Das Gehen muss auch in Deutschland eine der Hauptsäulen der Prävention werden. Eine Förderung der Bewegung der Kinder ist notwendig, damit unsere Bemühungen überhaupt eine nachhaltige Wirkung haben können. Regelmäßiges Alltags-Gehen der Kinder ist mindestens so wichtig wie die wöchentliche Sportstunde in der Schule oder im Verein. Der Schulweg und der Weg zum Kindergarten sind zwar wieder auch nur eine Teilmenge, doch können wir an diesen „Arbeitswegen“ unserer Kinder noch am deutlichsten arbeiten. Wir sollten deshalb Ideen, Zeit, Kraft und auch Geld investieren, um den Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege drastisch zu erhöhen. Das sind Maßnahmen für die Gesundheit unserer Kinder und Enkelkinder, aber auch für die Gesunderhaltung der Eltern und Großeltern, für die immer weniger übrig bleibt, wenn schon die Kinder die Kassen übermäßig belasten. Nicht vernachlässigen sollten wir dabei den beachtlichen positiven Effekt für unsere Umwelt und, wenn man das Thema konsequent angeht, auch für die Lebensfähigkeit unserer Städte.
Einen zunehmenden Anteil seiner Gesundheits-Probleme aber schafft er sich selbst. Hier gilt es die verschiedensten Lebensbereiche unter die Lupe zu nehmen, und nicht nur die bereits bekannten Aspekte, wie z.B. das Rauchen, der Drogenkonsum oder übermäßiges bzw. ungesundes Essen und Trinken. Ein weiteres nicht ganz unwesentliches Problem ist, dass mittlerweile der Mensch schon von Kindesbeinen an zu wenig läuft. Wo es ganz zwangsläufig zur Bewegung kommen würde, wird das Kind herum chauffiert. Kinder aber brauchen körperliche Mobilität für ein langes und weitestgehend gesundes Leben. Gesundheitsprävention:
Im Frühjahr 2002 trat die Weltgesundheitsorganisation WHO mit der alarmierenden Information an die Öffentlichkeit: 2 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen des Bewegungsmangels. In Deutschland hat sich die Zahl der übergewichtigen Schulanfänger in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Eine im Auftrag der Bundesregierung erstellte Untersuchung untermauerte die These des Bewegungsmangels: 60 Prozent der untersuchten Kinder in Kindergärten hatten Haltungsschwächen oder -schäden, 30 Prozent Übergewicht, 40 Prozent litten unter einem schwachen Herz-Kreislauf-System und an etwa 35 Prozent mussten muskuläre Schwächen und Koordinierungsprobleme diagnostiziert werden. Gehen ist eine äußerst gesunde Bewegung. Selbst kurze Schulwege helfen den Kindern das Mindestmaß an täglicher Bewegung zu erreichen. Jeder Gang macht schlank, jeder Schritt macht fit.
Lebensfrohe Kinder mit Durchblick und sozialen Kontakten haben auch bessere Voraussetzungen, gesund zu sein. Das zu Fuß zur Schule Gehen steigert das Konzentrationsvermögen, da durch die Bewegung beide Gehirnhälften optimal durchblutet und mit Sauerstoff versorgt werden. Es ermöglicht soziale Kontakte durch z.B. Gehgemeinschaften mit Mitschülern und führt zur besseren Ausgeglichenheit. Kinder brauchen von früh auf geistige und körperliche Mobilität, um eine lebensbejahende Grundauffassung zu stabilisieren, auch als eine Voraussetzung für die psychische Gesundheit.
Es gibt keinen Lebensbereich ohne ein „aber“: Muss man seine Kinder nicht vor der schlechten Luft schützen und sie deshalb mit dem Auto zur Schule fahren? Die Luft im Auto ist häufig noch schlechter als auf dem Gehweg. Messungen ergaben im Vergleich zum Bürgersteig um ca. 40% bis 60 % höhere Kohlenmonoxid- und Stickstoff-Konzentrationen im Innenraum der Autos. Bessere Luft ist in den Städten nur durch die Reduzierung des Kfz-Verkehrs-Anteiles erreichbar; insbesondere durch Abbau der kurzen Auto-Fahrten wie sie die Schulwege in der Regel darstellen.
