Mit der wachsenden Erkenntnis, dass sich durch die absehbaren demographischen Entwicklungen (der Anteil der Menschen über 60 wird permanent ansteigen) weitreichende Änderungen im Gefüge unserer Städte und der Art, wie wir in ihnen leben, ergeben können, gewinnen ältere Menschen und ihre spezifische Situation auch in der Stadtplanung an Gewicht.
Städtischen Verkehrsanlagen und -systemen wird immer wieder der Vorwurf der automobilorientierten Planung gemacht. Während sich Durchschnittsverkehrsteilnehmer noch vielfach mit den Mängeln arrangieren können, haben viele ältere Menschen Probleme, Verkehrssituationen, für deren Bewältigung sie nicht die nötigen Voraussetzungen mitbringen, zu meistern.
Alte bzw. ältere Menschen sind eine sehr heterogene Gruppe. Dies erfordert zumindest den Versuch einer Eingrenzung der Zielgruppe, über die wir heute reden wollen. Schon seit einiger Zeit stimmt das Image der kranken und hilfsbedürftigen Rentner nicht mehr. Es entstand das vereinfachende Schlagwort von den ,,Neuen Alten", die aktiv, mobil und erlebnishungrig ihren Lebensabend genießen wollen und die auch häufig die gesundheitlichen und finanziellen Voraussetzungen dafür mitbringen. Diese Formulierung drängt die Existenz einer auch weiterhin großen Gruppe von benachteiligten älteren Menschen in den Hintergrund.
Es wird beim Komplex ,,Ältere Menschen im Verkehr" sicherlich Aspekte geben, die auf das gesamte Spektrum von Menschen im Alter zutreffen – unabhängig von ihrer körperlichen oder finanziellen Verfassung - wie etwa ein flexibleres Zeitbudget, das sich aus dem Wegfall der Berufsausübung ergibt. Generell wird jedoch genau zu differenzieren sein, welche Gruppe älterer Menschen durch eine Maßnahme angesprochen werden soll.
Angesichts der Heterogenität der Zielgruppe sind also Entscheidungen über Schwerpunkte und Zielrichtung von Maßnahmen notwendig. Ich will mich deshalb hier weitgehend auf die Gruppe der benachteiligten Älteren beschränken, da diese Gruppe wahrscheinlich die größten Schwierigkeiten hat, sich in einer leistungsorientierten Gesellschaft zurechtfinden. Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation benachteiligter älterer Menschen hätten zudem den Vorteil, dass auch andere benachteiligte Gruppen hiervon profitieren würden.
Ältere Menschen sind - wie viele andere Gruppen auch - in einer hauptsächlich auf den Autoverkehr ausgerichteten Stadt keine gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer. Ihre spezifische Verkehrs-Betroffenheit ist durch den Widerspruch zwischen den hohen Mobilitätserfordernissen unserer komplexen postindustriellen Gesellschaft mit Folgen wie Zentralisierung von Dienstleistungen, Vergröberung des städtischen Maßstabs etc. und eingeschränkter individueller Mobilitätsfähigkeit gekennzeichnet. Die Fähigkeit zur Mobilität nimmt bei älteren Menschen infolge unterschiedlicher Faktoren ab. Das sind z.B. individuelle Gründe:
Daneben gibt es aber auch äußere Faktoren, die mobilitätsbehindernd auf Senioren wirken, z.B.:
Dies führt zu unfreiwilligen Mobilitätsbehinderungen älterer Menschen mit der Folge zunehmender Gefährdung im Verkehrsgeschehen oder des zwangsläufigen Rückzugs in den häufig unterversorgten Nahbereich bzw. die Wohnung.
Die Notwendigkeit zur Mobilität nimmt bei älteren Menschen dagegen - wenn überhaupt - nur unwesentlich ab. Die Fahrten zur Arbeit fallen zwar weg, dafür kommen häufigeres Einkaufen (da eher kleinere Mengen eingekauft werden), regelmäßige Arztbesuche, nach Möglichkeit tägliche Spaziergänge etc. neu hinzu. Dieses Mobilitätsbedürfnis trifft in der städtischen Realität auf bauliche Barrieren, die eine konkrete Benachteiligung älterer Menschen gegenüber anderen Gruppen bedeuten.
