Ich möchte mich auf kritische Ansätze zu den Auswirkungen der Investitionsförderung auf den ÖPNV konzentrieren:

  • Investitionsförderung konzentriert sich den Beträgen nach auf die Großstädte - die Region wird in diesem Bereich stark benachteiligt.
  • Investitionsförderung führt zu Großprojekten mit langen Realisierungszeiträumen, demgegenüber bleiben vergleichsweise kleine Maßnahmen mit hohem Nutzen oft über Jahre unausgeführt.
  • Investitionsförderung führt zur Konzentration von Mitteln auf wenige Korridore, so daß das ÖV-Angebot sehr inhomogen wird. Es entstehen weitmaschige Netze mit vielen Umsteigezwängen.
  • Investitionsförderung führt zu einer Verzerrung in der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Realitäten bei den Verkehrsbetrieben: Fixkosten werden verschleiert, variable Kosten erscheinen demgegenüber höher, als sie tatsächlich sind. Das Resultat ist ein zu dünnes Angebot auf zu teurer Infrastruktur.
  • Es gibt einen hohen Anreiz, teuer zu bauen.

Insofern halte ich aus Sicht des ÖPNV eine schrittweise Rückführung der Förderquoten und die Abschaffung der Investitionsförderung für sinnvoll.

Auswirkungen auf den Verbund Fußverkehr/ÖV.

Investitionsförderung (v.a. das GVFG) führt m.E. zu fußgängerunfreundlichen Lösungen:

Unterirdische Verkehrsanlagen.

Ohne Invest-Förderung wäre der Bau unterirdischer Verkehrsanlagen mit verlorenen Höhendifferenzen, unzuverlässigen Rolltreppen, Mangel an Tageslicht, schlechter Luft und unfreundlicher Atmosphäre usw. i.d.R. gar nicht möglich.

Besondere Bahnkörper.

GVFG-Förderung von Straßenbahnstrecken ist heute an die Realisierung des „besonderen Bahnkörpers“ geknüpft.

Besondere Bahnkörper sind zwar aus Sicht der Betriebsführung optimal, jedoch oft im Straßenraum nicht oder nur schwierig unterzubringen.

Konsequenz bei beengten Platzverhältnissen sind:

  • Minimierung des Verkehrsraums für den nicht motorisierten Verkehr
  • Ausweichen unter die Erde (s. oben).
  • Besondere Bahnkörper können i.d.R. nur in der Straßenmitte angelegt werden, daher ist die Zugänglichkeit der Haltestellen schlechter als bei straßenbündiger Trassierung, wo die Haltestelle direkt vom Gehsteig aus erreicht wird.
  • Oft genug wird die Zugänglichkeit durch die Errichtung von Absperrgittern und -Zäunen noch weiter verschlechtert - und sei es nur, weil die Landesbauordnung dergleichen fordert.

Alternative: GVFG ändern?

Ich halte eine bloße Modifikation des GVFG (z.B.: künftig auch straßenbündige Strecken fördern, Förderung an Zielerreichung und nicht an Bauausführung koppeln) zwar für einen Schritt in die richtige Richtung, auf Dauer aber nicht für ausreichend. Zu unterschiedlich sind die Situationen „vor Ort“, zu verschieden die Anforderungen, als dass mit immer neuen Richtlinien und Vorschriften darauf reagiert werden könnte.

Lösungsvorschlag: Investitionsförderung abschaffen.

Perspektivisch sollte m.E. das heute für Investionsförderung zur Verfügung stehende Geld in Regionalisierungsmittel umgewandelt und den Gebietskörperschaften direkt zur Verfügung gestellt werden. Diese können dann selbst entscheiden, ob sie damit

  • Betriebskostenbeihilfen gewähren/Betriebsleistungen einkaufen, oder
  • sparsam und auf die eigene Situation hin optimiert in Infrastruktur investieren.

Eine analoge Vorgehensweise ist natürlich auch beim Straßenbau zu fordern, hier richtet die Investitionsförderung sinngemäß die gleichen Schäden an wie beim ÖV (Maßnahmen werden auf Förderungsfähigkeit hin getrimmt und dabei i.d.R. überdimensioniert, Maßnahmen werden vorwiegend wegen Zuschußakquisition getätigt usw.).Regionalisierung von ÖPNV ohne auch die volle Regionalisierung von Finanzverantwortung kann nicht zu den erwünschten Resultaten führen.

Dieser Beitrag von Wolf Drechsler, Gesellschaft für fahrgastorientierte Verkehrsplanung GfVp, erschien in der Dokumentation: Fußverkehr im Umweltverbund – 30 Beiträge vom 1. FUSS-Botschaftertreffen am 12.10.2001 in Berlin, FUSS e.V. (Hrsg.), Berlin 2002

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