Gesund bleiben heißt auch unfallfrei zu leben. Deutschland nimmt weiterhin die traurige Spitzenposition in Europa hinsichtlich der Kinderunfallzahlen ein. Nach den polizeilichen Unfallstatistiken sind im Jahr 2000 allein 13 119 Grundschulkinder im Straßenverkehr verunglückt, 63 von ihnen starben an ihren Unfallverletzungen. Solche Meldungen erschrecken verständlicherweise die Eltern. Doch durch Autofahrten zur Schule sind die Kinder nicht vor Verkehrsunfällen zu schützen.
Nur als Fußgänger und Radfahrer können Kinder begreifen, welche Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern ausgehen. Nur so können sie erkennen, wie leicht man sich selbst gefährden und wie man durch eigenes Fehlverhalten zu einer Gefahr für andere werden kann.
Kinder werden durch das Zur-Schule-Gefahrenwerden nicht sicherer im Straßenverkehr. Das Unfallrisiko verschiebt sich lediglich auf die Zeiten, wo sie dann doch als Fußgänger am Straßenverkehr teilnehmen müssen. Schon heute liegt der Fußgängerunfall-Gipfel bei den neun- bis zehnjährigen und der Radfahrerunfall-Gipfel bei den zwölf- bis vierzehnjährigen; nämlich dann, wenn sie ihre Radfahrprüfung abgelegt haben und die Routine eintritt. Ein Zusammenhang, der auch bei jungen Autofahrern nachweisbar ist. Darüber hinaus ist in den letzten Jahren der Anteil der als Mitfahrer im Auto verunglückten Grundschulkinder kontinuierlich gestiegen und lag im Jahr 2000 schon bei 32 %. Beinah 60 % aller getöteten Kinder bis 6 Jahre und 46 % aller Kinder zwischen 6 und 10 Jahren starben im Auto.
Es ist gut, dass in Deutschland über die Gesundheitspolitik gesprochen wird. Leider konzentriert sich die derzeitige Diskussion fast ausschließlich auf die Fragestellung, ob die Ärztinnen und Ärzte, die Krankenkassen, die alles fordernden Patienten, die Politiker oder möglicherweise sogar die Pharmaindustrie schuld sind an der nicht in den Griff zu bekommenden Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Das „Zauberwort“ der Bundesgesundheitsministerin heißt: „Vorbeugung“. Hilfreich ist ein „Präventionsgesetz“, wenn es auch die Verhaltens- und die Verhältnis-Prävention einschließt und miteinander verknüpft. Was wir vor allem brauchen, ist eine breite „Bewegung für mehr Bewegung“ mit einer gemeinsamen Strategie und terminierten Umsetzungsschritten. Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, die wir folgend erst einmal nur anreißen möchten:
Dieser Beitrag von Bernd Herzog-Schlagk erschien in der Dokumentation: Zu Fuß für Umwelt und Gesundheit – 30 Beiträge vom 2. FUSS-Botschaftertreffen am 10. und 11.10.2003 in der Lutherstadt Wittenberg, FUSS e.V. (Hrsg.), Berlin 2004
Die Veröffentlichung „Zu Fuß für Umwelt und Gesundheit“ ist bei uns für 10,00 Euro zzgl. Porto zu beziehen. Sie können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Broschüren > Fußverkehr-Allgemein bestellen.
Peer Education - schon mal davon gehört? Das ist ein Ansatz, bei dem es darum geht, dass Kinder und Jugendliche von Gleichaltrigen lernen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die jungen Menschen untereinander besser verstehen, weil sie ähnliche Probleme haben, die gleiche Sprache sprechen, u.ä. Da ich selbst in meiner Schulzeit an einem diesbezüglichen, erfolgreichen Modellprojekt teilgenommen habe, habe ich mich gefreut zu sehen, dass dieses Konzept nun auch in der Verkehrerziehung per Lernsoftware entdeckt wurde.
Zugegeben: ich habe bisher nur ein Produkt gefunden, der dieses Konzept verfolgt. Doch allein dieser Titel unterscheidet sich derart von allen anderen von mir vor einem Jahr gesichteten, dass sich die Untersuchung als lohnend herausstellte.