Bauliche, oder besser räumliche Barrieren sind hier nicht nur als gebaute Hindernisse zu verstehen. Vielmehr bestehen sie aus einer Reihe von Komponenten, die sie für ältere Menschen zu einer Erschwernis im Verkehrsgeschehen machen können. Diese Komponenten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Nicht alle dieser Komponenten lassen sich durch verkehrsplanerische Maßnahmen beheben. Die Kenntnis ihrer Wirkungszusammenhänge ist jedoch notwendig, wenn man sich mit Verkehrsproblemen älterer Menschen beschäftigt.
Der Widerspruch zwischen den Mobilitätserfordernissen einer Autogesellschaft und der eingeschränkten Mobilitätsfähigkeit älterer Menschen lässt zwei Ansatzmöglichkeiten zu:
Entweder müssen Maßnahmen zur Mobilitätssteigerung älterer Menschen ergriffen werden, also z.B.
Nach meiner Meinung sollte konsequenter als bisher der dritte Weg beschritten werden, da viele Verbesserungsmöglichkeiten nicht nur alten-spezifisch sind, sondern generell zu einer lebenswerteren Umwelt beitragen können. Maßnahmen wie z.B. Wohnumfeldverbesserung, Verkehrsberuhigung und die benutzerfreundliche Gestaltung des ÖPNV sind auch aus der Sicht anderer, nicht nur älterer Menschen wünschenswert und notwendig.
Eine städtische Umwelt, die den Bedürfnissen älterer Menschen entgegenkommt, ist zugleich eine menschenfreundliche.
Um zu verdeutlichen, welche Bandbreite bei Maßnahmen zur Verbesserung der Situation älterer Menschen im Verkehr existiert, sollen hier exemplarisch einige Ansätze einer altengerechten Verkehrsgestaltung dargestellt werden, schwerpunktmäßig Maßnahmen, die die von älteren Menschen bevorzugten Verkehrsarten betreffen. Es sollte aber beachtet werden, dass hier - ebenso wie bei nicht zielgruppenspezifischen Planungen - sinnvollerweise zu fördernde Verkehrsarten den aus planerischer Sicht nicht zu unterstützenden Verkehrsarten gegenüberstehen.
Ältere Menschen legen in der BRD pro Jahr durchschnittlich 400 km zu Fuß zurück. Zum Vergleich: In den USA sind es 45 km, in Dänemark 480 km. Die absolute Unfallhäufigkeit aller Verkehrsarten sinkt mit zunehmendem Alter, lediglich beim Fußgängerverkehr ist bei Personen über 65 Jahren eine eklatante Zunahme der Unfälle zu verzeichnen.
Die Probleme älterer Menschen mit dem Gehen sind zu beheben, soweit die Ursache nicht in der psychischen oder physischen Konstitution liegt: Schon in der Planung sind dann meist die Bedingungen zu wenig berücksichtigt worden, unter denen ältere Menschen zu Fuß unterwegs sind. Verbesserungen sind auch aus Sicht jüngerer Fußgänger notwendig:
Das Zufußgehen muss den anderen Arten der Fortbewegung mindestens gleichgestellt werden.
Kenntlichmachen der Bordsteinkanten
Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass das optische Hervorheben der Bordsteinkanten, z.B. das Bemalen mit Signalfarben, die Unfallhäufigkeit bei Fußgängem vermindern kann.
längere Ampelphasen für Fußgängerüberwege
Die Grünphasen an Fußgängerüberwegen sind - wenn überhaupt - auf die Gehgeschwindigkeit von normalen Durchschnittsfußgängern ausgelegt, bei der ältere Menschen etc. oft nicht mithalten können. Sind Verkehrsinseln vorhanden, so wird die Flüssigkeit des Autoverkehrs der des Fußgängerverkehrs vorgezogen, so dass zum Überqueren einer Kreuzung mehrere Ampelphasen nötig sind.
