Umgestaltung einer Hauptverkehrsstraße

Bremen hat für die Umgestaltung der Hamburger Straße eine Ehrenmedaille bekommen. Der verantwortliche Planer, Reinhard Sobel vom Amt für Straßen und Verkehr hat die Planung bei einem Wettbewerb „Straßen in Dorf und Stadt“ eingereicht. Es ist gelungen, in dieser relativ schmalen Straße (weniger als 18 m) mit vielfältigen verkehrlichen Anforderungen alle Anwohner, Geschäftstreibenden und Verkehrsteilnehmer zufrieden zu stellen.

Wie konnte das gelingen?

Die Mängel in der Hamburger Straße waren eklatant. Trotz der gründerzeitlichen Reihenhausbebauung und des alten Baumbestandes war diese Straße unangenehm, viel zu laut und ungeordnet. Die Fahrbahn hatte eine Überbreite von 10 m bis 11 m. Autos konnten rechts die Straßenbahn überholen, was an den Haltestellen für aussteigende Fahrgäste zu lebensgefährlichen Situationen geführt hat. Geparkt wurde (legal) auf dem offenen Baumstreifen, und auch teilweise noch in 2. Reihe daneben (illegal). Radfahrer hatten streckenweise nur sehr wenig Platz zwischen parkenden Autos und Straßenbahngleis. Die Straßenpflasterung in Längsreihen mit breiten Fugen stellte für sie eine zusätzlich Unfallgefahr dar, insbesondere bei regennasser Straße.

Fußgänger hatten durch parkende Autos auf Gehwegniveau nicht ihren klar definierten Verkehrsraum; der Raum, der den Fußgängern blieb, war abhängig von der Parklaune der Autofahrer. An den Kreuzungen gab es Absperrgitter für Fußgänger.

Und so war es für die Hamburger Straße ein Segen, dass der Kanal saniert und die Gleise neu verlegt werden mussten. Diese Gelegenheit wurde genutzt, den gesamten Straßenraum neu zu überplanen und den aktuellen Bedürfnissen unterschiedlichster Art anzupassen.

Das Bremer Amt für Straßen und Verkehr hat zusammen mit dem Büro Schnüll-Haller nun alle Ansprüche an die Hamburger Straße erfüllt:

  1. die Vorgärten wurden nicht angetastet.
  2. der Alleecharakter ist erhalten geblieben
  3. der Parkverkehr wurde geordnet
  4. der Radverkehr hat einen eigenen Fahrradstreifen bekommen
  5. dem Fußgängerverkehr stehen glatte Bürgersteige, frei von parkenden Autos und Radverkehr zur Verfügung
  6. es gibt Fußgängerfurten an fast allen Nebenstraßen
  7. der Lärm der Straße ist durch Flüsterasphalt gedämpft worden.

Dieses hervorragende Ergebnis war nicht ohne Kampf zu erreichen. Auf öffentlichen Veranstaltungen und in zahllosen Einzelgesprächen war viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Anfänglich hattendie Verkehrsbetriebe BSAG Bedenken, weil die Straßenbahn nicht ihren eigenen Gleiskörper für sich hatte, sondern die Fahrbahn mit dem Kfz-Verkehr teilen sollte. Die heftigste Auseinandersetzung gab es mit der Interessengemeinschaft der Kaufleute, die den Verlust von Parkflächen befürchteten. Ähnliche Auseinandersetzungen gab es mit den Anwohnern. Dem Parkdruck wurde nachgegeben, indem auf einige Baumstandorte verzichtet und eine Grünfläche zum Parkplatz umgebaut wurde – der einzige Wehrmutstropfen. Bezüglich der Parkdruckminderung ein Tropfen auf dem heißen Stein …

Einige planerische Details

Straßenbahn und Kfz-Verkehr benutzen die gleiche Spur, Ausnahmen gibt es vor einigen wichtigen Kreuzungen. Der Parkstreifen ist durch bauliche Querungshilfen unterbrochen, um seine Trennwirkung gering zu halten und die Sicherheit beim Überqueren der Fahrbahn zu erhöhen. Er ist so schmal wie möglich gehalten und hat eine Breite von 2,50 m, so konnte Platz für den Gehweg gewonnen werden.