“Wir haben ein Problem: in Deutschland gibt es über 40 Millionen Autos. Das sind zu viele” - mit diesem Satz beginnt eine ganz außergewöhnliche Verkehrserziehungs-Lernsoftware: sie heißt “Verkehr- von Kindern für Kinder”…
Roswitha Freibichler hat mit ihrer vierten Klasse und der Multimedia-AG der Theodor-Heuss- Grundschule in Eppelheim eine CD-ROM hergestellt, die sich zunächst mit den Nachteilen von Autos beschäftigt; in Video-Interviews erzählen Kinder, was sie an den Straßen und Autobahnen am meisten stört. (1) Nach einem kurzen Exkurs über umweltfreundlichere Autos, bekommt man die Möglichkeit, unter verschiedenen Hauptmenüs zu wählen. Neben den für Verkehrserziehung üblichen Themen wie den Regeln für Fußgänger und Radfahrern überraschen die auf die Geschichte der Verkehrsmittel folgenden Kapitel über Busse, Züge, Autos, Schiffe und Flugzeuge. Bei dieser ganzheitlichen Sicht auf den gesamten Verkehr wird zudem die Umweltverträglichkeit stark fokussiert.
Außerdem wird nicht nur auf das Inline-Skaten eingegangen, was von vielen Lernprogrammen ausgeklammert wird, obwohl es zum Erfahrungsbereich der Kinder gehört, sondern sogar über blinde Menschen und RollstuhlfahrerInnen im Verkehr informiert. Im Bereich “Radfahren” werden nicht nur wie gewöhnlich die Teile des Rades erklärt, sondern die jungen Lerner bekommen praktische Tipps zum Fahrradkauf inklusive der richtigen Größe ihres Rades. Natürlich wird das Tragen eines Radhelms empfohlen, allerdings wird dies auch begründet: “Andere Verkehrsteilnehmer, z.B. Motorradfahrer, müssen ja auch Helme tragen.” Ein letztes Beispiel für die breite Öffnung des Themas zeigt sich im Kapitel über Verkehrsschilder: Obwohl dieses Kapitel immer ein wichtiger Teil jeder Verkehrserziehungs-Lernsoftware bildet, ist diese CD-ROM die einzige, auf der zum engen Kanon auch noch Fotos der Verkehrsschilder aus anderen Ländern gezeigt werden.
Völlig anders ist auch, dass neben der Handpuppe Felix, die durch das Programm führt, fast alle Texte authentisch von verschiedenen Kindern gesprochen werden- kindergerecht, versteht sich: kurze Sätze mit einfachen Worten, die manchmal lustig sind. Daneben gibt es die unterschiedlichsten Geräusche und viele von den Kindern eingesungene Lieder zum Thema. Als kleine Kostprobe hier ein Gedicht von Josef Guggenmos:
Wie es die Hühner machen, das weißt du doch. Sie müssen geschwind und unbedingt auf die andere Seite noch. Dass wir wie aufgeregte Hennen blindlings über die Straße rennen, kann`s das bei uns geben? Nie im Leben!
Leider sind einige der selbst gemalten Bilder schwer verständlich. Auch die Videos sind teilweise unverständlich, immer etwas gezwungen: da sieht man Stuntmänner bei Verkehrsunfällen durch die Luft fliegen, weil sie nicht genug Platz für eine sich öffnende Autotür gelassen haben (ihre Schuld) oder man sieht nachgestellte Unfall-Szenen, die sehr gekünstelt wirken. Schade, dass sich auch mal der ein oder andere kleine Fehler eingeschlichen hat, wenn man die Kinder selbst im Verkehr beobachten soll, die unkonsequent zur vorherigen Lektion nicht an der Bordsteinkante stehen bleiben, bevor sie über die Straße gehen.
Die Schule hat 2002 den zweiten Platz beim “Verkehrspräventionspreis” (toller Name: dem Verkehr soll wohl in dem Alter vorgebeugt werden) “Gib Acht im Verkehr” bekommen. Mitgewirkt haben übrigens die ansässige Polizei, die Busschule und der ... ADAC..
Schön ist, dass man nicht nur am Bildschirm zum Spielen aufgefordert wird, sondern auch viele Tipps für Spiele zur Verbesserung des Gleichgewichtes, ja sogar zur Unterscheidung von rechts und links erhält. Das kleine Quiz ist nett, wenn man von der Frage absieht, wo man mit dem Roller zu fahren hat; wählt man dort nämlich “Mit dem Roller fahre ich gar nicht”, was ja durchaus jedermanns Recht ist, hat man sofort verloren.