abgesenkte Bordsteinkanten an querungsgeeigneten Stellen
Dadurch wird insbesondere Rollstuhlfahrern und in ihrer Beweglichkeit Eingeschränkten, aber auch Eltern mit Kinderwagen oder Einkaufenden mit Rollwagen ermöglicht, die Konzentration vom Hindernis ,,Bordsteinkante" auf den Verkehr zu richten. Dabei ist darauf zu achten, dass die abgesenkten Stellen einander gegenüber liegen und nicht zugeparkt werden können.
bessere Sicherung der Kreuzungspunkte mit dem Straßenverkehr
Es müssen situationsangepasste, d.h. vor allen übersichtliche und einsehbare Querungsmöglichkeiten geschaffen werden, die stärker als bisher die Querungssicherheit von Fußgängern erhöhen. Dies ist eher durch bauliche als ordnungsrechtliche Maßnahmen zu erreichen.
mehr Überquerungsstellen
Neben der fußgängergerechten Umgestaltung bzw. Ergänzung vorhandener Querungsstellen müssen zusätzliche geeignete Querungsmöglichkeiten geschaffen werden. Insbesondere Über- oder Unterführungen sind für ältere Menschen nur schwer oder überhaupt nicht nutzbar und sollten vermieden werden.
genügend breite und sichere Fußwege
Eine Mindestbreite der Fußwege von 2,O m ist sicherzustellen. Das ,,Gehwegparken" darf nur noch in Ausnahmefällen toleriert werden. Von auf dem Gehweg fahrenden Radfahrern dürfen keine Gefährdungen älterer Fußgänger ausgehen.
Fußwegenetze zwischen Bedarfsschwerpunkten
Ziel- und Quellpunkte von bevorzugten Verkehrsströmen älterer Menschen sollten durch ein geeignetes Netz von Fußwegen verbunden und mit geeigneten Maßnahmen an den ÖPNV angebunden sein.
Vermeidung von Treppen und Anbringen geeigneter Geländer
Höhenunterschiede sollten nach Möglichkeit durch Rampen geeigneter Steigung überwunden werden können. Sind Treppen unumgänglich, so ist darauf zu achten, dass sie die richtige Steigung, geeignete Tritthöhen und -längen haben sowie mit griffigen und nicht ausschließlich ästhetischen Geländern in der richtigen Höhe versehen werden.
Ausreichende und ansprechende Ruhepunkte
Gerade bei anstrengenden Fußmärschen, z.B. bei der Rückkehr vom Einkaufen, oder an ansprechenden Orten, wie z.B. städtische Plätze oder Parks, sind geeignete Rastmöglichkeiten, also etwa Sitzbänke oder -gruppen für ältere Menschen besonders notwendig, um die Aufteilung von langen Wegen in zu bewältigende Einzeletappen zu ermöglichen.
Der Radverkehr spielt bei älteren Menschen eine generell weniger wichtige Rolle. Dennoch ist dies regional sehr unterschiedlich ausgeprägt: In ausgesprochen radfahrfreundlichen Städten ist die Zahl auch älterer Radfahrer erstaunlich hoch.
Im internationalen Vergleich stellt sich die Situation wie folgt dar: In der Bundesrepublik legten Ältere 1985 im Durchschnitt ca. 160 km pro Jahr zurück, in den Niederlande sogar 800 km, in den USA dagegen nur 3,5 km. In Finnland legten ältere Menschen bis zu 70% aller Fahrten mit dem Fahrrad zurück!
Diese Zahlen verdeutlichen in etwa, dass ältere Menschen nicht primär durch physische Probleme, sondern überwiegend durch eine radfahrfeindliche Verkehrsplanung an der Benutzung des Rades gehindert werden. Zudem ist der Radverkehr aus planerischer Sicht an und für sich bereits förderungswert.
