Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 66/2011
Die Sammlung und Dokumentation von guten Beispielen im Fußverkehr ist eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und zur Nachahmung in anderen Gemeinden anzuregen. Mit diesen Zielen hat der österreichische Verein für Fußgänger und Fußgängerinnen „Walk-space.at“ die besten Einreichungen seines Wettbewerbs Walk-space Award 2010 in einer Broschüre dokumentiert. Ähnlich wie schon seit Jahren Fussverkehr Schweiz führt walk-space mit seinem „Award“ eine Prämierung innovativer Lösungen in Gemeinden durch. Dieser Wettbewerb wird unter anderem von einigen österreichischen Bundesländern, Städten, Städte- und Gemeindebund sowie dem Lebensministerium unterstützt.
Für die Ausschreibungsrunde 2010 wurden insgesamt 99 Projekte eingereicht, von denen 46 in der Best-Practice-Broschüre eingehender dargestellt werden. Bewertung und Auswahl der Projekte geschah in Zusammenarbeit mit einer vierzehnköpfigen Fachjury. Projekte konnten in acht Kategorien eingereicht werden; am häufigsten geschah das in den Kategorien „Platzgestaltung“ und „Straßenräume“.
Für jedes der in der Broschüre ausgewählten Projekte werden die Projektziele aufgeführt, es wird eine knappe Projektbeschreibung gegeben und anhand von Wirkungskriterien wird beschrieben, welchen Nutzen das Projekt in den folgenden Bereichen bringt: Umweltbedingungen, Verkehrssicherheit, Gesundheit und Bewegung, Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgedankens, Gestaltungsqualität, Effekt auf Nahversorgung, Wirtschaft und Tourismus, Komfort sowie Nutzerfreundlichkeit. Zusätzlich wird eine Synthese in Form einer Kurzbewertung vorgenommen, in der bei einigen Projekten auch zu verbessernde Aspekte aufgeführt werden. Hinweise auf weiterführende Links runden die jeweils einseitige Darstellung ab.
Projekte in der Kategorie Platzgestaltung wurden nicht nur in größeren Städten wie Wien und Innsbruck, sondern auch in ländlichen Gemeinden prämiert. Am Wiltener Platzl in Innsbruck wurde z.B. positiv bewertet, dass eine lang gezogene Sitzbank Platz zum konsumfreien Sitzen bietet. Die Gestaltung des Dorfplatzes in Zweinitz enthält einen Basketballkorb und Bodenmarkierungen, die zum Spiel motivieren sollen (Hockey, Rollerblade, Basketball) und die so eine Mehrfachnutzung der Fläche ermöglichen.
Fußwegenetze: Im Rahmen eines umfassenden Netzansatzes wurde die Anlage von Fußverkehrsdurchgängen in Wien in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen verankert. In einer Begleitforschung wird die Wirkung umgesetzter Maßnahmen gemessen. Auf dem Jenny-Steiner-Weg in Wien (Neubau) wurde ein attraktiver Durchgang mit Pflanzbeeten und Holzflächen für den Aufenthalt angelegt.
In die Kategorie Straßenräume fallen Erweiterungen von Fußgängerzonen, Straßenumgestaltungen sowie Shared spaces, wie z.B. auf einer Durchgangsstraße in Gleinstätten/ Steiermark.
Schulwegkonzepte: In einen Per-Pedes-Pass in Stuhlfelden / Salzburg können Schulkinder die Tage abstempeln lassen, an denen sie zu Fuß zur Schule gehen; mit 25 bzw. 50 Stempeln erhalten Sie dann kleine Geschenke von Aktionspartnern. In Enns/OÖ wurde ein Schulweg-Rap aufgenommen und ein Video gedreht. In Workshops lernen die Kinder darüber hinaus spielerisch den Umgang mit ihrer Mobilität. In den Ländern Tirol und Burgenland wurden Pedibusse eingeführt. In Innsbruck ist eine Kleinkindergruppe mit der „Ri-Ra-Rausgehraupe“ sicher zu ihrem Spielplatz unterwegs.