Interessanter Weise kann man sich anschauen, wie diese ansprechende CD-ROM entstanden ist; man sieht, dass es den Kindern viel Spaß gemacht haben muss. Neben der Produkterstellung haben sie sicherlich unvergleichlich viel dabei gelernt. Am Anfang haben sie z.B. beobachtet, wie viele Autos in ausgewählten Straßen fahren und eine Umfrage gemacht, wie viele von den Kindern der Schule wie zur Schule kommen (25 mit dem Eltern-Taxi, 47 nur, wenn es regnet, 140 laufen immer zu Fuß). Am Ende haben sie als Nebenprodukt erreicht, dass die Stadt sogar Pfeile auf die Gehwege kleben lässt, um den sichersten Schulweg der Kinder zu markieren. Muss ein tolles Projekt gewesen sein- nachahmenswert!!!
Dieser Artikel von Hanna Schlagk ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 2/2006, erschienen.
Einzelhefte von mobilogisch! können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Zeitschrift bestellen.
Für Jugendliche ist der Gang zur Schule der erste regelmäßig alleine zurückgelegte Weg. Hierbei erwirbt der Jugendliche die sogenannte Raumerfahrung, dies meint er ist den Einflüssen Zeit und Distanz, Klima, Relief oder dem (Verkehrs-)verhalten der Mitmenschen ausgesetzt. Die hier erworbenen Erfahrungen formen die Einstellung gegenüber den Verkehrsmitteln und beeinflussen damit die Verkehrsmittelwahl im Erwachsenenalter entscheidend mit.
Überraschenderweise existierten bis vor wenigen Jahren kaum detaillierte Angaben über den Modal Split des Schulwegs. Dies verwundert, denn einerseits liegen hier Möglichkeiten die Einstellung zum öffentlichen Verkehr entscheidend zu beeinflussen: Spricht man die „typischen“ Verkehrsplaner alter Art an, werden Schüler oft als lästige Beförderungsfälle beschrieben, die eh keine Verkehrsmittelwahl haben und auf die man keine Rücksicht nehmen muss.
Rücksicht, Kundenorientierung, dies wäre z.B. wenn man als Schüler nicht in überfüllten Bussen als Stehpassagier fahren müsste, sondern die Möglichkeit hätte die Fahrzeit sinnvoll und stressfrei zu nutzen oder die Schule auf einem gut ausgebauten Radwegenetz erreichen zu können.
Doch ohne Kenntnisse des Mobilitätsverhaltens, welches z. B. vom Geschlecht, der Schulart, der Bildung der Eltern oder der Art des Wohnorts abhängig sind, können die Kundenwünsche nicht berücksichtigt werden.
Wie aus Tabelle 1 (die unveränderlichen Rahmenbedingungen wurden außer Acht gelassen) hervorgeht, sind die Schulart und damit indirekt das Bildungsniveau bedeutende Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl.
Tabelle "Verkehrsmittelwahl auf dem Schulweg" (PDF)
Die unterschiedliche Bildung der Eltern wirkt sich am stark auf die Fahrradnutzung und den Transport mit dem PKW aus. Die oft nachhaltigere, dem Schutz der Umwelt einen größeren Stellenwert einräumende Lebenseinstellung besser Gebildeter bevorzugt natürlich das umweltfreundliche Fahrrad. Umgekehrt nutzen Kinder aus Haushalten mit niedriger Bildung und Hauptschüler das Fahrrad erheblich seltener.
Doch wieso hat in der Gruppe der höher Gebildeten dann auch der Eltern-Autotransport einen großen Anteil? Aus Erwachsenensicht sind die Sicherheit und die Zeitersparnis der Kinder ein wichtiges Argument hierfür. Sicherheit meint z. B. Mobbing im Bus oder Gedränge an der Haltestelle. Die im Bus nicht genutzte Zeit erscheint vielen erfolgsorientierten Eltern als Vergeudung. Dazu kommt, dass die in Akademikerhaushalten oftmals flexibleren Arbeitszeiten den Transport des Nachwuchses ermöglichen. Dementsprechend liegt auch die Nutzung von als gefährlich eingeschätzten Kleinkrafträdern um mehr als 20 Prozent niedriger als bei den Vergleichsgruppen.