Entwicklung von Radfahrwegenetzen
Radfahrer benötigen sichere Verkehrswege. Hier muss eine sinnvolle Abstimmung zwischen dem subjektiven Bedürfnis - besonders älterer Menschen - nach Radwegen und einer erhöhten Gefährdung der Radfahrer an Kreuzungspunkten von Radwegen und abbiegenden Straßen erfolgen. Die StVO-Novelle aus dem Jahr 1997, die die Radwegebenutzungspflicht neu regelt, ist Senioren allerdings nur schwer vermittelbar.
Bei der Ausarbeitung von Radwegenetzen sollten nicht nur die klassischen Ziele (Ausbildungs- und Freizeiteinrichtungen) angebunden werden, sondern auch die von älteren Menschen häufig aufgesuchten Zielpunkten (wie z.B. Altentagesstätten, Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, Friedhöfe etc.).
Gewährleistung der guten Befahrbarkeit von Radfahrrouten
Bei für ältere Menschen besonders geeigneten Radfahrrouten muss die Befahrbarkeit durchgehend gewährleistet sein: Es dürfen keine Poller, Schlaglöcher etc. vorhanden sein, die Bordsteinkanten müssen abgesenkt sein, das Zuparken von Radwegen muss verhindert werden usw...
Entwicklung bzw. Bereitstellung von für ältere Menschen geeigneten Fahrradtypen
Ältere Menschen benötigen Fahrräder, die sowohl ihren körperlichen Fähigkeiten als auch ihrem Sicherheitsbedürfnis im Verkehr entgegenkommen. Projekte zur Wartung, zum Umbau, zur Neuentwicklung und zur Bereitstellung bzw. Verleih altengerechter Fahrräder, z.B. Dreiräder bzw. solche mit tiefem Durchstieg, hätten hier auch beschäftigungs- und sozialpolitische Wirkung.
Öffentliche Verkehrsmittel gewährleisten das höchstmögliche Maß an persönlicher Sicherheit und ermöglichen weitgehenden Verzicht auf unliebsame Tätigkeiten, wie Wartungsarbeiten am eigenen Fahrzeug, Werkstatt- oder TÜV-Besuch etc.. Für ältere Menschen besitzt der ÖPNV eine besondere Bedeutung zur Überwindung größerer städtischer Entfernungen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mit einem individuellen Verkehrsmittel oder zu Fuß zurückgelegt werden können.
Spezielle Tarife für ältere Menschen
Die Verkehrsunternehmen sollten - stärker als bisher - Nahverkehrstarife anbieten, die der finanziellen Situation vieler Rentner besser angepasst sind. Die Nutzungsberechtigung von Inhabern des Schwerbeschädigtenausweises ist ein erster Ansatz, aber nicht nur Schwerbeschädigte haben schmale Renten. Ein Ausschluss der Verkehrsspitzenzeiten sollte bei Sondertarifen für Senioren mit Kleinstrenten vermieden werden. Zusätzlich sollten Tarifpläne inhaltlich und in der Darstellung so vereinfacht werden, dass sich nicht nur Ältere besser damit zurechtfinden können.
Niveaufreie Fahrzeugeinstiege, Einstiegshilfen
Bei den Verkehrsbetrieben sollte die Umstellung auf Niederflurfahrzeuge verstärkt betrieben werden, um den Einstieg in die Fahrzeuge zu erleichtern. Bis zur gesamten Erneuerung des Fuhrparks sollten ältere Fahrzeuge mit geeigneten Einstiegshilfen versehen werden (z.B. Lichtschrankensicherung anstelle von aufzustoßenden Sicherungsklappen).
Wiedereinführung von Schaffnern o.ä.
Mit dem ”Selbstbedienungsprinzip" hatten und haben ältere Menschen mehr Schwierigkeiten als andere. Die Übertragung dieses Prinzips auf den ÖPNV hatte in den 60er und 70er Jahren den Wegfall des Schaffnerpersonals und damit auch das Fehlen eines einkalkulierbaren Hilfspotentials zur Folge. Auf bestimmten Routen könnte deshalb die Wiedereinführung von begleitendem Personal zur Hilfe beim Ein- und Ausstieg und zur Auskunft über Anschlüsse und Tarife etc. geprüft werden.
