der ADFC Darmstadt e.V. fordern gemeinsam die Öffnung des „Wilhelminenbuckels“ für den Radverkehr bei gleichzeitiger Kontrolle der Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit aller Fahrzeuge, insbesondere der Kraftfahrzeuge. Die Vorschläge aus dem Workshop der Stadt Darmstadt zum Thema ‚Verkehrssicherheit in der Fußgängerzone Darmstadt‘ vom 26.1.06 sollen umgehend umgesetzt werden.
So wie die Autos ein ihnen entsprechendes Fahrbahnnetz rund um die Fußgängerzone (sogar unter der Fußgängerzone) vorfinden können, so fordern FUSS e.V. und ADFC gemeinsam Radfahrstraßen und Radverkehrsanlagen, die den Radfahrern eine attraktive alternative Strecke jenseits der Fußgängerzone bieten. Fußgänger- und Radverkehr sollen als ernsthafte Alternative zum Auto angesehen und entsprechend gefördert und mindestens gleichrangig behandelt werden.
Dieser Artikel von Jörg Urban (ADFC Darmstadt e.V.) und Sylke Petry (FUSS e.V.) ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2006, erschienen.
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