Die Kategorie Querungen enthält vor allem Fußgängerbrücken. Innovativ ist ein Dauergrün für Fußgänger auf einer Fußgängerachse in Graz zu Zeiten des schwachen Autoverkehrs.
In der Kategorie multi- und intermodale Schnittstellen wurde eine Kampagne in Innichen/ Tirol prämiert: Touristen und Einkäufer wurden mit einer Postkarte über die Möglichkeiten informiert, das Dorf zu Fuß zu erkunden. Ausgezeichnet wurden auch der neu gestaltete Bahnhof Dirnbirn/Vorarlberg, die multimodale Mobilitätsplattform Anachb.at sowie der Mobilitätstag für Senior/innen in Salzburg.
Kategorie Gehen und Gesundheit: In Graz wurden Bus-Passagiere von Guides dazu motiviert, gemeinsam zur nächsten Haltestelle zu laufen anstatt zu warten. In Stockerau/NÖ wurde ein Buggy Walk&Workout für junge Mütter ins Leben gerufen, bei dem der Kinderwagen als Trainingsgerät benutzt wird. Gaschurn in Vorarlberg wurde für den Ausbau eines ganzjährigen Netzes von verschiedenen Wegetypen, inklusive Leitsystem, ausgezeichnet (von Lauf- und Nordic Walking-Strecken bis hin zu Schneeschuwegen). In Zwettl/NÖ wurde ein Wanderblog „Zwalk-Wanderungen rund um Zwettl“ eingerichtet, der laufend mit neuen Routen aktualisiert wird.
Projekte zur Bewusstseinsbildung umfassen unter anderem die temporäre Umwandlung der St. Julien-Strasse in Salzburg in einen Aufenthaltsbereich für Fußgänger (unter anderem mit Hilfe von 500 Quadratmetern Rollrasen). In Wien Wieden wurde ein Gehsteigfestival mit verschiedenen Gehsteig-Installationen durchgeführt. Ausgezeichnet wurde auch eine Methodenentwicklung für Begleituntersuchungen, die am Beispiel des Elterleinplatzes in Wien entwickelt wurde.
Erfreulich ist die große Resonanz des Wettbewerbs. Dafür dürfte unter anderem die breite Unterstützung verantwortlich sein, die der walk-space-Award von öffentlichen Verwaltungen, vom Städte- und vom Gemeindebund sowie von der Wirtschaftskammer erhält. Ein ähnlich organisierter Wettbewerb sollte auch in Deutschland oder einzelnen deutschen Bundesländern durchgeführt werden. Das hier gewählte Verfahren kann als Beispiel dienen. Die Art der Projektdarstellung ist in der gerafften Form aussagekräftig, die Art der grafischen und bildlichen Darstellung ist attraktiv und die Bewertungen zum Nutzen der einzelnen Projekte sind meistens nachvollziehbar.
Ab und zu ergeben sich allerdings Unschärfen bei der Bewertung mit den Kriterien Umwelt, Nachhaltigkeit und Gestaltung. Positiv ist hervorzuheben, dass der Gesundheitseffekt der Bewegung als eigenes Kriterium für die Projektbewertung eingeführt wurde. Auch erweist es sich als Vorteil, dass Projekte nicht nur in Kategorien eingereicht werden können, die infrastrukturbezogene Planungen im engeren Sinne betreffen. Die Kategorien „multi- und intermodale Schnittstellen“, „Gehen und Gesundheit“ und „Bewusstseinsbildung / Prozesshaftes“ vereinigen immerhin rund ein Viertel der eingereichten Projekte auf sich.
Walk-space AWARD `10. Gute Lösungen für FussgängerInnen in Städten und Gemeinden. Top 46 Projekte in Österreich. Okt. 2010, Wien: walk-space.at, 59 S.
Dieter Schwab, Martina Strasser, Gisa Ruland
Bezug: www.walk-space.et, Bennogasse 10/22, A-1080 Wien, 18 Euro + Versandkosten
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Februar 2011. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de
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