Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 30/2002
Der Fuss- und Radverkehr hat in den letzten drei Jahrzehnten an Anteilen verloren. Ein Grund für diese ungünstige Situation ist die unzureichende Förderung des nicht-motorisierten Verkehrs und insbesondere des Fussverkehrs. Dies äussert sich auf vielfältige Weise: im Bereich der Planungskonzepte und deren Umsetzung, bei der Finanzierung, in (verkehrs)rechtlichen Regelungen wie auch bei den „soft policies“. Diese genannten Themenfelder sind Gegenstand der Studie der Arbeitsgemeinschaft Planersocietät, ISUP GmbH und Schrift-Verkehr, die im Auftrag des Umweltbundesamtes im Rahmen des Umweltforschungsplans des Bundesumweltministeriums erstellt wurde.
Die Studie gliedert sich in zwei Hauptteile: a) einen Leitfaden für die kommunale Praxis insbesondere in kleineren und mittleren Kommunen, der Massnahmen und Strategieansätze zur Förderung des Rad- und Fussverkehrs aufzeigt; b) eine umfassende Analyse von planerischen, rechtlichen und organisatorischen Defiziten, die eine Attraktivitätsteigerung beim Fuss- und Radverkehr behindern. Hinzu kommen noch - auf einer Seite der Studie voran gestellt - zwölf Leitsätze zur Rad- und Fussverkehrsförderung, in der die wichtigsten Ansätze und Forderungen zusammengefasst sind.
Der Leitfaden enthält ein Kapitel, in dem die im engeren Sinne verkehrsplanerischen Maßnahmen im Bereich des Fussverkehrs in verschiedenen Handlungsfeldern dargestellt werden (Netzanforderungen, Qualitätsstandards, Gehwegbreiten, Querungsmöglichkeiten, Hauptgeschäfts- und Hauptverkehrsstrassen, Orientierung und Wegweisung). Den grösseren Teil des Leitfadens machen Ausführungen zu organisatorischen und finanziellen Handlungsbereichen aus. Sie betreffen die Themen Akteure, Öffentlichkeitsarbeit, Services, Verkehrsberuhigung, Finanzierung, Organisation der Planung und Planungsinstrumente. Eine Sammlung von ausgewählten „best practices“ mit einigen Beispielen zum Fußverkehr (Kampagne „Esslingen geht“, Baustellenplanung ohne Fußgängerbehinderungen in Basel, Aktion „wandern + wundern“, Touristisches Fußgänger-Leitsystem in Zingst), eine Adressen- und Literaturliste sowie eine Checkliste runden die Leitfadendarstellung ab.
Die in Teil 2 präsentierte Defizitanalyse geht von den Annahmen aus, dass es in den meisten Kommunen noch hohe Potenziale für den Fuss- und Radverkehr gibt und es möglich ist, die Verkehrsmittelwahl mit geeigneten, qualitätssteigernden Massnahmen zu Gunsten dieser beiden Verkehrsmittel zu beeinflussen. Ein Veränderungsbedarf bestehe dabei nicht nur auf der Ebene der Städte und Gemeinden, sondern auch der Länder und des Bundes, weil dort der finanzielle und rechtliche Rahmen gesetzt wird.
Die Defizitanalyse umfasst rechtliche Regelungen (StVO und dazugehörige Verwaltungsvorschrift sowie die relevanten Richtlinien und Empfehlungen), Defizite im Bereich der Planungskonzepte, der Organisation und Finanzierung sowie Defizite im Bereich der „soft policies“, zu der die Zusammenarbeit mit Dritten, Service-Angebote, die Verkehrssicherheitsarbeit sowie die Öffentlichkeitsarbeit gezählt werden. So sind z.B. eigenständige Fußverkehrskonzepte in kleineren und mittleren Gemeinden nicht vorhanden; ein fehlender Systemansatz bei der Netzplanung ist ein Grund dafür, dass zu geringe finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzierungsmöglichkeiten für den Fußverkehr sind zudem noch geringer als beim Radverkehr. Es wird unter anderem empfohlen, das GVFG für Fussverkehrsmaßnahmen zu erweitern: zur Verbesserung der Erreichbarkeit von ÖPNV-Haltestellen sowie bei nachträglich notwendig gewordenen Maßnahmen zur Verbesserung der Querung von Hauptverkehrsstrassen.
Der Leitfaden beschreibt in konzentrierter Form Handlungsfelder und wichtige Maßnahmen zu Gunsten des Rad- und Fussverkehrs. Die Schwerpunktsetzung auf den „weichen“, organisatorischen und finanziellen Aspekten einer solchen Politik dürfte sich für die praktische Arbeit in politischen Gremien als besonders nützlich erweisen. Schon die formulierten zwölf Leitsätze zur Rad- und Fussverkehrsförderung können als eine Art Checkliste für die verkehrspolitische Arbeit in Gremien sowie die Bewertung des Verwaltungshandelns herangezogen werden. Die eigentliche Checkliste im Leitfaden könnte für den Teil Fußverkehr allerdings ruhig noch ausführlicher sein.
Die vorgenommene Defizitanalyse stellt eine systematische, detaillierte Darstellung dar, wie sie in Bezug auf die deutsche Planungspraxis in dieser Form bislang noch nicht vorlag. Die jeweils gezogenen Schlussfolgerungen zeigen gut auf, welche Anstrengungen noch unternommen werden müssen, um den Fuß- und Radverkehr gegenüber anderen Verkehrsmitteln aufzuwerten.
Mit einem Schwarz-Weiss-Druck fällt die Broschüre im Vergleich zu neueren Veröffentlichungen anderer Institutionen etwas ab; die Abbildungen des Leitfadens kommen dadurch leider nicht richtig zur Geltung.
Chancen des Rad- und Fussverkehrs als Beitrag zur Umweltentlastung. Leitfaden und Defizitanalyse, im Aufrag des Umweltbundesamtes (Forsch.bericht 298 96 112). UBA-Texte 32/01, Berlin, April 2001, 120 S.
Elke Plate, Gernot Steinberg, Michael Haase, Jürgen Brunsing.
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Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, März 2002. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de
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