Mit Auto- und Radbesitz steht im Zusammenhang: Pkw-Mitfahrer stammen und insbesondere Kleinkraftradfahrer aus Familien, die überdurchschnittlich viele Autos besitzen. In diesen Fällen haben Motorfahrzeuge einen hohen Statuswert und damit eine erhebliche Vorbildfunktion. Die Nutzung von Krafträdern stellt insofern eine bewusste Entscheidung gegen öffentliche Verkehrsmittel bzw. das Fahrrad dar. Zugfahrer fallen dagegen in eine andere Kategorie: Sie wohnen oft in ländlichen Räumen mit dünnem ÖV-Netz, was den Besitz von mehreren Autos in der Familie notwendig erscheinen lässt.
Gymnasiasten und insbesondere Realschüler zeigen signifikant größere Werte bei der Nutzung von Bussen und Bahnen; dies ist vor allem in der durchschnittlich größeren Entfernung zur Schule begründet. Dagegen können Hauptschüler ihr Ziel öfter zu Fuß erreichen; hieraus resultiert jedoch auch eine geringere Vertrautheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Für Schüler, die sich als Fußgänger bezeichneten, gab es meistens keine motorisierte Alternative. Bestand jedoch eine Bus- oder Bahnverbindung, wurde diese meist ungeachtet der Entfernung aus Bequemlichkeit bevorzugt.
Eine genauere Analyse des öffentlichen Verkehrs lässt erkennen, dass der Bus den Schülertransport dominiert, eine Tatsache, die bei der Entwicklung des Images der des ÖV zu beachten ist: Kein Verkehrsmittel war derart unbeliebt! Die meistgenannten Kritikpunkte waren Überfüllung zu Stoßzeiten, geringe Geschwindigkeit, schlechte Luft und unfreundliche Fahrer.
Gleichzeitig fällt es vielen Jugendlichen schwer, die einzelnen Verkehrsträger des ÖPNV und ihre spezifischen Eigenschaften voneinander abzugrenzen, so dass das negative Image des Busses leicht verallgemeinert wird. Diese negative Verallgemeinerung war umso stärker, je ländlicher eine Region war und desto seltener schienengebundene Verkehrsmittel genutzt wurden.
Da die Verkehrsmittelwahl bei Schülern nur eingeschränkt möglich ist, wird die Bedeutung des Kriteriums Zeit oft unterschätzt. Jedoch müssen die Jugendlichen je nach Situation einen großen Teil ihrer außerhäuslichen Zeit für den Schulweg aufwenden. Dieser Zeitbedarf ist für die Entwicklung des Images eines Verkehrsmittels von zentraler Bedeutung: Der Schüler vergleicht seine Schulwegzeit mit der Zeitspanne, die ein PKW für die gleiche Strecke benötigen würde.
Eine Minimierung der Fahrzeit bedeutet einen Gewinn bei der für Jugendliche „wichtigen“ Zeit am Morgen: Die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre führten zu einer Verlagerung vieler Aktivitäten auf den späteren Abend, damit hat sich bei unverändertem Schulbeginn der Wert des längeren Ausschlafens erhöht.
Die unterschiedliche Beliebtheit von Bussen und Bahnen dürfte somit auch auf den Unterschied in der Reisegeschwindigkeit zurückzuführen sein: Der Bus, der an vielen Haltestellen hält und sich im Berufsverkehr langsam dahinquält, schneidet grundsätzlich schlecht ab. Im ländlichen Raum sind die Bewertungen am negativsten, weil hier z. B. viele Umwege beim „Abklappern“ abgelegener Haltestellen gefahren werden. Hingegen wird der ÖV allgemein in Verdichtungsräumen positiver gesehen.
Auch besteht eine Abhängigkeit zwischen der für den Schulweg aufzuwendenden Zeit und der Zahl der Autos je Haushalt.
Ein wichtiges Kriterium ist, ob die alltäglich aufzusuchenden Ziele problemlos mit dem ÖV erreicht werden können. Die Unmotorisierten wohnen daher fast alle in den Zentren größerer Städte und in den Verdichtungsräumen. Sobald jedoch auch nur ein Auto im Haushalt vorhanden ist, steigt die die benötigte Zeit und erst recht die Entfernung zu alltäglichen Zielen stark an.
