Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 32/2002
In vielen Ferien- und Wanderregionen entstand in den 1960er und 70er Jahren ein ausgedehntes Wanderwegenetz. Mittlerweile befinden sich diese Wegenetze vielerorts in einem schlechten Zustand. Mit dem seit einigen Jahren festzustellenden Wiedererstarken der landschaftsbezogenen Erholungsformen und neuen Typen von Wanderern werden die Ansprüche an die Wanderinfrastruktur vielfältiger, deren Defizite werden so immer größer. Es stellt sich daher die Frage, wie die Qualität der Infrastruktur weiter entwickelt werden kann und auf welchen Abschnitten des Wegenetzes dies vordringlich geschehen muss. In der Diplom-Arbeit von Erik Neumeyer wird eine systematische Bestandsanalyse der Wanderinfrastruktur am Beispiel des Naturparks Südeifel durchgeführt. Auf dieser Grundlage wird eine Bewertung der Attraktivität dieser Wanderwege vorgenommen und die Möglichkeit einer Reduktion des Wegenetzes auf die attraktivsten Wege untersucht. Damit sollen Hinweise gegeben werden, wie die Qualität des gegebenen Wanderwegenetzes erhöht und die knappen finanziellen und personellen Ressourcen bei der Wegebetreuung am besten eingesetzt werden können.
Es wird eine Methodik für die Erfassung und Aufbereitung von Daten zu Wanderwegen mit Hilfe eines Geo-Informationssystems (GIS) entwickelt. Der erhobene Bestand der Wanderinfrastruktur im Naturpark Südeifel wird - unter Nutzung des GIS - mit einem eigenen Modell zur Erfassung der Wanderwegeattraktivität bewertet. Schließlich werden die im Hinblick auf ihre Wegeattraktivität schlecht bewerteten Wegstücke in zwei „Reduktionsszenarien“ mit Hilfe des GIS aus dem Wegenetz herausgenommen, um Ansatzpunkte für eine Neustrukturierung des Netzes zu finden.
Bei der Wanderinfrastruktur unterscheidet Neumeyer das Wegenetz, als primäre Infrastruktur, von den Punktobjekten als sekundärer Infrastruktur. Das Wegenetz wird bei der Bestandsaufnahme anhand folgender Kriterien ausgewertet: Wegefunktion (Hauptwanderwege, Gebietswanderwege, grenzüberschreitende Wege, Wege des Ergänzungsnetzes, Ortswanderwege), Wanderwegedichte, Wegebreite, Befestigungsart, Zustand der Wege und Markierung sowie Schwierigkeitsgrad. Zur sekundären Wanderinfrastruktur rechnet Neumeyer in der Südeifel Aussichtspunkte, Schutz-, Grillhütten, Park- und Wanderparkplätze, Rastplätze, grenzüberschreitende Brücken, natürliche und kulturhistorische Sehenswürdigkeiten und Campingeinrichtungen. Zur Infrastruktur zählen auch das Orientierungssystem und Informationen für Besucher.
