Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 17/1998

Ausgangslage

In ihrer 1996 an der Universität Lüneburg angefertigten Magisterarbeit im Fach Wirtschafts- und Sozialgeographie hat Cornelia Helmke eine Analyse des Fußgängerverkehrs in der Innenstadt von Frankfurt a.M. durchgeführt und auf dieser Grundlage Planungsempfehlungen zur kurz- und langfristigen Verbesserung der Situation für Fußgänger entwickelt. Die Untersuchung war auf das Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes zur „Erarbeitung von Grundlagen für die Umsetzung von § 40 Abs. 2 BImSchG“ (Bundesimmissionsschutz-Gesetz) bezogen, in dem Frankfurt eine der Modellstädte war. In diesem Zusammenhang sollte die Untersuchung Ansatzpunkte für eine Attraktivierung des Fußgängerverkehrs (d.h. „Pull-Faktoren“) aufzeigen und einen Beitrag für einen geplanten temporären (sechswöchigen) UBA-Modellversuch in Frankfurt liefern. Die Magisterarbeit ist bei der Verfasserin in Kopie erhältlich.

Inhalt

Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile: a) eine Beschreibung der fachlichen Einordnung in die Geographie sowie der theoretischen und methodischen Grundlagen, b) eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Situation und der Probleme des Fußgängerverkehrs in der Frankfurter Innenstadt, c) die Formulierung von Planungsempfehlungen. Das Untersuchungsgebiet hat eine Ausdehnung von einem auf 1,7 km; es hat 11.500 Einwohner; rund 140.000 Pendlerwege haben hier ihr Ziel oder ihre Quelle.

Methodisch basiert die Arbeit neben einer Literaturanalyse auf Beobachtungen (eigene Erhebungen, Beobachtungen anderer Fußgänger, inklusive Zeitmessungen), Expertenbefragungen, Lärmmessungen in ausgewählten Straßenräumen und Auswertungen statistischer Quellen. In den Analysen wird nach folgenden Sachverhalten unterschieden: stadtökologische Gegebenheiten, Infrastruktur für Fußgänger, Quellen und Ziele des Fußverkehrs, Fußgängerlängsverkehr, Querungsverkehr, Gestaltung von Fußgängerbereichen, Sicherheit der Fußgänger, Belange mobilitätsbehinderter Menschen.

Die Analysen zeigen eine Fülle von Mängeln in diesem wegeaufkommensstarken Bereich der Stadt auf:

zu schmale Gehwege, die der Zentralität des Gebietes nicht gerecht werden, Flächenkonflikte auf kombinierten Fuß- und Radwegen, fußgängerunfreundliche Lichtsignalanlagen auf einigen Hauptfußwegeachsen in die Innenstadt, geringe Dichte von Fußgängerüberwegen, problematische soziale Sicherheit in Teilbereichen, eine starke Verlärmung innerstädtischer Straßenräume, hohe lufthygienische Belastungen, die Beschränkungen des Autoverkehrs erforderlich machen.

In der Untersuchung wird einigen Bedingungen des Zufußgehens nachgegangen, die in Verkehrsuntersuchungen relativ selten einbezogen werden: der Straßenkriminalität als einer Komponente der Sicherheit für Fußgänger (die vorhandenen polizeilichen Daten lassen allerdings keine Unterscheidung zwischen Delikten im Straßenraum und Gebäuden zu); Behinderungen auf Gehwegen durch verkehrstechnische Einbauten, Baustellen und Auslagen von Geschäften; stadtökologische Bedingungen des Zufußgehens, wie Temperatur (Klimafunktionsräume), Wind (Düseneffekte, Verwirbelungen an Gebäudefüßen, Staueffekte), Zufuhr von Frischluft, Straßenlärm.

Die Planungsempfehlungen werden in kurzfristige Maßnahmen, die auch im Rahmen eines Modellversuchs umgesetzt werden können, und langfristige Planungsleitlinien unterschieden. Zu den kurzfristigen Maßnahmen gehören

a) Verbesserungen der infrastrukturellen Rahmenbedingungen des Gehens, wie die Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen oder temporären Fußgängerzonen und Fahrradstraßen, die fußgängerfreundliche Schaltung von Lichtsignalanlagen v.a. an den Hauptfußwegeachsen in die Innenstadt, das Verbieten des Gehwegparkens, die Einrichtung von Tempo 30 in der ganzen Innenstadt;

b) Attraktivierungen bei den für den Fußgängerverkehr wichtigen Zubringern (öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrad);

c) Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, wie z.B. ein Aktionstag „Die Frankfurter Innenstadt atmet auf“, eine „Woche des Fußgängers“ und das Werben für eine Public Private Partnership, die von der Verfasserin als ein Instrument zur Finanzierung von stadtgestalterischen Maßnahmen angesehen wird.

In die langfristigen Planungsleitlinien werden vor allem Maßnahmen aufgenommen, die auf eine Verringerung des Kfz-Aufkommens in der Innenstadt hinwirken sollen: u.a. Veränderungen im Straßennetz und die Einrichtung einer Mobilitätsberatungsstelle (die mittlerweile in Frankfurt realisiert ist). Für den Fußgängerverkehr soll ein durchgängiges Gehwegnetz in der Innenstadt ausgestaltet und die Dichte des Wegenetzes durch Passagen und das Öffnen von Durchgängen erhöht werden.

Bewertung

Die Verfasserin hat das komplexe Thema des Fußgängerverkehrs in der Innenstadt einer Großstadt in detaillierten Analysen beleuchtet und dabei auch selten berücksichtigte Aspekte wie die Straßenkriminalität, Behinderungen durch Baustellen, Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern und stadtökologische Bedingungen berücksichtigt. 78 Fotos veranschaulichen gut die textlichen Ausführungen. Die Diskussion des Instruments der Public Private Partnership, bei der Private Aufgaben der öffentlichen Hand aus dem Bereich der Stadt- und Straßenraumgestaltung übernehmen und sich an der Finanzierung beteiligen, hätte - angesichts des Engpaßfaktors „Finanzierung“ - bei den Planungsempfehlungen etwas mehr Raum verdient. Es ist zu wünschen, daß nach dem Beispiel dieser Untersuchung Diplom- und Magisterarbeiten auch für andere Innenstädte von Großstädten angefertigt werden.

 

Titel:

Cornelia Helmke: Der Fußgängerverkehr in der Innenstadt von Frankfurt am Main - eine geographische Untersuchung. Magisterarbeit im Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften (Wirtschafts- und Sozialgeographie) der Universität Lüneburg. August 1996.

Bezug:

bei der Verfasserin; Adresse: Guineastr. 4, 13351 Berlin. Preis: ca. 30 DM (inkl. Versand).

Impressum:

Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, August 1998. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de

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