Die Gehwege bestehen aus einer Kombination von Betonplatten und Kleingranit-Pflasterstreifen; letztere werten den Gehwegbereich gestalterisch auf und dienen als Orientierungshilfe für Sehbehinderte. In den Nebenanlagen sind Fahrradständer installiert; so wird dem wilden Parken von Fahrrädern am Zaun entgegengewirkt, das zunehmend ein Sicherheits- und Komfortproblem für Fußgänger darstellt.

Der separate Fahrradstreifen zwischen Parkstreifen und Gleis hat das Mindestmaß von 1,50m. Zwischen Straßenbahngleis und Parkstreifen hat dadurch kein Auto mehr Platz; auf diese Art bleibt der Radweg frei, und der Verkehrsfluss wird nicht durch riskante Überholmanöver gestört.

Die Straßenbahn kommt gut voran, vor und hinter ihr fließt der Kfz-Verkehr; die kurzen Aufenthalte an den Haltestellen werden von Autofahrern hinter der Straßenbahn als Notwendigkeit akzeptiert wie das Rot an Kreuzungen auch. Der Komfort für Fahrgäste ist gestiegen. Kap-Haltestellen ermöglichen einen direkten Zugang vom Bürgersteigbereich aus, aussteigende Fahrgäste müssen nicht mehr fürchten, von Autos angefahren zu werden.

Der „Flüster“-Asphalt der Fahrbahn bewirkt, dass die Radfahrer eine glatte Verkehrsfläche haben und die Autos wirklich kaum noch zu hören sind. Spaziergänger, Cafébesucher und Anwohner können sich darüber freuen.

Die Zunahme privater Investitionen an den Gebäuden und in die Einrichtung der kleineren Läden können als Zeichen allgemeiner Zufriedenheit gedeutet werden.

Wenn die Übergänge in der Hamburger Straße an einigen Stellen, z.B. bei Apotheken und Banken, noch mit Zebrastreifen kombiniert wären – die Straße wäre perfekt, und vor allem für ältere Menschen besser zu benutzen.

Keine Zebrastreifen

Zebrastreifen wird es in Bremen vorerst nicht geben. Immer noch kommt von Verkehrsplanern und Polizisten bei dieser Frage wie auf Knopfdruck der Satz: „Zebrastreifen werden nicht mehr gebaut. Fußgänger wiegen sich auf Zebrastreifen in trügerischer Sicherheit.“ Und schon gar nicht über Gleise … So befinden sich die Autofahrer in der trügerischen Sicherheit, dass ihnen kein Fußgänger über den Weg laufen kann. Die Straßenbahn abzuwarten und ihr Vorrang einzuräumen, ist für Fußgänger kein Problem. Aber was tun, wenn die Kette der fahrenden Autos nicht abreißen will?

Nachahmenswertes Beispiel

Für diese herausragende Straßenplanung wurde eine Medaille verliehen – der Bausenator Ronald-Mike Neumeyer hat sich gefreut, dass hier etwas ganz Besonderes geschaffen wurde, was über die Grenzen Bremens hinaus Anerkennung findet.

Wenn diese Planung in Bremen anerkannt und flächendeckend umgesetzt würde, wäre das auch schon was. In den Parallelstraßen nämlich, am Osterdeich und in der Bismarckstraße, haben Anwohner, Radfahrer und Fußgänger nichts zu lachen. Es ist zu wünschen, dass die Hamburger Straße in Bremen Schule macht - und natürlich auch darüber hinaus.

Weitere Informationen:

 

Dieser Artikel von Angelika Schlansky ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2007, erschienen.

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