Der geringere Entfernungsmittelwert der motorisierten Verkehrsmittel im Vergleich zum ÖV führt zum Schluss, dass viele Jugendliche, die theoretisch selbstständig-selbstbewegt zum Schulort kommen könnten, aus Statusgründen motorisierte Hilfe bevorzugen. Dies bestätigt die Hypothese, dass Verbesserungen im Bereich des ÖPNVs in erster Linie die bisher umweltverträglichst mit dem Rad oder zu Fuß Reisenden zum Umstieg bewegen werden – ein Vorgang, der den eigentlichen Intentionen zuwider liefe.
Die Ergebnisse lassen erkennen, dass es zwei Gruppen mit unterschiedlichem Verkehrsverhalten gibt: Einerseits die Radfahren und die ÖPNV-Nutzer, andererseits Pkw-Mitfahrer, Kleinkraftradnutzer und Fußgänger, die Fahrräder meiden. Diese unterschiedlichen Grundeinstellungen zeigen sich z. B. in der Zahl der im Haushalt vorhandenen Fahrräder: Fahrradfahren bedeutet körperliche Anstrengung, kalte Finger im Winter oder auch mal von einem Regenguss „erwischt“ zu werden.
Eine höhere Zahl ist daher ein Indiz für die Bereitschaft, allgemein auch unangenehmere Transportformen zu akzeptieren bzw. eine größere (Frustrations-) Toleranz bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu zeigen. Bei mit dem Pkw anreisenden und zu Fuß gehenden Schülern sind Fahrräder in deutlich geringerer Zahl in den Haushalten vertreten: Oft ist hier nicht die Entfernung das entscheidende Kriterium sondern der Faktor Bequemlichkeit, d. h. der geringere körpereigene Energieaufwand.
Die Einflussfaktoren auf das jugendliche Mobilitätsverhalten sind vielschichtig, allerdings bestehen durch den großen Anteil des ÖPNVs am Schülertransport auch Chancen. Eine Erziehung zu einem ökologisch verantwortlichen Verkehrsverhalten muss daher versuchen, das Verkehrsverhalten auf den lernpsychologisch wichtigen Schulweg zu beeinflussen. Entscheidend ist allerdings das Vorhandensein von günstigen Rahmenbedingen: Mit Verkehrsunternehmen, die Schüler nur als Nummern in Statistiken sehen und für die Gewinnmaximierung Vorrang vor langfristiger Kundenbindung hat, wird sich nur wenig an Einstellungen der Jugendlichen bewegen lassen.
Schüler machen ihre ersten regelmäßigen und intensiven Erfahrungen mit den verschiedenen Verkehrsmitteln auf dem Schulweg. Doch wie dieser Weg und warum er gerade so zurückgelegt wird, ist nur wenig bekannt: Schulart, Elternhaus oder Wohnort – all dies sind wichtige Faktoren, die die Entwicklung des Images der Verkehrsmitteln bei Schüler beeinflussen und damit eine Rolle bei der späteren Verkehrsmittelwahl spielen.
Dieser Artikel von Burkard Richter (lehrt Geographie und ihre Didaktik an der PH Schwäbisch Gmünd) ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2009, erschienen.
Einzelhefte von mobilogisch! können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Zeitschrift bestellen.
Die Kinderverkehrsunfälle mit Toten und Schwerverletzten sind seit Jahren rückläufig. Dennoch bleiben sie eines der dringenden gesellschaftlichen Probleme, welches nicht mit der Verlagerung der Kinder auf Kindergarten- und Schulwegen ins Auto zu beheben ist; die Unfallzahlen als Pkw-Insassen sind mittlerweile höher als die auf den Fußwegen. Steigen Sie um:
Die folgenden Beiträge bieten Ihnen Hilfestellungen für die Umsetzung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen:
Kinder befinden sich nicht nur auf Schulwegen:
Zur Sicherung von Alltags- und Freizeitwegen von Kindern und z.B. zur Erstellung von „Kinderstadtplänen“ ist der Service www.schulwegplaene.de verwendbar.
Pädagogische Hilfestellungen:
Zum Themenkomplex Kinder und Jugendliche zu Fuß sollten Sie auch die Themengruppe Verkehrssicherheit für Fußgänger beachten.