Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 27/2001

Ausgangslage

Eine sinnvolle Wegweisung sollte Bestandteil jeder Realisierung von Fusswegenetzen sein. Die etablierte Wegweisung für den Kfz-Verkehr sowie die seit einigen Jahren vermehrt eingerichtete Wegweisung für Radfahrer können diese Anforderungen allerdings nicht erfüllen. Es stellt sich die Frage, wie nutzergerechte und städtebaulich integrierte Leit- und Informationssysteme für den Fussverkehr aussehen sollen. Standardwerke hierzu gibt es praktisch nicht. Auch fehlt eine Übersicht des Stands der Umsetzung in deutschen Städten (ausserhalb von Flughäfen und grossen Bahnhöfen). In seiner Diplom-Arbeit an der Universität Trier ist Sven Arne Blase diesen Fragen empirisch nachgegangen und hat Empfehlungen hierzu erarbeitet.

Inhalt

Die Methodik der Untersuchung umfasste eine Literaturanalyse, eine schriftliche Umfrage bei 16 deutschen Städten (v.a. Mittelstädte und kleinere Grossstädte), fünf Experteninterviews und Vor-Ort-Beobachtungen in 14 Städten.

Von den in die Untersuchung einbezogenen Städten war bekannt, dass sie schon Wegweisesysteme für Fussgänger haben. Bei der genaueren Analyse konnte festgestellt werden, dass diese von den örtlichen Planern vor allem als Instrument des Stadtmarketings gesehen werden; als Zielgruppen werden daher insbesondere Touristen und Besucher angesprochen, weniger die Einheimischen. Die Abdeckung der Leit- und Informationssysteme erstreckt sich vorrangig auf den Bereich der Innenstadt. Die Einbindung in eine Gesamtstrategie zur Förderung des Gehens und eine Begleitung durch andere Planungsmassnahmen zu Gunsten von Fussgängern erfolgt meistens nicht.

Die Einrichtungen selbst sind gemessen an den Nutzeranforderungen noch verbesserungswürdig: Grundregeln der Wegweisung werden häufig nicht berücksichtigt, es werden zu wenige Wegweiser aufgestellt, die Schriftgröße ist häufig zu klein. Offensichtlich fehlen in diesem Planungsbereich Richtlinien bzw. Empfehlungen für die Planung. Die Erstellungskosten der untersuchten Wegweisungssysteme sind relativ niedrig, wenn man sie mit Kosten der Kfz-Infrastruktur vergleicht: Die Städte investierten im Mittel 70.000 DM, einige Städte bis etwa 200.000 DM für ihre Fussgänger-Leitsysteme (was den Kosten einiger weniger Stellplätze in Tiefgaragen entspricht). Die Kosten werden in den Städten selbst jedoch als eher hoch eingeschätzt.

Planungsempfehlungen: Ein beschildertes, zielorientiertes Leitsystem ist nach Meinung des Autors des flexibelste, umfangreichste und nutzerfreundlichste System. In der Anfangsphase der Planung sollten Abklärungen mit relevanten Ämtern und Institutionen (z.B. Stadtmarketing) sowie Verbänden vorgenommen werden, um alle wichtigen Aspekte der Finanzierung, Erstellung und Wartung des Systems planen zu können. Bei der Konzeption wird die Festlegung von Zielgruppen und Kategorien von Wegzielen (z.B. im ÖV Haltestellen und Bahnhof) vorgeschlagen. Auf der daraus abgeleiteten (hierarchisierten) Zielliste lassen sich Wunschlinien und Hauptrouten des Fussverkehrs festlegen.

Zielspinnen mit den Einzugsgebieten der Ziele helfen dabei, die Wegweiserstandorte festzulegen. In weiteren Phasen werden Piktogramme, Entfernungsangaben und sonstige Angaben festgelegt. Kriterien der Gestaltung sind die Lesbarkeit, Erkennbarkeit (auch als Teil des städtischen Corporate Design), Eindeutigkeit und Flexibilität der Beschilderung. Der Autor empfiehlt, im Zuge der Umsetzung zusätzliche auf den Fussverkehr bezogene bauliche und planerische Massnahmen zu realisieren, eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit vorzusehen und Kontrollen der Akzeptanz vorzunehmen.

Das Wegweisungssystem sollte durch Informationstafeln bzw. -angebote (z.B. mit speziellen Hinweisen für Mobilitätsbehinderte) zu einem vollständigen Leit- und Informationssystem ausgebaut werden. Dessen Wartung - und ggf. Aktualisierung - ist ein wichtiges Erfolgskriterium. Angesichts des Nutzens solcher Systeme spricht sich der Autor für die Aufnahme von Fussverkehrsleit- und Informationssystemen in die Fördertatbestände des GVFG aus. Aber auch Mittel der Länder, wie sie in NRW mit der Förderrichtlinie Stadterneuerung bereits zur Verfügung stehen, sollten verstärkt für diese grundlegende Fussverkehrsinfrastruktur eingesetzt werden.

Bewertung

Das in der Planungsliteratur relativ neue Untersuchungsthema wurde gründlich bearbeitet; die Ergebnisse sind gut beschrieben. Der Mix verschiedener Untersuchungsmethoden ist gut geeignet, den noch nicht optimalen Stand der bisherigen Planungsanstrengungen auf der städtischen Ebene aufzuzeigen. Die fotografische Dokumentation verdeutlicht, dass vieles auf dem Gebiet der Leitsysteme noch verbesserungsbedürftig ist. Die Empfehlungen der Studie können als Leitfaden für konkrete Planungen herangezogen werden.

 

Titel:

Leit- und Informationssysteme für den Fussverkehr. - unveröffentl. Diplomarbeit, Universität Trier, FB VI Geographie / Geowissenschaften, Sept. 2000 (131 Seiten zzgl. Anhang)

Verfasser:

Sven Arne Blase

Bezug:

beim Verfasser: Thomas-Mann-Str. 29, 53111 Bonn, Tel. 0228/965 09 44, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Preis auf Anfrge

 

Impressum:

Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, Juni 2001. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.fuss-eV.de

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