Verbessertes Fahrverhalten
Ein häufiger Kritikpunkt Älterer am ÖPNV ist die in ihren Augen rücksichtslose Fahr- und Verhaltensweise der Fahrzeugführer, z.B. der Anfahr- und Bremsruck bei noch nicht oder nicht mehr sitzenden Fahrgästen. Bus- und Straßenbahnfahrer sollten deshalb geschult werden, ihr Fahrverhalten zu verbessern, um z.B. längere Haltephasen, ruckfreies Fahren sowie eine verständliche Haltestellenansage zu gewährleisten.
Geeignete Ausstattung der Haltestellen
Nicht nur für Frauen, auch für ältere Menschen stellt die Haltestelle einen ”Angstraum" dar. An besonders wichtigen Haltestellen sollten einsehbare, zugfreie, warme und bequeme Wartegelegenheiten eingerichtet oder nachgebessert werden.
Der Anteil älterer Menschen, die im Besitz eines PKWs sind, ist z.Z. noch weit unterdurchschnittlich. Dies liegt u.a. am hohen Anteil von Frauen, die über keinen Führerschein verfügen. Der PKW-Besitz älterer Menschen wird aber aufgrund der lebensgeschichtlichen Prägung der jetzigen ,,Vor-Senioren" rapide zunehmen, so dass auch hier Überlegungen notwendig sind, wie die Bedürfnisse älterer Menschen mit dieser Verkehrsart in Übereinstimmung gebracht werden können.
Attraktivierung von umwelt- und stadtverträglicheren Verkehrsarten
Generell wäre es von Vorteil, wenn der motorisierte Individualverkehr auf das notwendige Mindestmaß beschränkt werden könnte: Vermeidung von motorisiertem Individualverkehr sollte Vorrang vor allen anderen Maßnahmen haben. Hiervon sollten auch ältere Menschen nicht ausgenommen sein. Es gilt, überflüssige PKW-Fahrten sowie nicht oder nicht mehr notwendigen PKW-Besitz durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. die Attraktivierung alternativer Verkehrsmittel, möglichst weit zu reduzieren.
Verkehrsberuhigung
Ergänzend sollten bauliche, aber auch ordnungsrechtliche Maßnahmen der Geschwindigkeitsreduzierung - insbesondere in Wohngebieten - verstärkt umgesetzt werden. Sie kommen dem Bedürfnis älterer Autofahrer nach übersichtlichen Verkehrssituationen und niedrigen Geschwindigkeiten entgegen. Nebenbei hätte dies auch positive Auswirkungen auf den Fußgänger- und Radverkehr. Es könnten zusätzliche Aufenthalts- und Ruhepunkte für Besorgungsgänge sowie eine Gefährdungsreduzierung für Radfahrer ohne die umstrittenen Radwege geschaffen werden.
Altenspezifische Angebote von Mitfahrzentralen
Die sinnvolle Einrichtung der Mitfahrzentralen könnte durch spezielle Angebote für ältere Menschen (z.B. Vermittlung von Fahrern, die maximal Tempo 100 bzw. besonders behutsam fahren, Bildung von Fahrgemeinschaften) ihre meist auf jüngere Leute beschränkte Zielgruppe erweitern und damit die Notwendigkeit des PKW-Besitzes für ältere Menschen reduzieren. Einen ähnlichen Effekt könnte die Organisation bzw. der Ausbau von Lieferdiensten spezieller Geschäfte haben.
Gemeinsamer PKW-Besitz
Der gemeinsame Besitz eines PKWs durch mehrere ältere Menschen ist geeignet, sowohl die Kfz-Dichte zu verringern als auch eine weitgehende Mobilität älterer Menschen zu gewährleisten. Inzwischen existieren in der Bundesrepublik und im benachbarten Ausland eine Reihe von Beispielen für das sog. Car-Sharing, die das Funktionieren solcher Einrichtungen eindrucksvoll belegen. Leider werden diese Modelle bisher hauptsächlich von Interessenten mittleren und jüngeren Alters in Anspruch genommen, aber bei Wohngemeinschaften war dies ursprünglich ja auch der Fall.