Die Wegeattraktivität hängt in dem von Neumeyer entwickelten Bewertungsmodell von folgenden Größen ab: der Wegefunktion, der Wegebeschaffenheit, der Infrastrukturausstattung, der Landschaftsattraktivität, der Verkehrssicherheit und Orientierung sowie etwaigen Konflikten mit Anforderungen des Naturschutzes. Jedes der von Neumeyer erfassten rund 1.350 Wegstücke wird mit 13 Einzelkriterien mit einem Punktwert bewertet. Aus der Summe ergibt sich für jedes Wegestück ein Punktwert für die Wegattraktivität. Einzelne dieser Kriterien erhalten dabei ein höheres Gewicht als andere, weil auf der Grundlage von Aussagen der Literatur zu vermuten ist, dass sie für die Wegeattraktivität eine überdurchschnittlich grosse Bedeutung haben. Beim Kriterium Wegefunktion erhalten Hauptwege den höchsten, Ortswanderwege den niedrigsten Attraktivitätswert. Die Wegebeschaffenheit wird mit den Kriterien Befestigungsart und Wegbreite erfasst. Unbefestigte Wege sowie Wege mit einer Breite von weniger als einem Meter (Pfade) erhalten jeweils die höchste Punktzahl. Die Infrastrukturausstattung wird in drei Einzelkriterien untergliedert (Gaststätte, Schutzhütte, Parkmöglichkeit in Nähe des Wegstücks), dabei wird eine vorhandene Gaststätte aufgrund von Aussagen der Literatur doppelt gewichtet. Die Landschaftsattraktivität wird mit vier Kriterien definiert und in das Bewertungsmodell aufgrund der hohen Bedeutung von natur- und landschaftsbezogenen Wandermotiven insgesamt als der stärkste Faktor eingeführt. Das Kriterium Verkehrssicherheit ist dann erfüllt, wenn das Wegstück nicht auf einer öffentlichen Straße verläuft oder diese quert. Das Vorhandensein ausreichender Markierungen wird als Kriterium für den Faktor Orientierung herangezogen. Ein Wegstück erhält keine Punkte, wenn es vorhandende Naturschutzgebiete schneidet, denn die Wegebewertung soll auch im Hinblick auf die Anforderung der Besucherlenkung sensibel sein. Die Analyse der Punktwerte für die Attraktivität jedes Wegstücks zeigt, dass nur rund 15% aller Wegstücke 40% oder mehr der möglichen Punkte erzielen. Daraus wird der Schluss gezogen, dass im untersuchten Naturpark keine durchgehend hochwertige Wanderinfrastruktur zur Verfügung steht. Am besten schneiden noch die Hauptwege des Eifelvereins ab.
Von Seiten des Naturparks ist nicht beabsichtigt, neue Wanderwege anzulegen. Die Attraktivität der Wege soll in der Summe vor allem dadurch gesteigert werden, dass unattraktive Wege aus dem Netz herausgenommen werden. Zu diesem Zweck sondert Neumeyer mit dem GIS jene Wegstücke heraus, die weniger als 20% bzw. in einer anderen Variante weniger als 30% der maximal möglichen Punktzahl erreicht haben. In der zweiten Variante ist dies bereits fast die Hälfte der Wegstücke. Das Wegenetz wird dadurch mehr oder weniger stark fragmentiert. Das Verfahren lässt damit aber auch erkennen, wo Stärken und Schwächen in der Wanderinfrastruktur liegen und wo Verbesserungen angezeigt sind.
Die Arbeit gründet sich auf eine umfangreiche Datenaufnahme und -analyse. Innovativ ist die Verwendung von Geo-Infosystemen für die Bewertung der Wegeinfrastruktur. Die Analysen sind nachvollziehbar und beschrieben. Alle Texte, Analysematerialien, Dateninputs sowie viele Karten sind auf einer CD dokumentiert. Das entwickelte Modell der Wegeattraktivität konnte nicht für alle Kriterien mit Befragungen von Wandereren empirisch abgesichert werden, so dass die Auswahl und die Gewichtung der einbezogenen Kriterien letztlich vom Autor vorgenommen werden mussten. Die Wegebeschaffenheit, die die Gehqualität abbildet, erhält dabei unter Umständen ein zu geringes Gewicht. Problematisch ist der Einbezug der Nähe zu Parkplätzen als Kriterium der Wegeattraktivität, denn die damit verbundene Nähe zu Straßen und Straßenlärm könnte auch negativ bewertet werden. Wenn die Nähe zu Parkplätzen einbezogen wird, wäre andererseits auch die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Kriterium sinnvoll gewesen.
GIS-gestütztes Wanderwegemonitoring für den Naturpark Südeifel als Grundlage für ein Besucherlenkungskonzept. Unveröffentl. Diplom-Arbeit an der Universität Trier, FB VI: Geographie/Geowissenschaften, Trier, 2001
Dipl.-Geogr. Erik Neumeyer
als CD verfügbar, Bezug beim Autor per e-mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Preis: 10 Euro plus Versand.
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, September 2002. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de
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