Umtauschaktionen ,,Führerschein gegen Monatskarten"
Um älteren Menschen den Verzicht auf ihren PKW zu erleichtern, können Umtauschaktionen ,,Führerschein gegen Mehrmonats- oder Jahreskarten des ÖPNV" durchgeführt werden. Es lohnt sich, die Finanzierung solcher Aktionen, einmal konkret durchzurechnen: Der Besitz, genauer der Betrieb eines PKWs verursacht volkswirtschaftliche Kosten in beträchtlicher Höhe. Die Ersparnis dieser Kosten durch Verzicht auf ein Auto könnte in die Finanzierung von Fahrkarten des ÖPNV umgelenkt werden. Inzwischen gibt es auch bereits erste positive Beispiele.
Reduzierung des ,,Schilderwalds"
Die Überfrachtung des Straßenraums mit Verkehrszeichen und Hinweisschildern überfordert nicht nur ältere, sondern auch bereits jüngere Autofahrer. Es ist endlich an der Zeit, dass diese Forderung in konkrete Maßnahmen umgesetzt wird, allerdings mit Ausnahme der für die Verkehrssicherheit gerade der Fußgänger relevanten Beschilderungen.
Die Konsequenzen aus dem bisher Gesagten sollten primär in der Beseitigung der festgestellten Mängel bestehen. Es wäre aber vermutlich verkehrt, zu fordern, dass die Kommunen altenspezifische Verkehrskonzepte aufstellen sollten. Neben diesen würden dann auch sicherlich solche für Kinder, alleinerziehende Elternteile und andere besondere Bedarfsgruppen eingefordert werden. Im Endeffekt würde eine Vielzahl sehr zielgruppenspezifischer Überlegungen und Planungen nebeneinanderher existieren, obwohl die Überschneidungsbereiche sehr groß wären. Sinnvoller scheint mir die Einbeziehung der Bedürfnisse relevanter Bedarfsgruppen in die regulär zu erarbeitenden Verkehrsplanungen zu sein. Im Fall der älteren Menschen werden wir uns ohnehin angewöhnen müssen, ihre Belange bei raumrelevanten Planungen stärker als bisher zu berücksichtigen.
Hier bietet sich für Planer eine gute Möglichkeit, ihre Kenntnisse über die Verkehrssituation einer immer wichtiger werdenden Bevölkerungsgruppe zu vertiefen, nämlich die intensive Zusammenarbeit mit den Betroffenen. Die Betroffenheit älterer Menschen durch Verkehrsprobleme führt zu einer Problemkenntnis, die bei sorgfältiger Berücksichtigung ihrer Sichtweise zu einer wesentlich verbesserten Wirkung der Maßnahmen beitragen kann.
Es ist deshalb notwendig, sowohl bei der Problemanalyse als auch bei der Entwicklung von Maßnahmenvorschlägen und erst recht bei der Wirkungskontrolle der umgesetzten Vorschläge betroffene Ältere als Experten für ihre eigene Situation zu verstehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aus diesem Grund können die hier vorgeschlagenen Maßnahmen nur als erste Sammlung von Aspekten verstanden werden, die durch die Erfahrungen und Kenntnisse älterer Menschen noch ergänzt, konkretisiert und vertieft werden muß. (1)
Dieser Artikel von Dr. Ing. Gerd Reesas, Planungsgruppe Vor Ort war das Eingangsreferat zur Arbeitsgruppe ”Senioren - Mobil im Umweltverbund?” beim 12. Bürgerinitiativen-Verkehrskongress 13.-16. Mai 1999 in Köln und ein ist ein Auszug aus der Veröffentlichung: SENIOREN zu FUSS - Aufsätze, Dokumente und Zwischenrufe, FUSS e.V. (Hrsg.), 2000
Die Veröffentlichung „SENIOREN zu FUSS - Aufsätze, Dokumente und Zwischenrufe“ ist bei uns für 4,50 Euro zzgl. Porto zu beziehen. Sie können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr-Senioren bestellen.